Brigitte Röthlein: "Der Mond"

Neues über den Erdtrabanten


Der unartige Nachbar?

"Dies ist ein kleiner Schritt für die Menschen, aber ein großer für die Menschheit."
Mit diesen Worten kommentierte Neil Armstrong die Bedeutung eines atemberaubenden Ereignisses. Er hatte soeben, am 20. Juli 1969, Sonntag, 21 Uhr 35 Ortszeit Houston, Texas, als erster Mensch seinen Fuß auf einen anderen Himmelskörper - unseren Erdtrabanten, den Mond - gesetzt. Die Welt hielt den Atem an, um anschließend in einen völkerübergreifenden Jubel einzustimmen.
"Zwölf Menschen sind bisher auf dem Mond gelandet, und Milliarden Dollar wurden ausgegeben, um unserem Trabanten nahezukommen und ihn zu erforschen. Trotzdem wissen wir erstaunlich wenig über ihn, und seit der letzten Apollo-Mission 1972 kam kaum Neues hinzu", schreibt die Autorin und Physikerin Brigitte Röthlein. Der Untertitel ihres Buches - "Neues über den Erdtrabanten" - verspricht Abhilfe.

Und tatsächlich hat sie ein interessantes, leicht zu lesendes, äußerst vielschichtiges Sachbuch über den fernen und doch so nahen geheimnisvollen Begleiter unseres Planeten geschrieben. Viel wirklich Neues erfährt man allerdings nicht, aber das, was bzw. wie Brigitte Röthlein es vorträgt, ist allemal lehrreich, aufschlussreich, erstaunlich informativ, ruft vielleicht Vergessenes wieder an die Oberfläche, räumt mit Aberglaube und Verschwörungstheorien - z. Bsp. dass die Apollo-Missionen niemals stattgefunden haben und stattdessen in den Studios von Hollywood inszeniert wurden - auf. Röthleins Buch gibt einen guten Überblick über das Thema Mond.

"Die Beschäftigung mit dem Mond ist geprägt von Irrtümern, Misserfolgen, Schwindel, Verschwörungstheorien, Lügen, Machtstreben, Geheimnissen und massivem Betrug", so Röthlein. "Zu allen Zeiten und in allen Bereichen war der Mond Kristallisationspunkt für Abnormitäten. Er kitzelt aus den Menschen versteckte Wünsche, Empfindungen, Abgründe, Abenteuerlust und Sehnsüchte heraus - nur so ist es zu erklären, dass in seinem Namen so viel gelogen, aber auch so viel gewagt wurde."
Die Autorin versteht es in ihrem Buch großartig, gegensätzliche Aspekte des Mondes zu beschreiben. Dabei betrachtet sie nicht nur die technisch-wissenschaftlichen, sondern auch seine immer noch vorhandenen Geheimnisse.

Die "zwölf Apostel" und ihre "Millionen-Dollar-Mitbringsel"
Brigitte Röthlein führt den Leser zunächst in die Vergangenheit, als man sich ebenfalls schon mit dem in seinem fahlen Licht stehenden, "pockennarbigen Gesellen" beschäftigte und ihn für gefälschte Sensationsmeldungen missbrauchte, aber auch zu den ersten skizzenhaften Darstellungen von Galileo Galilei, der als Erster ein Fernrohr auf den Mond richtete. Sie erzählt von der beginnenden Erforschung mittels Mondsonden in den späten 1950er- und 60er-Jahren und der damit verbunden Aneinanderreihung entsetzlicher Fehlschläge bis eben zum gewonnen Wettlauf der USA mit ihrem bemannten Apollo-Programm von 1969 bis 1972. Alle zwölf Mitglieder des "exklusivsten Clubs der Welt", die "zwölf Apostel" oder die "Ritter des Jet-Zeitalters", wie sie der Schriftsteller Tom Wolfe einmal nannte - die Mond-Astronauten - werden in kleinen persönlichen Profilen vorgestellt.

Die Physikerin erzählt von wertvollen Mond-Meteoriten - "den Mondsonden des kleinen Mannes" -, die doch gelegentlich auf der Erde zu finden sind und von Planetologen akribisch gesucht werden. Es lohnt sich übrigens auf ein solches Gestein zu stoßen: "Mond- aber auch Marsmeteoriten werden heute, je nach Seltenheit und Nachfrage zu einem Preis zwischen 800 und 40.000 Dollar pro Gramm gehandelt", verrät die Autorin. Besonders gute Voraussetzungen finden sich übrigens in der Wüste und der Antarktis.

Natürlich berichtet Röthlein auch über die unterschiedlichen Theorien der Entstehung des Mondes, von der sich letztendlich die von William Hartmann durchsetzte und weltweit anerkannt und mittels verschiedenster Computersimulationen bestätigt wurde. Demnach ist der Mond vor rund 4,5 Milliarden Jahren höchstwahrscheinlich durch einen Zusammenstoß zwischen der früheren Erde und einem kleineren, etwa marsgroßen Protoplaneten entstanden, der auf einer instabilen Bahn um die Sonne kreiste. So schrecklich der Zusammenstoß sicherlich war, aber für uns Heutige ist er ein Glücksfall gewesen: "Der Mond bremste die Erddrehung ab und stabilisierte die Umlaufbahn um die Sonne. Nur durch diese Stabilisierung war es überhaupt erst möglich, dass höheres Leben auf der Erde entstehen konnte. Ohne Mond gäbe es den Menschen nicht. (...) Mit Fug und Recht kann man also behaupten, dass die Entstehung des Mondes gleichzeitig auch die Geburtsstunde der Erde war, wie wir sie heute kennen", stellt Brigitte Röthlein treffend fest.

Was haben Alkohol und Gezeiten miteinander gemein?
Weit spannt die Physikerin ihren Bogen. Sie berichtet von eventuell zu findenden Rohstoffen, sie wagt Zukunftsvisionen, die den Mond als Weltraumbasis sehen und erläutert den Einfluss seiner Gravitation auf die Erde - deren Auswirkung wir an den Gezeiten beobachten können. Alle zwölf Stunden und 25 Minuten hebt die Anziehungskraft des Mondes den Wasserspiegel der Weltmeere, einmal mehr, dann wieder weniger, in der kanadischen Fundybucht an manchen Tagen gar bis zu 21 Metern! "Aber nicht nur die Wassermassen der Erde heben und senken sich bei Ebbe und Flut, auch die feste Erdkruste unterliegt diesen Einflüssen", schreibt Röthlein. "In den gemäßigten Breiten hebt und senkt sich der Erdboden zwei Mal pro Tag um je dreißig Zentimeter unter unseren Füßen", erklärt Prof. Gerhard Jentzsch vom Institut für Geowissenschaften der Universität Jena. Wir merken es nur nicht ... zumindest, wenn wir nüchtern sind ... Andernfalls scheint der Boden durchaus manches Mal zu schwanken.

Ganz zum Schluss geht Brigitte Röthlein noch auf verschiedenste angeblich entscheidende Einflüsse auf unser Leben - wie Schlafqualität, Konzentrationsfähigkeit oder gar Geburt - ein oder aber betrachtet das angeblich nachgewiesene bessere Pflanzenwachstum in Abhängigkeit von der Mondphase. Hiervon distanziert sich die Autorin ganz klar. Der Einfluss des Mondes auf individuelles Leben ist jedenfalls nicht zu belegen.

In den letzten Jahren ist es eher still geworden um den Mond. Doch offensichtlich nur vorübergehend; die Raumfahrt - nicht nur die der USA, sondern auch der Europäer, Japaner, Russen und vor allem die der Chinesen - beginnt sich wieder für unseren Trabanten zu interessieren, "denn es gibt noch eine Menge zu erforschen", stellt Brigitte Röthlein fest. "So sind bis heute die Rückseite des Mondes und seine Polregionen noch nicht vollständig kartiert, von den Landschaften auf dem Mars existieren bessere und schönere Aufnahmen als vom wesentlich näheren Mond, und eine ganze Reihe von Fragen ist noch offen. So etwa die, ob auf dem Erdtrabanten Wasser existiert."

Fazit:
Auch nach einer langen Ruhepause der Erforschung unseres Erdtrabanten wird die Zukunft um Luna spannend. Dieses Buch - mit einer uneingeschränkten Leseempfehlung - ist es auf jeden Fall, nicht nur für "Mondsüchtige".

"Des Mondes Zauberblume lacht
Und ruft mit seelenvollem Blick
In uns're düstre Erdennacht
Der Liebe Paradies zurück."

(Aus: Mondschein-Lied von Franz Schubert, Text: F. von Schober)

(Heike Geilen; 08/2008)


Brigitte Röthlein: "Der Mond. Neues über den Erdtrabanten"
dtv, 2008. 270 Seiten.
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Brigitte Röthlein, Jahrgang 1949, ist Diplomphysikerin mit einer Promotion in Zeitungswissenschaft, Pädagogik und Geschichte der Naturwissenschaften.

Weitere Buchtipps:

Jürgen Blunck (Hrsg.): "Wie die Teufel den Mond schwärzten. Der Mond in Mythen und Sagen"

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Anton G. Leitner, Gabriele Trinckler (Hrsg.): "Gedichte für Nachtmenschen"
Die Nacht hat viele Facetten: Sie kann betören oder verstören, berauschen, Angst einflößen und Geheimnisse wahren. Was im Tageslicht offensichtlich erscheint, verliert in der Dunkelheit an Kontur.
Anton G. Leitner, der als Herausgeber der Zeitschrift "Das Gedicht" ausgezeichnete Kontakte zur zeitgenössischen Lyrikszene hat, und Gabriele Trinckler laden ein zu einer Reise in eine Mondscheinwelt aus Liebe, Traum und Trunkenheit. Besungen wird diese von Dichtern vom Barock bis in die Gegenwart - darunter, um nur einige zu nennen: Andreas Gryphius, Friedrich Schiller, Heinrich Heine, Christian Morgenstern, Gottfried Benn, Gerrit Engelke, Ada Christen, Joachim Ringelnatz, Frank Wedekind, Ludwig Steinherr, Alexander Dreppec und Ron Winkler. (dtv)
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Wider jegliche Zeitströmung besingt er Ophelias Wasserbett, nimmt er auf Schillers Nänie Bezug und lässt Lieder durch tobende Meere rauschen. In raffinierten Kompositionen entführen uns Julian Schuttings Gedichte in eine Welt, die dem Geist der Aufklärung verpflichtet ist, der Sinnlichkeit und der Lust an der Sprache. Diese Verbeugung vor der Dichtung ergibt ihrerseits große Dichtung und wer sich darauf einlässt, dem erschließt sich die Macht des Wortes. Doch zu ernst meint er es auch nicht und so kann man sich mit Vergnügen in die Irre führen lassen. (Residenz Verlag)
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