Die zweite Geburt des Menschen
Die Ewigkeit ist unwandelbar und eins, und die ewige 
  Bewegung der Sterngebilde garantiert ihren Fortbestand. Alles, was 
  die Ewigkeit enthält, alles, was ist, war und werden muss, geht aus Schwingungen 
  hervor, und alles ist in sich selber doppelt. Der Tod ist nichts anderes als 
  ein Zustand der Krise, während welchem der, "der einen Namen trägt", weder tot 
  noch lebendig ist und während welchem das Ka, d. h. das, was in ihm bereits 
  ewig war, bevor er überhaupt geboren wurde, den scheinhaften fleischlichen Leib 
  verlässt. (...)
  Zwar wandelt und zerstört die Zeit, die im Verhältnis zur Ewigkeit nicht messbar 
  ist, sehr rasch das physische Aussehen und das Gehaben des Menschen, aber seine 
  Seele lässt sie unangetastet. Die Zeit altert nicht. Der Wert eines Bruchteils 
  der Zeit - die 
  alten Ägypter hätten gesagt: ihre Schwingung - kann sich nach Sekunden 
  bemessen oder nach deren Äquivalent, d. h. nach Jahrmillionen.
  Zeit und Tod sind lediglich behelfsmäßige Alternativen, verabredete Zeichen, 
  die das Spiel der Gedanken erleichtern. Für die antiken Bewohner des glücklichen 
  Niltals hatte der Tod nichts Erschreckendes oder Spekulatives: Er markierte 
  einen Haltepunkt in einer normalen Entwicklung ohne Anfang und ohne Ende und 
  kündigte eine echte Geburt an, in der der Verstorbene zum 
  ewigen Leben geboren und in den Zustand versetzt wurde, sich von seinen Leidenschaften, 
  dem "Unrat" in seinem Herzen zu reinigen. (...)
  Man versteht auch, warum es für den Ägypter ganz natürlich war, des irdischen 
  Körpers sich zu entledigen und sich in eine Lichtgestalt zu kleiden: um sich 
  in den ewigen Räumen ebenso leicht zu bewegen, als ob er sich auf der an den 
  Nil grenzenden Erde befände; um jede beliebige Form anzunehmen; um für sein 
  Teil dem Unendlichen gleich zu sein; um in der Gestalt eines Lichtgeistes das 
  Staunen der Zeiten zu sein, die kein Gedächtnis haben.
(Aus 
"Das Ägyptische Totenbuch - Kult und Religion im alten Ägypten - nach den schönsten 
Papyri aus berühmten Grabmälern, augefunden in der Nekropole von Theben" / Albert 
Champdor. Knaur. 
ISBN 3-426-03626-6)