Ralf Ludwig: "Die Vorsokratiker für Anfänger"

"Ein anderes will ich dir künden: Entstehung gibt es bei keinem der sterblichen Dinge noch auch ein Enden im verderblichen Tode. Nur eines gibt es: Mischung und Austausch des Gemischten. Nur bei den Menschen gibt es dafür die Benennung: Geburt."

(Empedokles von Akragas; 495-435 v.Chr.)


Fast eine Liebeserklärung

Sich selbst nach dem Grund fragend, warum er sich ausgerechnet mit den Vorsokratikern befasse, gesteht Ralf Ludwig unumwunden, dass er die Vorsokratiker schon von früh an geliebt hätte. Und kann es denn ein edleres Motiv als Liebe geben? Ist Philosophie denn etwas anderes als Liebe? Liebe zur Erkenntnis? Ja, gewiss vielleicht auch Besessenheit, leidenschaftliches Erkenntnisstreben, wie auch immer betrachtet, wohl eine oftmals belächelte Verrücktheit in einer Welt, wo alles Handeln noch allemal nach seinem praktischen Zweck und Nutzen beurteilt wird. Und so war es denn dann vielleicht auch nichts mehr und nichts weniger als bloße Liebe zur Erkenntnis, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt, dem des 6. Jahrhunderts v. Chr., an verschiedenen Punkten der Erde, die in keinerlei Verbindung untereinander standen, das Denken des Menschen einen unerwarteten Sprung machte. So entstanden beinahe gleichzeitig in Indien, China, Persien und unter den Griechen Philosophien von bleibendem Gehalt. Eine welthistorisch wirkmächtige Entwicklung, die Ralf Ludwig anhand der Vorsokratiker mit viel Liebe zum Detail für Freunde der Weisheit abhandelt, die - um mit Demokrit zu sprechen - "lieber eine einzige Erkenntnis finden, als den Perserthron gewinnen".

Loslösung vom Mythos

Die Sprache des Mythos ist das Epos, hingegen die Sprache der Philosophie der Logos ist. Mythos wie Logos meint das gesprochene Wort, doch während der Mythos primär fantastische Poesie ist, bemüht sich der Logos um eine Sprachregelung, hinter der sich eine Rationalität verbirgt, welche geeignet ist das Sein zu erfassen und es in vernünftige Zusammenhänge zu bringen. Was da nun vor zweieinhalbtausend Jahren unter den Griechen vor sich ging, war eben genau dieser Loslösungsprozess von einer überwiegend poetischen Weltbetrachtungsweise hin zu einer an der Vernunft orientierten.

Konfrontation der Kulturen

Ort dieses klassischen Paradigmenwechsels war geografisch gesehen nicht das griechische Mutterland, sondern es waren griechische Niederlassungen außerhalb Griechenlands, insbesondere die ionischen Städte in Kleinasien - u.a. Milet, Ephesus -, wo es zur Konfrontation mit hoch entwickelten orientalischen Kulturen kam, wobei so manche bisher unhinterfragte Gewissheit fraglich wurde. Es war denn wohl die zwangsläufige stetige Irritation im multikulturellen Miteinander, welche Philosophie gebären half.

Die Orphik - ein Erlösungsglaube indischen Ursprungs?

Von nicht unerheblicher Bedeutung für die weitere Entwicklung des abendländischen Denkens sollte zudem der im 6. Jh. v. Chr. entstandene Mysterienkult der Orphik sein, die auf den von Sagen umwitterten Sänger Orpheus zurückgeführt wird, der Griechenland die - etwa für Friedrich Nietzsche - so bedeutsame Figur des Gottes Dionysos bescherte. Wesentlich für die neue Lehre der Orphik war ihr Glaube an die Tatvergeltung, der die Seele des Menschen in unzähligen Seelenwanderungen unterworfen sei und welcher nur durch einen untadeligen Lebenswandel entkommen werden könne. Die diesseitige Leibhaftigkeit wurde als Strafe empfunden, womit das bis dahin geltende griechische Lebensgefühl sinnenfreudiger Körperlichkeit völlig auf den Kopf gestellt wurde. Eine Verwirrung, offenbar nicht europäischen Ursprungs, die geeignet war die Autorität des alten Mythos zu erschüttern und solcherart den Weg für ungewohnte Denkweisen zu ebnen.

Substanzmetaphysik der Unsterblichkeit

Wie aus dem oben angeführten Zitat des Empedokles schon zu ersehen ist, bezog sich alles Sinnieren der Vorsokratiker auf die eine weltliche Substanz, um das Sein und Werden in einer Welt, in welcher nach Meinung dieser ersten Philosophen die Dinge weder werden noch vergehen, sondern in Wirklichkeit sich nur Elemente mischen und wieder trennen. Nichts wird wirklich geboren und nichts darf wirklich sterben. Der von der Orphik begründete griechische Pessimismus lebte im Denken der Vorsokratiker fort und führte zu der Auffassung, dass das was der Mensch Geburt und Tod nennt, in der Tat nur die Illusion des Unverständigen über sein eigenes Dasein in der Welt ist.

Ungehemmte Lust am Denken, mit Hang zum Widersinnigen und gar Skurrilen

Bei den Vorsokratikern handelte es sich bis zur Entstehung der Sophistik beinahe durchgehend um Angehörige der Schicht von Müßiggängern, also um Aristokraten, die ihr Leben - frei von Sorgen um ihr materielles Auskommen - im Reich der Freiheit zubrachten. Ihre Lust am Denken war noch unbelastet von einem akademisch verwalteten Wissenskanon, und so gestattete man sich Ideen und Theorien, die heutzutage mitunter einem philosophischem Suizid gleichkommen könnten, doch zumindest mit höhnischem Gelächter und regem auf die Stirn Klopfen quittiert werden würden . Mit kaum verhohlener Vergnüglichkeit spitzt Ralf Ludwig deswegen dazu seine Feder und präsentiert der staunenden Leserschaft eine Fülle origineller Virtuositäten griechischer Geisteskultur; wie in etwa die vier Paradoxien (griech.: paradoxon = Widersinn) ) des Zenon von Elea (490-? v. Chr.), dem wider jede Lebenserfahrung zum Beispiel der "Nachweis" gelang, dass es dem schnellsten Läufer der Griechen nicht gelingen könne das langsamste Lebewesen, eine Schildkröte, im Wettlauf einzuholen, und dass ein abgeschossener Pfeil im Fluge still steht. Solche rein hypothetischen Annahmen waren natürlich leicht durch jede Lebenserfahrung zu widerlegen, doch dienten sie dem spitzfindigen Philosophen aus dem süditalienischen Elea dazu, den Begriff der Bewegung als widersinnig anzuzweifeln und im Umkehrschluss eine in sich stimmige These der Bewegungslosigkeit alles Seienden aufzustellen. Eine These absoluter Bewegungslosigkeit übrigens, die - da selbst wiederum mit offensichtlichem Widersinn behaftet - bei den Zenon nachfolgenden Vorsokratikern keine ungeteilte Übernahme fand, im Substanziellen aber doch von diesen beibehalten wurde. So ging auch Empedokles von Akragas (495-435 v. Chr.) von einer einheitlichen Welt der Elemente aus (Feuer, Wasser, Erde und Luft), in der jedoch die beiden Kräfte der Liebe und der Zwietracht zueinander in Konkurrenz stehen und solcherart eine Erklärung für das nicht zu leugnende Werden und Vergehen der Dinge ermöglichen. Geradezu erheiternd mutet die Entwicklungslehre des Empedokles an, demnach die ersten Lebewesen noch keine vollständigen Gebilde gewesen seien, sondern getrennte oder auch zu Fantasiegebilden falsch zusammengewachsene Teile. Die Männchen seien eher im warmen Süden, die Weibchen eher im kalten Norden aus der Erde entstanden; wegen dieser "warmen Verfassung" seien auch die Männer kräftiger und hätten mehr Haare, was auch immer dies bedeuten mag. - wie Ralf Ludwig dazu amüsiert anmerkt.

Der Krieg ist der Vater aller Dinge

Bei diesem Zitat des Heraklit von Ephesus (540-475 v. Chr.) handelt es sich wohl um den bekanntesten Ausspruch eines Vorsokratikers, der gewissermaßen zum Bestandteil eines allgemeinen Wissensbestandes geworden ist. Folglich waren Legionen von Humanisten bemüht diesem offenbar ungeheuerlichen und menschenverachtenden Satz eine Wendung ins Harmlose und Freundliche zu geben, nämlich in dem Sinne, es handle sich dabei lediglich um eine Metapher des Kriegerischen, etwa zum Zwecke der Veranschaulichung dialektischer Wirklichkeitsbeschreibung. Ralf Ludwig erteilt diesem Versuch einer Zurechtfälschung eine entschiedene Abfuhr, da mittlerweile klargestellt sei, dass Heraklit auch den Krieg meine, wenn er vom Krieg spreche. Immerhin war der Philosoph von seiner Abstammung her Aristokrat, also Angehöriger einer Kaste von Kriegern, die - wenn sie einmal gerade nicht mit dem "edlen Handwerk" des Krieg Führens beschäftigt war - sich zuweilen und vereinzelt tiefgründigem Sinnieren hingab. Die Herkunft prägt das Denken, zumal wenn die eigene soziale Stellung nicht kritisch hinterfragt wird; - und Sozialphilosophie im Sinne einer kritischen Gesellschaftstheorie war keines typischen Vorsokratikers Gegenstand. Zudem dürfte Heraklit sowieso alles andere denn ein Menschenfreund gewesen sein. Als die Epheser seinen Freund Hermodorus mit angeblich niederträchtiger Begründung "... unter ihnen soll keiner der Wackerste sein, und wenn schon, dann anderswo." aus der Stadt jagten, da riet er diesem "heillosen Gesindel" sich Mann für Mann aufzuhängen. Laut den Berichten des Diogenes Laertius hätte Heraklit voller Verachtung auf seine Mitmenschen geblickt. Im Übrigen ist auch das berühmte Bild vom fließenden Strom mit dem dazugehörigen Zitat "Alles fließt" (panta rhei), als Ausdruck von Veränderlichkeit im Beständigen, auf Heraklit zurückzuführen, welcher somit, neben Pythagoras (570-496 v. Chr.), der allem Sein die Zahl zugrunde legte und eine unsterbliche Seele annahm, die am Ende einer Kette von Wiederverkörperungen im Göttlichen zur Ruhe kommt, wohl zu den populärsten Vorsokratikern zählt, deren Zitate und Lehrsätze jedermann aus dem Schulunterricht und dem alltäglichen Sprachgebrauch bekannt sind.

Die Vorsokratiker - Denker des Originellen

Wie nun bereits zaghaft zu erahnen ist, war diese Welt der Vorsokratiker voll der originellen Denkansätze, die im Rahmen dieser Buchbesprechung natürlich nur in beiläufigster Manier zur Kostprobe verabreicht werden können. Was hier bloß vage und andeutungsweise zur Vorstellung gelangt, findet sich im Buch in voller Breite und köstlicher Tiefe dargelegt, und wenn auch das Meiste davon heutzutage gewiss nicht mehr ernstlich vertreten werden kann, (es sei denn man strebe danach belächelt zu werden), - oder einfach nur als politisch unkorrekt (Der Krieg als Vater aller Dinge!) erachtet werden muss - so ist doch die Originalität der ausgearbeiteten Ideen voll der intellektuellen Bezauberung. Und so, nicht anders, gestaltete sich nun einmal der Anfang abendländischer Geisteskultur, die schließlich ihren Entwicklungsschwerpunkt von den Siedlungsrändern griechischer Lebensart in Italien und Kleinasien in das Mutterland nach Athen verlagerte, das unter der vernunftgemäßen Politik des demokratischen Staatsmannes Perikles eine kulturelle Blüte erlebte, wie sie die Welt vorher und nachher nicht mehr erleben sollte. Immerhin brachte ein winziges Völkchen von höchstens 130.000 Athenern - Ralf Ludwig spricht gar von nur 100.000 Athenern - innerhalb weniger Jahrzehnte auf unterschiedlichsten Gebieten des künstlerischen und philosophischen Ausdrucks eine kulturelle Leistung zustande, die in der Kunst- und Geistesgeschichte der Menschheit als einzigartig zu erachten ist. Die ökonomische Grundlage dieser kulturellen Hochblüte dürfte allerdings eine verbrecherische gewesen sein: die Zweckentfremdung der Bundeskasse des Attisch-Delischen Seebundes zur Bereicherung der führenden Macht dieses militärischen und finanziellen Zusammenschlusses zahlreicher griechischer Stadtstaaten.

Athen - Ein Reich der Freiheit für "alle"

Athen, welches dank der Aneignung und Ausbeutung der Bundeskasse des Attisch-Delischen Seebundes nun aus einer schier unermesslichen Geldquelle schöpfen konnte, richtete für seine Einwohner mit Beginn des 5. Jh. v. Chr. ein Reich der Freiheit ein, in dem fast nur noch Sklaven arbeiten mussten, derweil sich das Volk der Athener einem regen Kulturleben widmete und das Antlitz seiner Stadt auf wundersame Weise veränderte (Akropolis, Parthenon, Propyläen, Odeion). In diesem für intellektuelle Initiativen so günstigen Klima gedieh die Strömung der Sophisten, womit erstmals die Tätigkeit des Philosophen professionalisiert wurde, und in ihrem Rahmen, gleichermaßen als ihr Geschöpf wie auch als ihr vehementester Widerspruch, schließlich die griechische Hochklassik in Gestalt ihres Dreigestirns bestehend aus Sokrates, Platon und Aristoteles.

Die Sophisten - Professionalisierung und Kultivierung kritischen Geistes

Ob man die Sophisten (griech.: sophistaí = "kundige Männer") noch ernsthaft den Vorsokratikern zurechnen kann, ist in der Lehre umstritten. Wie immer man es jetzt sieht, Ralf Ludwig hat sich im Zweifel dazu entschlossen, auch den Sophisten ein eigenes Kapitel zu widmen, womit dem Leser einige recht interessante Details zur Kenntnis gebracht werden. In etwa dass es sich bei den Sophisten um berufsmäßige Erzieher handelte, welche die Philosophie zu ihrem Brotberuf machten, was zu jener Zeit nicht nur neu sondern geradezu anrüchig war. Im Grunde genommen bedeutete diese Verbürgerlichung der Philosophie zugleich eine Demokratisierung von Denkkultur, die jetzt nicht mehr allein Angehörigen der Aristokratie vorbehalten war. Auch entstand in den Reihen der Sophisten so etwas wie eine politische Philosophie, deren Absicht es war, Staat und politische Herrschaft zu entmystifizieren und mittels verstandesmäßigen Begreifens für die Gemeinschaft dienstbar zu machen. Das alles schien dem wohlgeborenen Aristokraten Platon jedenfalls Grund genug, um den Stand der Sophisten auf das Gehässigste zu bekämpfen, was für die Angegriffenen einen nachhaltigen Rufverlust zur Folge hatte; so weit gedeihend, dass das Wort "Sophist" zum Schimpfwort wurde und "die Pioniere einer neuen Aufklärung" bis ins 19. Jh. hinein der Nachwelt als "Wortverdreher und Spiegelfechter" - so Platon - in Erinnerung blieben. Tatsächlich und entgegen der diffamierenden Intention Platons entstammten den Reihen dieser ersten Berufsphilosophen jedoch große Denker wie beispielsweise der Aufklärer, Humanist und wegen Asebie (= Gottlosigkeit) verurteilte Protagoras (490-420 v. Chr.), dessen Buchwerk angeblich verbrannt wurde, weil er darin die traditionellen Göttervorstellungen als idealtypische Spiegelungen der menschlichen Verhältnisse sah und gesichertes Wissen über die Götter in die Welt der Fabeln verwies.

Gerade dieses Kapitel über die Sophisten zeigt, welch rasante Entwicklung das Denken zu jener Zeit nahm und dass, wohl völlig zu Unrecht, die drei Klassiker - Sokrates, Platon und Aristoteles - allein zum Maß aller Dinge erhoben wurden, hingegen man die von ihnen angefeindeten Sophisten pauschalierend mit Schimpf und Schande bedachte. Ralf Ludwig leistet nun mit seinem Buch gewiss eine Beihilfe zur Rehabilitation der Sophisten, denen er in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit Gerechtigkeit widerfahren lässt. So wird ein - seiner Bedeutung wegen - schon etwas ausführlicher wiedergegebener naturrechtlicher Text von Kallikles zitiert, der nach Meinung von Ralf Ludwig offenbar Friedrich Nietzsche als Vorlage zu seiner Theorie vom Übermenschen gedient haben muss. Kallikles beklagt darin, dass die Gesetzgeber seiner Zeit die Schwächeren und der große Haufe sind, was zur Folge habe, dass es sich bei den geltenden Gesetzen jener Zeit zwangsläufig um widernatürliche Gesetze handle, die den Knecht dem Herrn gleichstellen. Eine dazu konträre Position vertrat der Sophist Lykophron, und zwar zu Gunsten der Schwachen. Und Alkidamas aus Elaia trat zu jener Zeit gar für die Abschaffung der Sklaverei ein, indem er in ebenso naturrechtlicher Manier formulierte: "Gott hat alle Menschen frei gelassen; die Natur hat niemanden zum Sklaven gemacht." - Aristoteles bezeichnete den Stil des Alkidamas als "erkältend". Man kann sich dazu jetzt so seine Gedanken machen. Oder auch nicht.

Zur einzigartigen Stellung der griechischen Antike

Was die Griechen auf dem Gebiet des reinen Denkens leisteten ist - wer wagte es zu bezweifeln? - einzigartig, machte die Nachwelt staunen und begründete geradezu mystische Redensarten über den griechischen Genius, der alle Hochkulturen jener Zeit vergleichsweise minder aussehen lässt. Wie es zu diesem plötzlichen Aufblühen griechischer Kultur kommen konnte, war schon oftmals Gegenstand kulturhistorischer Spekulation und verlangt als geschichtliche Tatsache nach deutender Erklärung. Nach Meinung des Philosophen Bertrand Russell dürfte für die spezifisch griechische Entwicklung eine gewisse in der Klein- und Vielstaaterei begründete gesellschaftliche Vielfalt wie auch eine in der expansiv-kriegerischen Wesensart begründete Multikulturalität (Aneignung von Fremdkulturen durch Seehandel bzw. Piraterie und kriegerischen Raub, aber auch durch Söldnerdienste) wesentlich für dieses antike Wunder gewesen sein. Eine den gesamten Kulturraum kontrollierende Priesteraristokratie, welche diesen - wie im Ägypten der Pharaonen - in religiösen Konservativismus gefroren, konnte sich in der Vielfalt kleinstaatlicher griechischer Lebenswirklichkeiten jedenfalls niemals mit hinreichendem Erfolg konstituieren. Vielmehr sorgten krass unterschiedliche kulturelle Niveaus und unterschiedlichste politische Herrschaftsformen für ideologische Konkurrenzverhältnisse, die mithalfen innere Dogmen aufzulösen und welche eine offene und aufnehmende Haltung gegenüber äußeren Einflüssen begünstigten.

Ein lesenswertes Buch für Philosophen und für jedermann

Diese mit viel Liebe verfasste und hiermit lediglich skizzenhaft angedeutete Lese-Einführung in den Anbeginn abendländischer Philosophie ist in der Tat die reinste Verführung zur Philosophie, die trotz des grundsätzlich knochentrockenen Gegenstands, (Philosophie mag zwar ein Abenteuer sein, doch stets ein ernsthaftes Abenteuer), zwischen den Zeilen eine Leidenschaft verströmt, die vom Leser Besitz ergreift und ihn ebenso zu einem Besessenen des tiefgründigen Denkens werden lässt. Eine Stirnrunzeln verursachende Lektüre muss keineswegs befürchtet werden, denn der Autor befleißigt sich einer zugänglichen und teils gar heiteren Vermittlungsweise, die jegliches elitäre Gehaben dem Primat der Verständlichkeit und der fürsorglichen Kenntnisvermittlung unterordnet. Das somit vorliegende Buch eignet sich auch vorzüglich als fundiertes Nachschlagewerk für die alltägliche Befassung mit vorsokratischer Philosophie wie auch als gediegenes Hilfsmittel für Zwecke universitärer Studien. Vorwissen ist für das Textverständnis nicht erforderlich, denn die ersten Regungen abendländischer Rationalität dem noch Unkundigen zu vermitteln, ist eben Anspruch und Zweck dieser Art von Überblick verschaffenden Einführungsliteratur. Und man kann mit Fug und Recht nun sagen: Der edlen Absicht Verwirklichung ist vollauf gelungen.

(Harald Schulz; 2. Dezember 2002)


Ralf Ludwig: "Die Vorsokratiker für Anfänger"
dtv, 2002. 224 Seiten.
ISBN 3-423-30858-3.
ca. EUR 10,-.
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