Leseprobe:

Eines Tages kam ich ins Hotel zurück und bemerkte, dass Diego auf mich gewartet hatte. Er warf mir eines der chinesischen Kleider zu. "Zieh dir das an. Wir werden mit dem Training anfangen." "Ich sagte dir bereits, dass ich nicht im Traum daran denke", antwortete ich und verschränkte die Arme. Dieser Wortwechsel dauerte nur sehr kurz: Ganz plötzlich, ohne die Miene zu verziehen, ohne ein Wort, gab Diego mir zwei Ohrfeigen. Noch nie hatte er mich geschlagen. "Zieh dir das an." Er war überhaupt nicht wütend: Aber seine kalte Bestimmtheit machte ihn wesentlich erschreckender. Verwirrt zog ich mir die Jeans, die Bluse aus. So viele Male vorher hatte ich mich vor seinen Augen ausgezogen, so viele Male hatte ich die süße und dunkle Sinnlichkeit genossen, mich dem Geliebten darzubieten. Aber jetzt verbrannte sein Blick mir die Haut, tat mir weh. Ich zog das Kleid an; etwas drehte sich mir im Magen um: ein Anfall von Hass. Entschlossen ging ich auf die Wand zu: In diesem Moment machte es mir nichts aus, Zielscheibe zu spielen, es machte mir nicht im geringsten etwas aus. In meinem Bauch wuchs der Hass, mit Wut gemischt, dem Wunsch nach Rache, dem Bedürfnis, ihn zu erniedrigen und zu besiegen. Ich lehnte den Rücken gegen den Kork, breitete die Arme aus und hielt mich am Holzrahmen fest. Diego begann, die Messer zu werfen: Die Dolche schwirrten durch die stickige Luft, durch das laue Halbdunkel. Die beiden ersten hefteten sich auf beide Seiten meiner Hüften, die nächsten neben meine Schultern. Danach drängten sich die scharfen Klingen in die Achselhöhlen, an die Taille, die Beine entlang. Die beiden letzten landeten nah am Hals; nah, sehr nah, wie Küsse aus Stahl. Es waren keine Messer mehr übrig, und ich war immer noch am Leben.
Diego kam auf mich zu und zog mich vom Kork weg. Wieder ohne die Miene zu verziehen, wieder ohne ein Wort begann er, auf sehr raue, sogar brutale Art, mit mir zu schlafen. Und mir gefiel es. Ich brauchte ihn auf eine wilde, absolute, deutliche Weise. Es lag etwas Verzweifeltes darin, wie wir uns ineinander verbissen, wie wir uns mit dem Fleisch bekämpften. Dann ist es also wahr, dass der Hass der Liebe so ähnlich ist, dachte ich. Vom Boden aus sah ich auf der Wand die Silhouette meines Körpers, von den Messern geformt, der leere Umriss meines anderen Ich.
Danach stand ich sofort auf: Ich wollte mich duschen, ich wäre gern ins Meer gesprungen, hätte mich gern von etwas in meinem Inneren befreit, das mich beschmutzte. Dann sah ich es. Es lag auf dem Bett ausgebreitet, sorgfältig angeordnet, als handele es sich um ein Stilleben. Der Umschlag aus braunem Papier auf einer Seite, dann die Zeitungsausschnitte im Quadrat angeordnet, in der Mitte das mit Schreibmaschine geschriebene Blatt. "Was ist das?" fragte ich. Diego zuckte die Achseln: "Ein Umschlag, den jemand für mich an der Rezeption hinterlassen hat." Ich nahm die Zettel in die Hand. Die Ausschnitte waren vergilbt und stammten alle aus dem Jahr 1921. "Tragischer Unfall im Zirkus Price. Der Tod zu Besuch in der Arena. Ein Bild des Grauens im Zirkus ..." Ich sah auf das große Blatt: Es war ein neues, glattes Papier, ohne Zweifel vor kurzem erst beschrieben. Darauf stand:

Am 17. Februar 1921 durchtrennte der Künstler Lin-Tsé, Star des Programms und berühmter Messerwerfer, während der Abendvorstellung im ehemaligen Madrider Zirkus Price mitten in der Vorführung die Kehle seiner Partnerin. Sie starb auf der Stelle. (...)


Aus "Geliebte und Feinde" von Rosa Montero.