Leseprobe:
Der
erste Einkaufstag nach den Weihnachtsfeiertagen. Trotz der Schulferien ist die
Stadt nicht ausgestorben. Im Zentrum wimmelt es vor Menschen, die im dichten Schneegestöber
ihre Geschenke umtauschen gehen. Ich schleuse mich so recht und schlecht durch
die mir entgegenschwimmenden Pakete und renne auf einmal gegen einen braunen Rauledermantel.
Ich murmle eine Entschuldigung und blicke hoch. Der Besitzer des Mantels schaut
mich genauso entsetzt an, wie ich ihn. Sebastian. Der Waschbärkragen um seinen
dünnen Hals macht ihn noch mausgesichtiger als sonst. Ich will schon wortlos an
ihm vorüber gehen, da streckt er mir seine Hand hin.
"Frohe Weihnachten", sagt
er.
Ich lasse mich gehen und drücke die rachitischen Finger.
"Frohe Weihnachten",
wiederhole ich wie ein
Automat.
"Wir sollten endlich
Frieden
schließen", redet er weiter.
"Frieden?"
stammle ich.
"Klar. Das waren doch alles Kinderein zwischen uns."
Er sucht
umständlich in seiner Hosentasche nach Zigaretten und zieht mich dann vor den
Eingang des Dorotheums.
"Na, ja, vielleicht hast du recht", sage ich jetzt
verlegen. Ich komme mir schäbig vor, ihn so dämonisiert zu haben. Vielleicht waren
ja die Unstimmigkeiten allein meine Schuld. "Es tut mir leid, dass ich wegen eurer
Reise so ausgerastet bin."
"Schon gut." Er macht eine wegwerfende Handbewegung
und bläst mir den Rauch ins Gesicht. "Ich brauche ja wirklich keine vierundzwanzig
Riedelgläser, zwölf tun es auch."
Dann stehen wir wieder ratlos voreinander.
Ich wage nicht, sofort wieder zu gehen, wenn er sich doch extra eine Zigarette
angezündet hat.
"Und? Wie geht es in der Wohnung?" frage ich. Ich würde lieber
fragen, was macht meine kleine, süße Felicitas? Aber das ist tabu.
"Die Wohnung
wird jetzt ganz schön leer sein, wenn Felicitas auszieht."
"Sie zieht aus?"
Mein Herz macht einen Sprung und scheint sich dann kurz zu verabschieden. "Wohin
zieht sie denn?", bringe ich gerade noch heraus.
Aus
"Sex
ist die Antwort" von Karin Rick. Roman. Konkursbuchverlag, 1999.
ISBN 3-88769-139-3.
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