Streifzüge durch die zeitgenössische Literatur anderer Länder

Dänemark

Dänemark, das sich über eine Fläche von ungefähr 43.096 km² erstreckt, besteht aus Jütland, Seeland und zahlreichen Inseln, wie Fünen, Lolland, Falster und Møn, außerdem den Färöerinseln und Grönland. Die Hauptstadt ist København (Kopenhagen) mit etwas mehr als 500.000 Einwohnern. Währung ist die Dänische Krone (1 dkr = 100 Øre). 


Viele Menschen denken bei "Dänemark" sicher an Strand und Urlaub, eventuell auch an den Märchendichter Hans Christian Andersen. Literarisch gesehen hat das Land aber einiges mehr zu bieten, immerhin erhielten bislang drei Dänen den Literaturnobelpreis.
Wenn man von dänischer Literatur spricht, sollte man die Literatur der Färöerinseln und jene Grönlands beiseite lassen; die beiden Staaten stehen zwar unter dänischer Obrigkeit, sind ansonsten aber eigenständig verwaltet und haben ihre eigene Kultur und Literatur, die einer separaten Betrachtung bedürfen.

Den Anfang der dänischen Literatur stellt das in Latein verfasste Mammutwerk "Gesta Danorum" des Mönchs Saxo dar, welches dieser Anfang des 13. Jahrhunderts verfasste. Als Geschichtswerk mit einem reichhaltigen Schatz an Sagen u. a. ist dieses Werk die Quelle der Sage von Hamlet.
Die Literatur des Mittelalters ist vorwiegend eine mündlich tradierte. Die bereits früh niedergeschriebene Sammlung dieser mündlich überlieferten Balladen nennt man folkeviser. Dabei handelt es sich überwiegend um Ritter- oder Märchenballaden. Bereits im 16. Jahrhundert hielten adelige Damen diese Balladen in ihren Handschriftensammlungen fest. 1591 erschien die erste gedruckte Fassung solcher Balladen. Sowohl Herders Volkslieder als auch Goethes "Erlkönig" sind von dieser frühen dänischen Balladentradition beeinflusst.
Angesichts dieser sehr frühen Verschriftlichung setzte eine bewusste Pflege der Literatur als Kunstform vergleichsweise erst relativ spät ein. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts begannen Grammatiker und Metriker, Regeln und Formsprache der Literatur festzulegen.
Der Komödiendichter und Moralphilosoph Ludvig Holberg (1684-1754) wird als der eigentliche Begründer der dänischen Literatur angesehen. In seiner Zeit und in seinem Werk liegen die Wurzeln der dänischen Theatertradition.

Die folgenden Jahrzehnte brachten immer mehr namhafte Autoren hervor, darunter den Frühromantiker Adam Oehlenschläger (1779-1850), in dessen Werk altnordischer Geschichte und Mythologie große Bedeutung zukommt. Auch im Ausland fand die dänische Literatur immer größere Beachtung, woran Hans Christian Andersen (1805-1875) mit seinen Romanen und Märchen und sein Zeitgenosse Søren Kierkegaard (1813-1855) mit seinen philosophischen Schriften großen Anteil hatten.  
Ihnen folgten zu Beginn des 20. Jahrhunderts weitere namhafte Autoren, darunter Henrik Pontoppidan (1857-1943), welcher sich 1917 den Literaturnobelpreis mit dem ebenfalls dänischen Autor Karl Adolph Gjellerup (1857-1919) teilen musste. Ebenso Johannes V. Jensen, welcher 1944 den Literaturnobelpreis erhielt, und dessen Roman "Des Königs Fall" bis heute zu den besten dänischen Romanen gerechnet wird.
Hinzu kam nun eine Welle der Fantastischen Erzählungen, zu denen die ersten Werke Karen (oder Tania, wie sie sich in Deutschland nannte) Blixens (1885-1962) und die Werke des Kulturphilosophen Villy Sørensen (geb. 1929) zählen. Dieser Hang zur Fantastik lässt sich auch in den Werken der neueren Zeit nachweisen, beispielsweise bei Sven Åge Madsen (geb. 1939) oder Peer Hultberg (geb. 1935).
Neue Wege sind die Lyrikerin Inger Christensen (geb. 1935) mit ihrer symboldurchwobenen Dichtung und Per Højholt (geb. 1928) gegangen. Højholts Art, Volkstümliches mit Modernem zu verbinden, gilt als Inspirationsquelle für viele moderne dänische Autoren.  
Internationale Aufmerksamkeit erlangte neben Henrik Stangerup (1937-1998), Ib Michael (geb. 1945) und Bjarne Reuter (geb. 1950) Peter Høeg (geb. 1957) mit seinem Roman "Fräulein Smillas Gespür für Schnee".

Die neuere dänische Literatur ist geprägt von einem Neorealismus, welcher es schafft, Kultur- und Existenzkritisches mit Magisch-Mythischem zu vereinen. Leider haben viele dänische Autoren bisher international wenig Beachtung gefunden, obwohl sie dem Vergleich mit weithin bekannten Schriftstellern anderer Länder durchaus standhalten könnten.

(Mitwirkung: Verena Hellenthal)


Bei Sandammeer finden Sie Informationen über folgende Autoren und ihre Werke:

Tania Blixen Peter Høeg
Philippe Delerm Pia Juul
Anne Marie Ejrnæs Ib Michael
Theodor Fontane Bjarne Reuter
Jens Christian Grøndahl Jørn Riel
Katrine Marie Guldager Klaus Rifbjerg

Eine zeitgenössische dänische Lyrikerin ist Pia Juul, deren Gedichtband "Augen überall" die letzten beiden Gedichtsammlungen der Autorin, erstmals ins Deutsche übersetzt, zusammenfasst. Pia Juul, 1962 geboren, wurde im Zuge des dänischen Lyrikbooms der 1980er und 1990er Jahre eine der führenden Autorinnen. In einem erzählenden Stil greifen ihre Gedichte die immer wiederkehrenden Themen Liebe, Sex und Tod auf. Aber Pia Juul hat einen ganz eigenen Zugang zu diesen Themen, einmal mit einem eher amüsanten, dann wieder mit einem eher erschütternden Tonfall. Ihre Sprache ist packend, direkt und klar, und obwohl sie sich auf das Wesentliche reduziert, lässt sie lebhafte Bilder entstehen. Pia Juul hat ein ausgeprägtes Gespür für Details, für Signifikantes, das eine Sache ausmacht:

"Es ist ein Bordell  
dort öffne ich  
jeden Abend die Tür  
zu den Gräbern "

Pia Juul ist eine genaue Beobachterin. Sie beschreibt die Dinge schonungslos und mit wenigen, aber treffenden Worten. Ihre Assoziationen sind so bestechend, dass die Gedichte an die Schmerzgrenze stoßen.  

"Tut mir leid aber -
auch aus ihren Leichen  
werden die schönsten  
Blumen wachsen"

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(Aus dem Dänischen von Peter Urban-Halle. DVA.)


Anne Marie Ejrnæs: "Schneckenhaus"
Ein kleines Dorf in Südjütland am Ende des 19. Jahrhunderts. Das Leben der Bewohner ist bestimmt von der harten Arbeit an den Höfen, vielen Entsagungen und Nöten.
Verzicht und schwere körperliche Tätigkeiten prägen den Alltag der Erwachsenen, und auch die Kinder müssen soviel mithelfen, dass sie vor Müdigkeit oft in der Schule einschlafen. Die Landwirtschaft bestimmt das Leben der Menschen und deren Gefühle. Sie müssen mit dem frühen Tod ihrer Kinder fertig werden, sich mit ihren Eltern arrangieren und in eine Ehe hineingewöhnen, die sie nicht glücklich macht; denn geheiratet wird nicht aus Liebe.