CAPUT IV.
Fernere Continuation
Simplicissimi Schreibens.
Sonst gibts auch Land-störtzr und
Be-triegr / die durch Künst Galgn-Männl machn / und den Leutn ver-kauffn; abr
hüt dich / du kriegst sonst zgleich mit dem Teuffl zu thun / und wirst von beydn
Btriegrn btrogn. Jch schweig jetzt von dem / daß solch Geld / welchs uff die und
andr der-gleichn weiß ein-geht / eim jedn wie dem Hund das Graß
bkommt.
Anmerckung.
Damit ich die Mühe spahren möge / und mit
Erläuterung der unterschiedlichen Betrügereyen so die Landfahrer brauchen / wann
sie jemand mit dem Galgenmännlin anführen wollen / den Kopff nicht sehr
zerbrechen dörffe; So will ich nur auß Joh. Prætorii newer
Weltbeschreibung von allerley Wunder-Menschen / da er von Pflantzleuten schreibt
/ einen Extract hieher setzen / daraus eines theils Simplicissimi
Meinung genugsam erhellen wird / wann er seinen Sohn allhier vor den Landfahrern
warnet. So setzet nun gemelter Autor an besagtem Ort folgendes / und zwar
mehrern theils aus anderen. Erstlich aus Barthol. Cent. 2. obser.
Anat. cap. 51. pag. 317. Von dem Alraun redet man viel /
daß durch Erzehlung der Alten und Jungen bewehret ist; wie er wegen der
menschlichen ähnlichkeit stattliche Würckungen habe; seinem Besitzer / die
Glückseligkeit; und den unfruchtbahren Frawen-Personen die Fruchtbarkeit zu
wegen bringe; deßwegen begehrte Rahel hefftig einen Apffel-Alraun. Dann
Lemnius de Herb. Bib. c. 2. hält darfür / daß er mit seiner schlaff
erregenden kühlenden Krafft / die hitzige und dessentwegen zu der Empfängnus
untüchtige Gebehr-Mutter in den warmen Ländern und Weibs-Persohnen mässigen
könne. Die Wurtzel aber des Alrauns ist mit ihrem abwertz erstreckten
zweyzinckigten Ast einem Menschen und desselben zweyen Schenckeln in etwas
ähnlich / aber der obere Stamm gleichet dem Menschen gantz nicht: Es werden aber
allerley Wurtzeln also zubereitet / daß sie die menschliche Gestalt vorbilden.
Man gräbt die Stickwurtz mit Haber besteckt in die Erde / biß die Blätter
ausschlagen / welche getreuget / den Hauptharen gleich sehen.
Die art
dieser Zubereitung deutet Matthiolus in cap. 71. l. 4.
Diosior. an. Jn die noch grünende Wurtzeln des Schilffrohrs / des
Hundskürbs / und anderer Pflantzen / schnitzlen die Betrieger so wol Manns- als
Frawenbilder / und stecken in dieselbe Oerter / da sie das Haar wollen haben /
Gersten und Hirsenkörner / darnach machen sie eine Grube / und bedecken selbige
so lang mit wenigem Sand / biß erwehnte Körner Wurtzeln schiessen / welches
auffs höchst innerhalb 20. Tagen geschiehet / hierauff nehmen sie es wieder
aus / und beschneiden die aus den Körnern angewachsene Wurtzeln mit einem
scharffen Messerlein / und berahten sie also / daß sie die Gestalt der Haupt-
Bart- und anderer Haar des Leibs abbilden. Matthiolus hat diese art der
Aufbutzung des Alrauns zu Rom von einem Landstreicher gelernet / welcher selbige
den leichtgläubigen vor grosses Geld verkaufft. Es sind zwey von dieser Art zu
Neapolis in der Kunst-Kammer des Imperati vorhanden / welche gar wol
einen Menschen darstellen / und von den Wurtzeln des Alrauns / Hundskürbs und
des Habers gemacht sind; in denen die Kunst vollführt / was die Natur
unterlassen.
Neulich hat ein junger Kauffmann ein newe art nach
Coppenhagen gebracht / er wiese uns einen
Alraun der ihm
durch die Post von Hamburg zugeschickt / und wie er berichtet / im Schweitzerland
unter dem Galgen ausgegraben worden. Unser gemeiner Mann ist in gleicher Meinung
/ daß nemlich unter dem Gericht aus dem Harn eines erhangenen Menschen ein solcher
kleiner Mensch entstehe / welches sie ein Draffne-Ducke nennen / dieses meldet
der Kauffmann auch von dem seinigen / und schätzte es auff grosses Geld. Der
Kopff war rund mit vier Erhöhungen bildet er die Augen / Nase und den Mund für
/ die Haar hingen ihm längst über den Rucken herab; der übrige Leib bestund
aus Knochen / Mäußlin und Gelencken irgends eines Thiers. Es war in Warheit
kein Alraunen Wurtzel / noch eine natürliche Zusammenfügung. Dann wie kan ein
Thier aus einer Pflantzen entstehen / daß darzu noch Knochen habe? über das
konte man sehen / daß der Kopff aus einer Eichen Wurtzel gemacht / und an dem
Strumpff angeleimet war. Damit man aber dieses nicht in acht nehme / band er
ihm einen Kragen von Haar zusammen gewickelt umb den Halß / die angesetzte Haar
bestunden aus auffgedrückneten Zäserlein der Wurtzlen / dann auff dem Rucken
waren sie loß / und konten nach belieben abgenommen und wieder aufgesetzt werden;
der übrige Leib war irgends eines Thierlins / dieweil man warhafftige Knochen
/ Mäußlin und Eingleichungen sehen konte; von den verdorreten Mäußlin hatten
sie ein Stücklin abgeschnitten / welches / wie man zu mehrerer Bekräfftigung
darbey erzehlet / eine Fraw von der schweren Noht solte befreyet haben.
Als ich die Sach mit meinem Vater / dem / in der
Kräuter
Wissenschafft und der Zerglieder-Kunst höchst-erfahrnen / D. Fuirenio
etwas genauer betrachtete / kam es uns für / als ob es ein auffgetreügter und
in die auffgerichte menschliche Gestalt gedähnter Frosch wäre / dann die Brüstlein
ragen an einem Frosch kurtz und breit herfür. Er hatte an den Händen nur vier
Finger / und an den Füssen vier Zehen / welche an einem
Frosch
länger sind; allhier aber waren sie verkürtzt und stumpff darzu. Als wir mit
dem Bein-Cörper des Frosches ein Vergleichung angestellt / war der Unterbauch
beyderseits länglichter / und das Schamgebein ragte herfür / also entfiele dem
Kauffmann nach entdecktem Betrug seine Hoffnung.
Unlängst
sahe ich bey meinem Bruder D. Casparo Bartholino dem jüngern noch
eine andere Gestalt des Alrauns / die weit warhafftiger schiene als die erste;
darzu auch der Natur der wachsenden Pflantzen viel ähnlicher war. Es besitzet
solchen / als ein hohe Sach / einer von den Rohtgiessern auff der Gammer Mühl /
deß Großachtbaren Henrich Müllers / und dieweil ihm selbigen seine Mutter
gegeben hat / schätzt er ihn dem Gold gleich. Das Haupt ist ohnaußgebildet und
länglich / hatt die Wahrzeichen der Augen und des Mundes / die zusammen
gewachsene Haupthaar sahen der abgetreügten Woll der Pflantzen gleich; ich
vermeinte es sey die Wurtzel von dem Wasser Farnkraut / die von dem Podoneo
l. 5. Pempt. 3. c. 2. abgebildet ist / mit
welcher es eine grosse Gleichnus hat. Von diesem Knorren des Haupts erstreckt
sich abwertz ein dichte und dicke Wurtzel welche den Strumpff des Leibs abbildet
/ und endlich in zwey abhangende Schenckel getheilt wird; aber die Gegend der
Scham bekleidet obenerwehntes wollichteß Wesen / das sonderlich ist / daß ein
Röckelein gleich einem Netz den gantzen Leib umbgiebet / welches denen aus einer
Pflantzen abgesonderten Zäserlein ähnlich / an den Halß also angewachsen ist /
daß man nicht mercken kan / ob es durch Kunst daran gesetzt sey? Dieses gantze
Werck ist aus dem Geschlecht der wachsenden Creaturen zusammen gesetzt / und
scheinet im ersten Anblick als ob es also gewachsen wäre. So fern man es nicht
vor eine Alraunwurtzel halten soll / so ist es doch eine frembde Wurtzel / und
das Netz nicht ungleich dem Sack deß von Clusio beschriebenen
Sacktragenden
Dattelbaums
/ zu diesem ende ich selbigen auch / dieweil er bey uns gantz ungewohnlich ist /
allhier zu entwerfen für gut erachtet. Die erste Figur zeiget die Wurtzel / so
oberhalb knorricht / und halb in zwey / mit den verkehrten Buchstaben
gezeichneten Sprößlein abgetheilet ist / neben dem Hindertheil des Netzes; Die
andere Figur stellet vor Augen das fordere von dem Leib abgerissene theil des
Netzes; Hactenus ille. Dessen Figuren du d. l. suchen: und
noch dieses aus Rauens Memorial 106. p. 91. hinzu thun
kanst:
Was von der Alraun Wurtz wunderbahrem Ursprung vorgeben wird /
(wann es anderst in Warheit also) ist männiglich bekant / daß nemlich dieselbe
unter dem Hochgericht aus der Erden in Gestalt eines lebendigen schwartzen
Knäbleins wachse / und wann es heraus gezogen / wegen des ohngewöhnlichen
Tagsliechts einen hellen Schrey von sich lasse / so denen so es hören / entweder
den gewissen plötzlichen Tod / oder grosse Unsinnigkeit bringe; und ist das
Volck in der Meinung / es werde solches Männlin aus dem Chrysam
(O Gottslästerlicher Glaube) so der justificirte Sünder im Tauff
empfangen (wie? wann aber der gehenckte Un-Catholisch gewesen?) geboren. Seine
Krafft ist / das Geld wunderbahrlicher weiß zu vermehren / andre zur Lieb zu
bewegen / und dergleichen Wirckungen / und wird die weiß / wie man es mit einem
Hund heraus ziehen soll / nach des gemeinen Manns vorgeben / von
Boissardo im Tractat von Wahrsagungen / am End beschrieben / so weit vor
dißmahl aus Prætorio.
Gleich wie nun der leidige Satan auff Verhängnus Gottes einem jeden ohne Zweiffel
einen Venus-Berg daher gaucklen kan / umb (wie man von den fahrenden Schülern
sagt) die schwartze Kunst allda zu studirn / wann gleich kein solcher Berg nirgends
vorhanden; also gilts jhm auch gleich / ob er die Menschen mit Warheit oder
mit Lugen in seine Strick und zu sich in die ewige Verdammnus bringe; ob er
sie durch ein natürlichs selbstgewachsenes Galgenmännl (wie es hier in Rauens
memorial beschrieben wird) oder durch ein mit Kunst zugerichtem und jhm
ähnlich gemachtem Ebenbild betriegt; Jch weiß mich zu erinnern von einem Jtalianer
gelesen zu haben / der einen Spiritum familiarem kauffen wollen / welchen
aber der Verkäuffer / an statt eines solchen Spiritus mit einer grossen
Spinn / so er in ein Gläßlein verschlossen / betrogen; Aber was geschicht? der
Käuffer bildet sich festiglich ein / daß es ein rechter familiar-Geist
wäre / und verrichtet darauff mit jhm eben die jenige Ding die er durch einen
Spiritum hat thun wollen; und gleich wie die Wort Christi niemal fehlen
/ also treffen sie auch hier ein / wann er sagt: dir geschehe
wie du geglaubet hast; wann jemand im Sinn hat von Gott abzufallen /
und nicht gleich die Rew und Bekehrung folgt / so ist der Abfall schon halber:
und wann der Vorsatz abzufallen fest gestelt worden / bereits gantz und würcklich
geschehen.
Wann einer / der ein Galgen-Männl deß Gelts halber (massen sie Matth. Hammer
in Virid. Histor. p. m. 48. auch Geltmännlin nennet) zu haben
verlangte / einen Dieb auffknüpffen / und jhn das Wasser lauffen lassen sehe
/ hernach hingieng zuschawen / ob kein Alräungen gewachsen / umb solches mit
bequemer Gelegenheit auszugraben; vermeinstu der leidige Teuffel der herumb
gehet / wie ein brüllender Löw / werde alsdann feyern / einem solchen die Augen
zuverblenden / daß er eines nach Wunsch dort sihet? oder vermeinstu er hab nicht
genugsame Wissenschafft und natürlicher Sachen Erkantnus / das er in bälde auß
irgends einer Wurtzel eins zurichten (könnens doch wie oben gehört / die Landstreicher)
und dorthin untern Galgen partiren könte / alwo es der Mensch / der ihm in seine
Strick zufallen entgegenlaufft / außzugraben beschlossen? kan nun diß seyn /
wie dann ohne zweiffel geschiehet (massen ich nimmermehr glauben kan / daß ein
solch Gewächs aus eines erhenckten Samen /
Urin
/ viel weniger aus dem im Tauff empfangenen Chrysam erwachsen solte:) warum
wolt sich dann nit auch der böse Geist zu einem mit Kunst der Menschen / ohn
sein Mühe / bereits zum Betrug zugerichteten Bild / wie zu des gedachten Jtalianers
Spinn / gesellen / und dort seine Dienst oder Tück ausüben / biß er den Besitzer
des Dings zu sich in die Verdamnus gezogen? Und diß ists / warvor Simplicissimus
seinen Sohn so getreulich warnet. Was ich aber von seiner Erinnerung wegen des
uff solche und dergleichen weiß überkommenen Gelds vorzubringen habe / ist ins
folgende Capitel versparet worden. (...)
(Aus "Simplicissimi. GALGEN-MÄNNLIN Oder
Ausführlicher Bericht / woher man die so genannte Allräungen oder Geldmännlin
bekommt /und wie man ihrer warten und pflegen soll; auch was vor Nutzen man
hingegen von ihnen eigentlich zugewarten. Erstlich durch Simplicissimum selbsten
seinem Sohn und allen andern / so die Reichthum dieser Welt verlangen / zum
besten an tag geben. Nachgehends mit nutzlichen Anmerck- und Erinnerungen erläutert
durch Israël Fromschmidt von Hugenfelß."
von Hans
Jakob Christoffel von Grimmelshausen.)