Der Teufel ist los oder Das Märlein, wie der Teufel den Branntwein erfand
Es hatten einmal zwei
Landesherren einen Grenzstreit; da waren auf jeder Seite Zeugen, die das
Recht behaupteten, und darunter waren zwei, die hatten vom Teufel die
Schwarzkunst erlernt und ihm dafür ihre Seelen verschrieben.
Diese beiden haben einmal ein jeder in der Nacht wollen falsche
Grenzsteine setzen, so, wie jeder von ihnen die Grenze behauptete, und
haben die Steine mit schwarzer Kunst wollen machen, daß sie aussähen,
als ob sie schon viele, viele Jahre da gestanden hätten. Da sind sie
alle zwei als feurige Männer hinauf auf die Höhe gegangen. Und wie der
eine hinauf kommt, da ist der andere schon da. Aber keiner hat etwas von
dem andern gewußt, daß dieser denselben Gedanken hatte.
Da fragte der eine den andern: "Was machst du da?"
"Was hast du danach zu fragen? Sage mir zuvor, was du da machen willst?"
"Grenzsteine will ich setzen und will den Grenzzug machen, wie dieser
eigentlich sein muß."
"Das habe ich selbst schon getan, und da stehen die Steine, und so geht
der Grenzzug."
"Das ist nicht richtig, und so geht der Grenzzug. Mein Herr hat gesagt,
ich hätte recht, und ich solle nicht nachgeben."
"Wer ist denn dein Herr? Das wird auch ein schöner Musjö sein!"
"Der Teufel ist mein Herr! Hast du nun Respekt?"
"Das ist nicht wahr, das ist mein Herr, und mein Herr hat mir gesagt,
ich habe recht und solle nicht nachgeben. Packe dich den Augenblick,
oder es geht dir schlecht!"
Und so kamen die zwei hintereinander, und zuletzt da gab der eine
feurige Mann dem andern eine Maulschelle, daß ihm der Kopf herabflog und
kullerte den ganzen Berg hinab. Und der feurige Mann ohne Kopf rannte
hinter seinem feurigen Kopfe her und wollte ihn haschen und ihn sich
wieder aufsetzen. Aber er konnte ihn nicht einholen bis ganz drunten im
Graben.
Wie nun der eine dem andern die Maulschelle gegeben hatte, und jener
hinter seinem Kopfe herlief, da kam auf einmal ein dritter feuriger Mann
dazu und fragte den, der oben blieb: "Was hast du da gemacht?"
"Was geht es dich an, und was hast du mir zu befehlen? Den Augenblick
packe dich deiner Wege, oder ich mache es dir gerade so wie jenem."
"Halunke! Hast du nicht mehr Respekt vor mir? Weißt du nicht, daß ich
dein Herr, der Teufel, bin?"
"Und wenn du zehnmal der Teufel selbst bist, so liegt mir daran gar
nichts; du kannst mich meinetwegen recht schön rein machen!"
"Diesen Gefallen will ich dir tun, du sollst aber dein Lebtag daran
gedenken!"
Und da fing der Teufel an und machte ihn rein, daß die Feuerputzen auf
dem ganzen Bergrücken herumflogen.
Aber wie er ihn so rein machte, da ersah mein feuriger Mann den
günstigen Augenblick und griff hin und erwischte den Teufel im Nacken,
hielt ihn fest und sagte ihm:
"Nun bist du in meiner Gewalt; nun sollst du sehen, daß du in der
Menschen Hände bist! Du hast dein Leben lang genug armen Leuten den Hals
herumgedreht, nun sollst du auch selbst einmal erfahren, wie es tut,
wenn einem der Hals umgedreht wird!"
Und fing an und wollte dem Teufel den Hals umdrehen. Wie der Teufel sah,
daß der feurige Mann Ernst mit ihm machte, legte er sich aufs Bitten und
gab ihm die himmelbesten Worte, er solle ihn doch gehen lassen und solle
ihm den Hals nicht herumdrehen; er wolle ihm auch alles tun, was er nur
von ihm verlangte. Da sagte ihm der: "Weil du also erbärmlich tust, so
will ich dich nur gehen lassen; aber zuvor mußt du mir meine
Verschreibung wiedergeben, in welcher ich dir meine Seele verschrieben
habe, und mußt mir auch versprechen, ja, du mußt mir das bei deiner
Großmutter beschwören, daß du kein Teil mehr an mir haben willst, auch
all dein Lebetage von keinem Menschen dir wieder die Seele verschreiben
lassen."
Wollte der Teufel wohl oder übel, einmal stak er in der Klemme, und wenn
er loskommen wollte und wollte nicht den Hals herumgedreht haben, so
mußte er in einen sauren Apfel beißen, und gab ihm seine Verschreibung
wieder und versprach's ihm und verschwur sich bei seiner Großmutter, daß
er keinen Teil mehr an ihm haben wolle und wolle auch alle sein Lebetag
von keinem Menschen sich wieder lassen die Seele verschreiben. Wie er
das alles getan hatte, ließ jener den Teufel los.
Wie aber der Teufel wieder ledig war, da tat er einen Sprung zurück, daß
ihn jener nicht etwa unversehens noch einmal erwische, und stellte sich
hin und sagte: "So, nun bin ich wieder ledig; wenn ich dir, du
Schalksnarr, nun auch deine Verschreibung wiedergegeben habe und habe
dir versprochen und beschworen, daß ich kein Teil mehr an dir haben
wolle, so habe ich dir doch nicht versprochen, daß ich den Hals dir
nicht auch umdrehen wolle, so ich wieder ledig wäre. Und auf dem Hecke
da sollst du alleweil sterben, dafür, daß du mich gegurgelt hast und
hast mir wollen den Hals umdrehen!"
Und damit fuhr der Teufel auf ihn
hinein und wollte ihm den Garaus machen, der aber riß aus und lief zum
Wald hinein. Und der Teufel immer hinter ihm her. Endlich ersah es jener
und kam an eine alte Buche,
die war hohl und hatte unten ein Loch. Da kroch er geschwind hinein und
wollte sich verstecken vor dem Teufel. Aber er war nicht weit genug
hinein gekrochen, und die Fußzehe guckte ihm noch heraus. Und weil er
über und über feurig war, da leuchtete die Zehe durch die Nacht, und der
Teufel wurde es gewahr, wo jener sich hin versteckt hatte, und kam und
wollte ihn an der Fußzehe erwischen.
Aber der in seinem Baume hörte es, wie der Teufel getappt kam, wie er
nach ihm greifen und ihn erwischen wollte; da zog er sich vollends
hinein und machte sich weiter im Baume hinauf. Da kroch der Teufel auch
hinein, und jener machte immer weiter im Baume hinauf und der Teufel
immer hinter ihm her. Endlich da hatte der Baum oben in der Höhe ein
weites Astloch, da kam jener dran und kroch heraus. Und wie er draußen
war, da nahm er etwas und verkeilte das Astloch, wo er herausgekrochen
war, und stieg geschwind herab und verkeilte auch das untere Loch und
machte es mit schwarzer Kunst so fest, daß es der Teufel selbst und
seine Großmutter und die ganze Hölle nicht wieder aufbringen konnten.
Danach ging er seiner Wege.
Und da steckte nun der Teufel in der alten Buche und konnte nicht
herauskommen, und es half ihm alles nichts, er mußte drin
steckenbleiben. Und da hat er lange Zeit darin gesteckt, und vielmal zu
jener Zeit, wenn die Leute des Wegs über jenen Berg gegangen sind, da
haben sie ihn darin hören blöken und grunzen in seiner Buche. Endlich
aber, wie der Holzschlag dort hinauf gekommen ist, da ist die Buche
abgehauen worden. Da ist er endlich wieder herausgekommen und ist wieder
frei geworden, der Teufel. Wie er nun wieder los war, da machte er sich
auf und ging heim in die Hölle und wollte sehen, wie es aussähe. Aber da
war alles leer darin, wie es in der Kirche in der Woche ist, und war
keine Seele mehr zu hören noch zu sehen. Seit der Teufel damals
fortgegangen und nicht wieder gekommen war, und auch kein Mensch nicht
gewußt hatte, wo er hingekommen war, da war nicht eine einzige Seele
wieder in die Hölle gekommen. Und da war seine Großmutter aus Herzeleid
gestorben, und wie die tot war, da packten alle die armen Seelen, die
dazumal in der Hölle
waren, auf und machten sich auf und davon und gingen alle miteinander in
den Himmel.
Und da stand er, Maus-Mutter-Stern-allein in der Hölle, und wußte seines
Leides keinen Rat, wie er's wohl anfinge, daß er wieder arme Seelen
bekäme, weil er es nicht mehr tun durfte, und hatte es damals bei seiner
Großmutter verschwören müssen, daß er von keinem Menschen sich wieder
wollte die Seele verschreiben lassen, und auf andere Weise bekam er
damals keine Menschen in die Hölle. Und da stand er und wußte seines
Herzeleids kein Ende und wollte sich die Hörner aus dem Kopfe raufen vor
lauter Herzeleid und Jammer. Da fiel ihm auf einmal etwas ein.
Wie er in der alten Buche gesteckt hatte und nicht herausgekonnt, da war
ihm zuletzt die Zeit lang geworden, und da hatte er über allerlei
nachsimuliert und den Branntwein erdacht und erfunden. Das fiel ihm
alleweil mitten in seinem Herzeleide wieder ein, und da dachte er sich,
das müsse ein Mittelchen sein, wie er doch wieder arme Seelen in die
Hölle bekommen könne.
Und da packte er auf der Stelle auf und ließ die Hölle Hölle sein und
ging nach Nordhausen und wurde ein Schnapsbrenner und machte Branntwein
drein und drauf und schenkte ihn in die Welt hinein. Und er zeigte auch
den Nordhäusern allen miteinander, wie der Schnaps gemacht wird, und
versprach ihnen viel Geld und Gut, wenn sie's lernten und Branntwein
brennten. Und die Nordhäuser ließen sich's auch nicht zweimal sagen und
wurden alle Schnapsbrenner und machten Branntwein und schenkten ihn in
die Welt hinein. Seit dieser Zeit schreibt sich's her, daß bis auf den
heutigen Tag so viel Branntwein in Nordhausen gebrannt wird wie an
keinem andern Orte in der ganzen Welt.
Aber wie sich's der Teufel gedacht hatte, also ging es auch. Wenn die
Leute erst ein wenig Branntwein im Leibe hatten, da fingen sie an zu
fluchen und zu schwören, und fluchten und schwuren ihre Seele zum
Teufel, daß sie der Teufel bekam, wenn sie gestorben waren, und brauchte
ihnen darum nicht zu dienen, wie er sonst hatte tun müssen, wenn er eine
arme Seele hatte haben wollen. Und wenn sie sich den Kopf erst richtig
vollgesoffen hatten im Branntwein, da fingen sie auch an und zankten
sich und prügelten sich und brachen sich selber die Hälse, daß sich der
Teufel nicht erst brauchte die Mühe zu geben und brauchte sie ihnen
herum zu drehen. Und wenn der Teufel sonst mit aller Mühe und Not hatte
alle Wochen einmal eine arme Seele in die Hölle bekommen können, da
kamen sie jetzt dutzend- und schockweise alle Tage hinein, und es
dauerte kein Jahr, da war die Hölle zu klein geworden und konnte der
Teufel die Seelen nicht mehr unterbringen und mußte ein ganz neues Stück
lassen anbauen an die Hölle.
Und kurz und gut, seit der Teufel aus der alten Buche jenesmal wieder
losgekommen ist, seit der Zeit ist der Branntwein aufgekommen, und seit
der Branntwein in der Welt ist, da kann man erst recht eigentlich sagen:
"Der Teufel
ist los!"
(von Ludwig Bechstein.)