(...)
HELMER
Nicht stören! (Bald darauf öffnet er die Tür und sieht herein, mit der Feder in der Hand.) Einkäufe, sagst Du? Diese vielen Sachen? Ist das lockere Zeisiglein wieder ausgewesen und hat Geld verschwendet?

NORA
Aber Torvald, dies Jahr dürfen wir doch wirklich ein bißchen über die Stränge schlagen. Sind es doch die ersten Weihnachten, wo wir nicht zu sparen brauchen.

HELMER
Hör' mal, Du, Luxus dürfen wir auch nicht treiben.

NORA
Doch, Torvald, wir dürfen jetzt schon ein bißchen Luxus treiben. Nicht wahr? Nur ein ganz, ganz klein bißchen. Du bekommst ja nun ein großes Gehalt und wirst viel, viel Geld verdienen.

HELMER
Ja, von Neujahr ab. Aber dann vergeht noch ein ganzes Quartal, bis das Gehalt fällig ist.

NORA
Bah! Bis dahin können wir ja borgen.

HELMER
Nora! (Geht hin zu ihr und zupft sie scherzhaft am Ohr.) Geht schon wieder der Leichtsinn mit Dir durch? Gesetzt den Fall, ich borgte mir heute tausend Kronen, und Du brächtest sie in der Weihnachtswoche durch, und am Sylvesterabend fiele mir ein Ziegelstein auf den Kopf, und ich läge da -

NORA (hält ihm den Mund zu.)
Pfui, laß die garstigen Reden!

HELMER
Ja, nimm mal an, daß so was passierte, - was dann?

NORA
Wenn so was Gräßliches passierte, dann wär' es mir ganz gleichgültig, ob ich Schulden hätte oder nicht.

HELMER
Und die Leute, von denen ich das Geld geliehen hätte?

NORA
Die? Wen gingen die was an? Das sind ja Fremde.

HELMER
Nora, Nora, Du bist ein Weib! Aber im Ernst, Nora: Du weißt, wie ich in diesem Punkt denke. Keine Schulden! Niemals borgen! Es kommt etwas Unfreies und damit auch etwas Unschönes über ein Hauswesen, das auf eine Borgwirtschaft gegründet ist. Bis auf den heutigen Tag haben wir beide tapfer ausgehalten, und das wollen wir nun auch noch die kurze Zeit tun, wo es nötig ist.

NORA (geht zum Ofen hin.)
Na ja; wie Du willst, Torvald.

HELMER (geht hinter ihr her.)
Ei, nun darf aber die kleine Lerche auch nicht die Flügel hängen lassen. Wie? Das Eichhörnchen steht und mault? - (Zieht das Portemonnaie.) Nora, was mag ich da wohl haben?

NORA (wendet sich schnell um.)
Geld!

HELMER
Da nimm! (Gibt ihr einige Banknoten.) Du lieber Gott, ich weiß, daß zu Weihnachten im Hause eine ganze Menge draufgeht.

NORA (zählt.)
Zehn, - zwanzig, - dreißig, - vierzig. Schönen Dank, Torvald, schönen Dank; damit behelfe ich mich lange.

HELMER
Ja, das mußt Du aber auch!

NORA
Ja, ja, das werde ich schon. Aber nun komm und laß Dir alle meine Einkäufe zeigen. Und so wohlfeile Einkäufe. Schau her, - ein neuer Anzug für Ivar - und dazu ein Säbel. Hier ist ein Pferd und eine Trompete für Bob, und da eine Puppe und Puppenwiege für Emmy. Es ist freilich recht einfach, aber sie macht doch immer gleich alles entzwei. Und hier Kleiderstoff und Taschentücher für die Mädchen. Mutter Anne-Marie müßte eigentlich viel mehr haben!

HELMER
Und was ist in dem Paket da?

NORA (schreit.)
Weg, Torvald! Das bekommst Du erst am Abend zu sehen!

HELMER
Ach so! - Aber nun sag' mir, Du kleiner Verschwender, womit hast Du denn Dich selbst bedacht?

NORA
Ach geh, - ich mich? Ich wüßte wirklich nicht, was -

HELMER
Du sollst aber! Nenne mir etwas Vernünftiges, was Dir ganz besondere Freude machen würde.

NORA
Ich wüßte wirklich nichts. - Doch, Torvald, hör' -

HELMER
Na?

NORA (spielt an seinen Knöpfen, ohne ihn anzusehen.)
Wenn Du mir ein Geschenk machen willst, so könntest Du ja -; Du könntest -

HELMER
Na also - heraus damit!

NORA (hastig.)
Du könntest mir Geld schenken, Torvald. So viel nur, wie Du meinst entbehren zu können. Ich kann mir dann gelegentlich später etwas dafür kaufen.

HELMER
Aber Nora, -

NORA
Ach ja, tu's, lieber Torvald, ich bitte Dich recht sehr; ich wickle mir dann das Geld in schönes Goldpapier ein und hänge es an den Weihnachtsbaum. Wäre das nicht reizend?

HELMER
Wie nennt man doch die Vögel, die alles Geld durchbringen?

NORA
Ja, ja, lockere Zeisige, - ich weiß schon. Aber wir wollen es so machen, wie ich sage, Torvald: dann habe ich Zeit zu überlegen, was ich am notwendigsten brauche. Ist das nicht sehr vernünftig, Torvald, wie?

HELMER (lächelnd.)
Ei freilich -, das heißt, wenn Du das Geld, das ich Dir gebe, wirklich festhalten und Dir selbst etwas dafür kaufen könntest. So aber geht es im Haushalt und für allerhand unnütze Dinge drauf, und dann muß ich wieder herausrücken.

NORA
I bewahre, Torvald -

HELMER
Läßt sich nicht leugnen, meine kleine liebe Nora! (Legt den Arm um ihre Taille.) Mein lockerer Zeisig ist entzückend, aber er braucht eine schwere Menge Geld. Man sollte es nicht glauben, wie hoch einem Mann solch ein Vögelchen zu stehen kommt.

NORA
Aber nein! Wie kannst Du nur so was sagen? - Ich spare doch wirklich, wo ich kann.

HELMER (lacht.)
Ein wahres Wort! Wo Du kannst. Aber Du kannst absolut nicht.

NORA (trällert und lächelt stillvergnügt.)
Hm! Du solltest nur wissen, wie viele Ausgaben wir Lerchen und Eichhörnchen haben, Torvald.

HELMER
Du bist ein sonderbares Dingchen. Ganz wie Dein Vater. Auf jede Art bemühst Du Dich, Geld in die Hand zu kriegen, und sobald Du es hast, verschwindet Dir's zwischen den Fingern; Du weißt nie, wo es geblieben ist. Na, aber man muß Dich nehmen, wie Du bist. Das liegt im Blut. Ja, ja, ja, Nora, so was vererbt sich.

NORA
Nun, ich wünschte, ich hätte viele von Papas Eigenschaften geerbt.

HELMER
Und ich möchte Dich gar nicht anders haben, als Du bist, meine liebe, kleine, singende Lerche. Doch - da fällt mir etwas ein. Du siehst heute so -, so, - wie soll ich gleich sagen? - so verdächtig aus -

NORA
Ich?

HELMER
Allerdings. Sieh mir mal gerade in die Augen.

NORA (sieht ihn an.)
Na?

HELMER (droht mit dem Finger.)
Hat das Leckermäulchen etwa heut in der Stadt genascht?

NORA
Aber nein, wie kommst Du darauf?

HELMER
Hat das Leckermäulchen ganz gewiß keinen Abstecher in die Konditorei gemacht?

NORA
Nein, Torvald, ich versichere Dir -

HELMER
Nicht ein wenig Konfitüren geschleckt?

NORA
Nein, wahrhaftig nicht!

HELMER
Auch nicht ein paar Makronen probiert?

NORA
Nein, Torvald, ich versichere Dir wirklich -

HELMER
Na, na, na - es ist ja natürlich nur im Scherz gemeint -

NORA (geht rechts an den Tisch.)
Es würde mir doch nie einfallen, gegen Deinen Wunsch zu handeln.

HELMER
Nein, das weiß ich ja wohl. - Und dann hast Du mir ja Dein Wort gegeben - (Geht zu ihr.) Behalt Deine kleinen Weihnachtsüberraschungen nur für Dich, mein Herz. Heut abend, wenn der Baum brennt, werden sie schon ans Licht kommen, davon bin ich überzeugt. (...)


(aus "Nora oder Ein Puppenheim" von Henrik Ibsen; 1828-1906)
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