> Sandammeer - Die virtuelle Literaturzeitschrift

Mond überm Schwarzwald

Goldne Sichel des Monds! Dich schwingt der
Ewige Schnitter und mäht
Halme und Herzen.

Siehe, ich wandre auf steinichter Höhe
Über dem wolkigen Wald und neige
Willig den Nacken
Deinem erlösenden Streich.

 

Mond über Davos

Was wissen wir von Ihm, der über uns
Des Mondes Barke im Wolkenmeere lenkt?
Er fährt dahin, und hinter der Lavastirn
    Brennen und leuchten die Gedanken.

Was aber denkt Er, über den Rand des Monds
Hinab auf unsere arme Erde gebeugt?
Er sieht. Was sieht Er? Seine Blicke
    Stoßen durch unseren Leib wie Speere.

Und blutend sinken wir in die Knie. Der Schrei
Von Tausenden stößt an das Firmament.
Dort segelt Er in seinem leichten Kahne,
    Lächelt so licht, von goldnen Fahrten trunken.

 

Mond und Mädchen

Es kriecht der kahle Mond durch Zweiggeäder,
Ob wo im Haus ein Mädchen wohnt,
Ein warmes Bett, ein daunenweicher Leib,
Es wärmt zur Winternacht sich gern ein jeder ...
O Mädel, bleib, du schlanke Zeder!

Der Mond tastet am Fensterglase
Und zittert vor Begier und Frost ...
Das Mädel schlägt ihm vor der Nase
Die Läden zu und höhnt: Gib Ruh!
Alten Gliedern ziemt nicht junger Most!

Er aber hat den Finger in der Fensterspalte,
Ob ihrer Kissen eine Falte er nicht erspähe,
Er ihre Blicke, braune Rehe,
Über der Brüste Sommerhügel
Zärtlich schreiten sehe.

(von Klabund)