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Der Himmel war klar, tiefblau wie ein Ozean, mit leichten Wolken darauf. Ebendiese Wolken behielten die Lamas im Blick um jederzeit gewahr zu sein, dass sie plötzlich ihre Farbe änderten. Weiße Wolken waren glückverheißend. Die Zauberer des Feindes taten derweil ihr Möglichstes, damit die Wolken mit Donner gefüllt würden, lange Blitze trügen und unendlich große Hagelkörner.
Eines Tages kam tatsächlich eine solche Wolke aus Richtung Süden.
Ein Krieg der Zauberer ist erheblich aufregender als einer mit echten Schwertern und Gewehren.
Als die schwarze Wolke am Horizont erschien, setzte der Monpa-Lama einen gewaltigen Helm auf. Sein Rücken war gespickt mit dreieckigen und runden Fahnen. Als er eine davon herauszog und sie schwenkte, ertönten auf den Bergen alle Krachmacher auf einmal: Schlangenblasrohre, Trommeln, Gyalings und Glocken. Eine Gewehrsalve nach der anderen wurde in den Himmel geschossen. Die dunklen Wolken kamen genau über uns zum Stillstand, drehten und überschlugen sich und waren innen genauso schwarz wie außen, die Farbe der Flüche. Jetzt begann es bedrohlich zu donnern. Doch unsere Zauberer sprachen so viele Beschwörungsformeln, auf unserem Altar häuften sich so viele Gaben, und es gab so viele Waffen, die wie Spielzeug aussahen, gegen Götter und Geister aber äußerst wirkungsvoll waren, dass die düsteren Wolken schließlich abzogen. Die Mohnfelder der Maichis, ihre Festung und die versammelten Menschen waren wieder in helles Sonnenlicht getaucht. Mit seinem wertvollen Schwert in der Hand, schwitzend und außer Atem, erklärte der Monpa-Lama, der Hagel in den Wolken habe sich in Wasser verwandelt, ob er es herabregnen lassen solle? Er wirkte so angestengt, als halte er den Regen in den Wolken mit seinem Schwert zurück.
"Wenn Sie dafür bürgen, dass es Regen ist", sagte Fürst Maichi.
Da stieß der Monpa-Lama einen langen Pfiff aus, steckte sein Schwert in die Scheide, und der Lärm auf den Bergen verstummte.
Eine Windbö blies herüber, und die Wolke krümmte sich nicht länger wie ein Mensch mit Bauchschmerzen. Sie entspannte und öffnete sich, wurde noch größer, neigte sich zur Seite und goss große Mengen Regenwasser aus.

 


(aus "Roter Mohn" von Alai)