Carson McCullers: "Frankie"
Die Geschichte eines
Reifeprozesses und einer großen Sehnsucht
Carson McCullers gilt als eine der wichtigsten Vertreterinnen der
us-amerikanischen Literatur, wird deswegen auch an vielen
Englischfakultäten unterrichtet und dort, wo es einen Literaturkanon
gibt, wird sie auch aufgelistet. Der vorliegende Roman ist neben "Das
Herz ist ein einsamer Jäger" und "Die
Ballade vom traurigen Café" der dritte Titel, der ihren Ruhm
begründet und sie für viele in die Annalen der Weltliteratur
eingeschrieben hat.
Frankie bzw. J. Frances, die titelgebende Hauptfigur und
Hauptperspektivengeberin dieses Romans, ist zwölf Jahre alt, Halbwaise
und auf dem persönlichen Übergang von Kind zur Halbwüchsigen mit einigen
Einschlägen Frau. Sie will aus dem häuslichen Einerlei, dem Leben in der
Kleinstadt Sugartown und dem Umgang mit den altvertrauten
Altersgenossinnen und Altersgenossen ausbrechen und sieht dabei die
Hochzeit ihres älteren Bruders als eine Möglichkeit, dies zu
bewerkstelligen. Während des Wartens und der Vorbereitungen für diese Hochzeit
verbringt sie in den Sommerferien viel Zeit mit der farbigen
Haushaltshilfe Berenice und einem Buben, der wie ein jüngerer Bruder für
sie ist.
Als Leser begleitet man Frankie in diesem Buch durch diese Übergangszeit
in ihrem Leben, in der sie selbst zwischen der alten Frankie und der
neuen J. Frances unterscheidet, wobei die Hochzeit ihres Bruders, der
Tod eines jungen Freundes, erste sexuelle Erfahrungen bzw.
Beinaherfahrungen und der bereits erwähnte Wunsch auszubrechen eine
große Rolle spielen. Dies alles ereignet sich vor dem Hintergrund des
Krieges, an dem auch ihr Bruder als Soldat beteiligt ist und der
regelmäßig Soldaten
in den kleinen Ort spült.
Einige Ideen der gefühlsmäßig und mental hin- und herirrenden Frankie
sind ganz originell, wie etwa zum Umgang mit Kriegen (erinnert ein wenig
an Robert Sheckleys Mörder-Opfer-Gesellschaft), etwas, das Menschen, die
oft mit Pubertierenden Umgang haben, nur allzu gut kennen. Diese Ideen
brechen sich gewissermaßen an den Realitäten ihrer Welt bzw. an den
Gedanken von Berenice und ihrem jungen Freund.
Unaufgeregt werden diese mehr oder minder dramatischen Erlebnisse der
jungen Frankie dargestellt, teils reflektiert durch die Menschen um sie
herum; wie erwähnt insbesondere die schwarze Haushaltshilfe Berenice und
ihre Lebenserfahrung sowie die Unschuld ihres quasi ersatzweisen kleinen
Bruders. In diesem Zusammenhang werden auch einige andere Erfahrungen
der damaligen Zeit durch diese Figuren präsentiert, wobei diese aber
neben Frankies Emotionen und Erfahrungen in den Hintergrund treten.
Fazit:
Alles in allem ist "Frankie" ganz nette Lektüre, jedoch nicht auf der
gleichen sprachlichen und emotionalen Ebene wie "Das Herz ist ein
einsamer Jäger".
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 02/2012)
Carson McCullers: "Frankie"
Aus dem Englischen von Richard Moering.
Diogenes, 2011. 282 Seiten.
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