Alexandra Jones: "Die Wunder des Himmels"

Anfang des 20. Jahrhunderts ist die freie Berufswahl für junge Frauen noch weit entfernt und die 15-jährige Irene, die davon träumt Goldschmiedin zu werden, sieht nach dem Tod ihres Vaters, der ihren Wunschtraum unterstützt hat, eigentlich keine Möglichkeit, diesen noch zu verwirklichen.


Wenig später ist sie mehr oder weniger dazu gezwungen, ihre ungeliebte Tante Martha zur Hopfenernte nach Kent zu begleiten, um dort auf deren Kinder aufzupassen. Im Zug lernt sie bei der Flucht vor ihren nervenden Verwandten in einem Abteil der ersten Klasse einen jungen Herrn namens Randolph kennen, der ihr ein überschüssiges Ticket anbietet, das sie allerdings ablehnt. Wenig später soll sie erfahren, dass er der Neffe von Lady Cath ist, einer russischen Immigrantin, die dereinst mit Agathon Fabergé gewesen ist und auch am Zarenhof eine gewisse Rolle gespielt hat, bevor es sie schließlich nach England verschlug, wo sie das Herrengut ihres neuesten Lebensgefährten wieder auf Vordermann brachte, und auf dem die Einwohner der Waterloo Road in London nun zur Hopfenernte angetreten sind. Hier lernt Irene auch einen jungen Herumtreiber kennen, der eine ganze Menge von einem Zigeuner hat, und mit dem sie eine erste heimliche Verliebtheit verbindet.

Doch dieses Verhältnis wird sehr bald von wichtigeren Ereignissen überschattet, denn Tante Martha hat Lady Cath von Irenes Träumen erzählt und diese hatte daraufhin beschlossen, das junge Mädchen zu begutachten. Was sie dabei sieht gefällt ihr, weswegen sie Irene unter ihre Fittiche nimmt und sie in ihrem Haus in den Anfängen des Kunsthandwerks, in Französisch, Russisch und anderen wichtigen Dingen für eine junge Frau von Stande ausbildet. Als sie in Kent alles gelernt hat, was es zu lernen gibt, geht sie für einige Zeit bei einer Fabergé-Dependance in London in die weitere Ausbildung, eine Zeit, in der sie viel über das höhere Londoner Gesellschaftsleben und die dortigen Berühmtheiten lernt. In dieser Zeit wird sie auch Zeugin der wachsenden Beziehung von Randolph und der sehr oberflächlichen und lasterhaften Camilla, eine Verbindung, die sie gar nicht gutheißen kann.

Nachdem ihre Ausbildung in London als ausreichend betrachtet wird, macht ihr das Haus Fabergé das Angebot, ihre Lehre in St. Petersburg und Moskau abzuschließen. Eine Chance, die sie nach einigem Überlegen wahrnimmt. Hier lernt sie nicht nur weitere wichtige Dinge für ihr Handwerk, sondern auch das Russland der Vorrevolution kennen, wobei sie unter anderem auch Rasputin begegnet, der ihr Leben stark beeinflusst. Doch noch stärker beeinflusst sie die Begegnung mit ihrem Lehrmeister Michal Wassilij, den sie schließlich sogar lieben lernt. Diese langsam erblühende und zunächst vor allen verborgene Liebe wird durch die Schrecknisse des Ersten Weltkriegs und die erste Russische Revolution jäh abgebrochen, als Irene den von Kugeln getroffenen und blutüberströmten Michal auf einem Leichentransport verschwinden sieht. Wenig später muss die Familie Fabergé ihre russischen Häuser schließen, und die Britin Irene muss, als Französischlehrerin einer Schweizer Mädchenklasse getarnt, durch das feindliche Deutschland in die Schweiz flüchten, wobei sie einige russische Kunstschätze und Juwelen aus dem Hause Fabergé mit sich führt.

Aus der Schweiz schließlich kommt sie auf dem Umweg über Paris, wo sie sich in der Anfertigung von art nouveau- und art deco-Objekten übt, wieder zurück nach London, wo sie sich daran macht, ihren eigenen Laden aufzuziehen.

Spannend, informativ und rührend. Ich wusste gar nicht, dass Schmuck so interessant sein kann, wenn man ihn vorwiegend aus der Herstellerperspektive betrachtet. Auch die historischen Betrachtungen und Bezüge sind überaus interessant.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 03/2003)


Alexandra Jones: "Die Wunder des Himmels"
Bastei Lübbe, 2002. 637 Seiten.
ISBN 3-404-14695-6.
ca. EUR 7,90.
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