Petra Würth, Jürgen Kehrer: "Blutmond"

Wilsberg trifft Pia Petry


Jürgen Kehrers Detektiv Georg Wilsberg und Petra Würths Hamburger Privatdetektivin Pia Petry treffen in Münster bei Ermittlungshandlungen betreffend einer schweren Körperverletzung in einem SM-Club aufeinander. Beide wurden angeheuert, weil eine Sklavin im Verlaufe einer Sitzung mit etlichen Messerschnitten traktiert wurde, nachdem ihr Meister zunächst vom Täter niedergeschlagen worden war. Da die Sklavin zu diesem Zeitpunkt geknebelt war und eine Augenbinde trug, kann sie hinsichtlich des Täters keine Aussage machen, außer die, dass es sich um einen Mann gehandelt haben müsse. Herr Averbeck, der Meister und Ehemann der Geschädigten und ein ehemaliger Liebhaber Pia Petrys, hat die Hamburger Detektivin nach Münster bestellt, damit sie die Identität des Angreifers aufdeckt.

Aber auch die Inhaberin des "Club Marquis" ist mit den Ereignissen nicht sonderlich glücklich, weil sich ein Realsadist im Haus durchaus negativ auf die Besucherzahlen auswirken kann, und die Einschaltung der Polizei sehr viele der prominenteren Gäste in große Verlegenheit bringen würde. Daher hat sie Wilsberg gebeten, sich der Sache anzunehmen.
Durch einen seltsamen Zufall begegnen sich die beiden Vertreter des radikalen Blümchensex so das erste Mal ausgerechnet neben der Liege eine SM-Pärchens mit blutüberströmten, aber glücklichen Gesichtern. Damit steht ihre weitere Zusammenarbeit zunächst unter einem etwas ungünstigen Vorzeichen - wozu auch Pias spezielle Art, mit Beziehungen und ihrem Beruf umzugehen, beiträgt.

Nach einigem Hin und Her finden sich die beiden schließlich in einer Wohnung wieder, wo die aufgeknüpfte, übel zugerichtete Leiche einer jungen Frau das Hinzuziehen der Polizei absolut unvermeidlich macht. Den Gesetzeshütern erscheint gerade Wilsberg in verschiedenerlei Hinsicht verdächtig, besonders, weil dieser versucht, Pia aus der Angelegenheit herauszuhalten.

Doch trotz - oder gerade wegen - dieser Ritterlichkeit gestaltet sich die weitere Zusammenarbeit zwischen den beiden sehr unterschiedlichen Temperamenten ziemlich kompliziert, vor allem, weil Pia es überhaupt nicht schätzt, ständig gerettet zu werden - wobei man ihr vielleicht raten sollte, sich nicht ständig in Situationen zu begeben, die eine solche Rettung notwendig machen.

Bei "Blutmond" handelt es sich um eine interessante Kooperation, in der zwei profilierte Schreiberlinge ihre jeweilig prominentesten Charaktere zusammen bringen und dabei ein unterhaltsames Buch entstehen lassen, das weder im Aufbau noch in der Sprache deutlich werden lässt, dass hier arbeitsteilig vorgegangen wurde. Es wirkt alles wie aus einem Guss, was bei solchen Kooperationen ja nicht immer gegeben ist. Die Einblicke in die SM-Welt bedienen erfreulicherweise nicht die üblichen Klischees, auch wenn es in der Handlung ein paar Anklänge an "Cruising" gibt. Aber das ist bei solchen Themen keineswegs verwunderlich. Alles in allem stellt dieser Roman auch einen guten Einstieg in die bereits existierenden Reihen um Pia Petry und Wilsberg dar, und sicherlich die passende Lektüre für jene Leser, die auf der Suche nach einer neuen Krimireihe sind. Wilsberg- und/oder Petry-Anhänger werden diesen Band nicht missen wollen.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 08/2005)


Petra Würth, Jürgen Kehrer: "Blutmond"
Grafit, 2005. 319 Seiten.
ISBN 3-89425-311-8.
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Ein aufklärender Buchtipp:

Helge Mooshammer: "Cruising. Architektur, Psychoanalyse und Queer Cultures"

"Cruising", ein Synonym für das Herumstreifen auf der Suche nach sexuellen Abenteuern, verschiebt wie beiläufig die gesichert geglaubte Identität von Räumen und lässt im Verdeckten andere Bedeutungen entstehen: In stilisierenden und erotisierenden Blicken, in den kurzen Begegnungen von Körpern und Fantasien bilden sich flüchtige, ständig erneuerte Momente von Beteiligung und Kontakt. Dieses kulturelle Potenzial von Cruising führt den Diskurs um die Hegemonie von Sichtbarkeit in der Wissensgeschichte der Moderne an neue Schauplätze und beschreibt die Möglichkeiten für ein zunehmendes Begehren nach dem Unsichtbaren als dem Unbekannten, nach Formen seines Erlebens außerhalb der bezeichneten, materiell repräsentierten Bahnen.
Beispiele, die versuchen, diese Qualitäten von Cruising in gebaute Räume zu transformieren, machen die Bedeutung schaffende Wirkung der subjektiven, körperlichen Verwicklung in der Produktion von Raum deutlich: Cruising lässt sich nicht vom Einsatz subjektiver Fantasien und deren eigenen zeitlichen und räumlichen Dimensionen, ihren körperlichen Vergangenheiten und Rhythmen, losgelöst in funktionale Programme übersetzen. Den miteinander verbundenen Wissenskonstruktionen von Psychoanalyse, Kunst und Architektur kommt in einer Kritik an solchen Akten des Sichtbarmachens, des Übersetzens von Kultur in "konstruierten" Raum, eine besondere Rolle zu. Der hierzu formulierte Theorieansatz einer "relationalen Architektur" argumentiert für ein Weiterdenken von Cruising als epistemologisches Modell, das in der Entwicklung neuer Architekturtheorien und Praxisformen die räumlichen Qualitäten des Skriptlosen und Unfertigen im kulturellen Erleben artikuliert. (Böhlau)
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