Richard Yates: "Zeiten des Aufruhrs" und "Elf Arten der Einsamkeit"


Rückkehr aus der Einsamkeit

Der us-amerikanische Autor Richard Yates zählt nicht nur im deutschen Sprachraum zu den bedeutenden, aber nur einer kleinen Leserzahl bekannten zeitgenössischen Autoren. Seine Kurzgeschichten und vor allen Dingen sein Debütroman "Zeiten des Aufruhrs" haben bis heute einige der brillantesten us-amerikanischen Schriftsteller wie beispielsweise Raymond Carver, Stewart O'Nan oder David Means beeinflusst. Dass Yates' Werk wiederentdeckt wurde, ist einem Essay Stewart O'Nans zu verdanken, in dem er resümierend zusammenfasst: "Es ist ein schreckliches Erbe, dass ein solch brillanter Autor so schnell der Vergessenheit anheim fällt."

Nach der Wiederentdeckung in den USA wurde auch Deutschland auf diesen längst vergessenen, jedoch umso wichtigeren Autor aufmerksam. Im Manesse Verlag sind nun seine beiden bedeutendsten Werke in der "Bibliothek der Weltliteratur" erschienen, einer Reihe, deren Titel genau den Platz bezeichnet, der diesem Roman bzw. der Kurzgeschichtensammlung zukommt.

Beide Arbeiten spielen in den Nachkriegsjahren, jener Zeit, als der russische Staats- und Parteichef Chruschtschow mit harter Hand gegen den us-amerikanischen imperialistischen Feind vorging, was letztlich mit der Stationierung russischer nuklearer Sprengköpfe auf Kuba endete. Fast gleichzeitig nahm in den USA die Jagd auf Kommunisten fast hysterische Züge an und gipfelte in der so genannten "McCarthy-Ära", welche von ca. 1948 bis 1956 andauerte und durch zahlreiche Schauprozesse gekennzeichnet war.

Yates’ Roman und seine Kurzgeschichten griffen sowohl in Inhalt als auch in literarisch präzisem Stil diesen Wahnsinn auf. Die Angst, die in seinem Heimatland umging, wird nicht konkret benannt, ist jedoch immer präsent und lässt keinen Zweifel daran, dass sich hinter der Fassade der angepassten und eingeschüchterten kleinbürgerlichen Familien starke Emotionen aufbauen, die sich zwangsläufig Bahn brechen müssen und den Protagonisten keine Chance auf einen Ausbruch lassen. Diese Grundstimmung wurde gleichermaßen von Kritikern und Publikum erkannt und sorgte dafür, dass Yates' furioses Debüt sich nicht in kommerziellem Erfolg niederschlug. Dieses Schicksal war auch seinen weiteren Werken beschieden, obwohl Richard Yates von der damals sehr erfolgreichen Agentin Monica McCall vertreten wurde.

Richard Yates gehörte selbst zu den Ausgestoßenen, tödlich Verletzten und emotional Ausgebrannten. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte er in Frankreich, erkrankte schwer an Tuberkulose, gegen Kriegsende zerbrach seine Ehe. Er litt unter Alkoholismus und psychischen Erkrankungen, die in Einlieferungen in geschlossene psychische Abteilungen gipfelten und starb am 7. November 1992 an den Folgen seiner Alkoholsucht, als einst hochgelobter, doch vergessener Autor, eine "Eintagsfliege".

Doch seine beiden hier besprochenen Werke zeichnet nicht nur aus, dass sie präzise die Scheinheiligkeit des us-amerikanischen Selbstbildes sezieren, sondern sein unvergleichlicher, kaum mit anderen Autoren vergleichbarer Stil lässt sein Werk als einzigartig dastehen. Es nimmt kaum Wunder, dass sich gerade Schriftstellerkollegen wie Raymond Carver oder David Means dazu bekennen, von Yates stark beeinflusst worden zu sein, denn die psychologische Tiefe und Zeichnung bei der Charakteranlage weisen unverkennbare Parallelen auf. Ähnlich ist auch die Stimmung, die charakteristisch für ihn ist und auch heute, 45 Jahre nach Erscheinen des Romans, noch ungebrochen und klar aus seinen Worten spricht.

(Wolfgang Haan; 05/2006)


Richard Yates: "Zeiten des Aufruhrs"
Frank und April, ein Paar, das zu allen Hoffnungen Anlass gibt, talentiert, jung, gutaussehend, er mit einer Anstellung in der Innenstadt, sie, eine erfolgreiche Schauspielschülerin, widmet sich zunächst noch den eigenen Kindern - in Erwartung des bevorstehenden gesellschaftlichen Aufstiegs. Doch das Leben hält Anderes bereit: Frank verstrickt sich in eine Affäre, April erstickt im Vorstadtmuff, und ihre Träume werden immer verstiegener. Wie lange werden sie die Illusion aufrechterhalten können? Alles steuert auf eine Katastrophe zu.
(Originaltitel ""Revolutionary Road")
Mit einem Nachwort von Richard Ford.
Aus dem Englischen von Hans Wolf.
DVA, 2006. 376 Seiten.
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"Elf Arten der Einsamkeit"
Ob Angestellter in einem kleinen Büro in Manhattan, ob Feldwebel in Texas oder ob Tuberkulosepatient auf Long Island, Richard Yates’ Figuren sind allesamt darum bemüht, ihr unglückliches Leben in den Griff zu bekommen. Sie hassen ihre Arbeit, trinken zuviel und träumen von besseren Zeiten. Sie schlingern zwar dem Untergang entgegen, aber sie weigern sich, ihre Illusionen aufzugeben.
Richard Yates entlarvt die Schattenseiten des us-amerikanischen Traums mit realistischer Schärfe. Zugleich zeichnet er seine Figuren mit tiefer Sympathie. Meisterhafte Kurzgeschichten aus einer Welt, die ihre Ideale zu verlieren droht.
(Originaltitel "Eleven Kinds of Loneliness")
DVA, 2006. 288 Seiten.
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Richard Yates, geboren am 3. Februar 1926, arbeitete als "Ghostwriter", Lehrer, Werbetexter und Redenschreiber, bevor er 1961 mit seinem ersten Roman "Revolutionary Road" in den USA das Publikum begeisterte.

Ein weiteres Buch des Autors:

"Easter Parade"

Die Geschichte zweier Schwestern, die darum kämpfen, der Vergangenheit zu entkommen.
Die Schwestern Sarah und Emily Grimes wachsen als Kinder geschiedener Eltern in den USA der 1930er Jahre auf. Beide haben unter den Launen ihrer rastlosen Mutter zu leiden, die nach jeder beruflichen oder privaten Enttäuschung mit den Mädchen in eine andere Stadt zieht. Über die Jahre hätten sich die Schwestern nicht unterschiedlicher entwickeln können: Sarah heiratet früh, bekommt drei Söhne und lebt auf Long Island. Emily macht Karriere in 
New York und stürzt sich von einer Affäre in die nächste. Endlich scheinen beide das Leben leben zu können, das sie sich immer gewünscht haben. Doch Sarahs Ehe ist nicht so glücklich, wie alle glauben. Und erst als sie ihre Stelle verliert, wird Emily bewusst, wie einsam sie in Wirklichkeit ist.
Richard erzählt nüchtern, geradezu lakonisch und zeichnet seine Figuren mit tiefer Sympathie. (DVA)
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