Sybil Volks: "Café Größenwahn"

Kappes zweiter Fall


Nach "Es geschah in Berlin: 1910: Kappe und die verkohlte Leiche" von Horst Bosetzky ist dies nun der zweite Roman aus dieser Reihe, in der nacheinander verschiedene Autorinnen und Autoren die Figur des Hermann Kappe weiterentwickeln sollen.

Diesmal kommt ein junger Dramatiker vom Land in die große Stadt - ein wenig wie in dem Gedicht von Erich Kästner die Familie - und wird zunächst erst einmal Opfer eines Bauernfängers, ein Begriff, der sich an dieser Stelle eigentlich selbst erklärt. Nach diesem Fehlstart findet er sich allerdings bald im Café des Westens, das auch den Namen "Café Größenwahn" bekam, wo sich die intellektuelle, pseudointellektuelle und künstlerische Szene der Hauptstadt immer wieder traf und mit allerlei Aktionen und Redereien ihre eigene Legende erschuf. In dieser Szene versucht der junge Eugen Hofmann - nun unter einem anderen Namen - Fuß zu fassen und Eindruck zu schinden, wobei ihm Persönlichkeiten wie Else Lasker-Schüler u.a. über den Weg laufen.

Schnell lernt er, dass in der großen Stadt Namen nicht nur Schall und Rauch sind und ein "von" im Namen Türen öffnet, die ihm zuvor verschlossen waren oder deren Existenz er noch nicht einmal ahnte. Und dass Kleider Leute machen, was sich genauso stark auf die Türgriffe auswirken kann. Flugs hat er durch Angabe und Spielsucht sein mittelgroßes Erbe durchgebracht und muss schließlich - nachdem sein erstes Stück nicht ganz so gut aufgenommen wurde - sogar seine Schreibmaschine versetzen.
Und so beginnt er sich nach alternativen Geldquellen umzusehen. Dabei versucht er sich zunächst auch als Bauernfänger, was sich allerdings als wenig lukrativ erweist. Doch die überall in der Stadt herumeilenden Geldboten bringen ihn auf einen weiterführenden Gedanken, den er mit dramaturgischer Planung in die Tat umzusetzen versucht. Als sich dies als mäßig erfolgreich erweist, erhöht Eugen als guter Spieler den Einsatz weiter und entwickelt sich auf der Laufbahn des Kriminellen wesentlich schneller als auf der des Autors. Doch am Ende bringt er beide Lebensläufe wieder zusammen, was auch die Berliner Polizei und damit natürlich auch Kriminalwachtmeister Kappe auf den Plan ruft.

Neben der Darstellung des Falles bemüht sich auch dieser Roman - wie alle in dieser Reihe - darum, das Leben und Wirken der Menschen im Berlin des beginnenden 20. Jahrhunderts vorzuführen. Dabei konzentriert sich dieser Band besonders auf die Künstler- und Kaffeehausszene, wobei aber auch die Bohème im Allgemeinen mit dem illegalen Glücksspiel und den Verbindungen zwischen verarmtem Adel und aufstrebendem Bürgertum durchaus zu ihrem Recht kommt.
Die Figur des Kriminalwachtmeisters Hermann Kappe bleibt meist eher in der Peripherie des Geschehens, was aber durch die klare Darstellung der Entwicklung des "Landeis" zum Schwerverbrecher problemlos überdeckt wird.
Mit solchen Büchern können die Freibadsaison und der Strand kommen. Und auch auf der Gartenliege schmeckt so ein Buch zum Eistee sicher gut.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 06/2007)


Sybil Volks: "Café Größenwahn"
Jaron Verlag, 2007. 191 Seiten.
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Sybil Volks, Jahrgang 1965, lebt als freie Autorin und Lektorin in Berlin. Sie veröffentlichte zahlreiche Kurzgeschichten und Gedichte in Anthologien renommierter Verlage. Am bundesweiten Wettbewerb "Open Mike" nahm sie zweimal als Finalistin teil, erhielt ein Stipendium des Berliner Senats und ist u. a. Preisträgerin des "Buchjournal-Literaturwettbewerbs 2006". Sie ist Mitglied der "Mörderischen Schwestern", des Verbands deutschsprachiger Krimiautorinnen.

Noch ein Buchtipp:

Horst Bosetzky: "Es geschah in Berlin: 1910: Kappe und die verkohlte Leiche"

(Jaron) zur Rezension ...
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