Der Tempel zu Memphis
(1758)

Ein Wandersmann, der nicht ein Wort
Vom Apis der Ägypter wußte,
Und einst nach Memphis reisen mußte,
Betrat den weltberühmten Ort
Mit forschbegierigem Vergnügen.
Er folgt der ersten besten Bahn
Und sieht auf einem weiten Plan
Jetzt einen Tempel vor sich liegen,
Der dem geblendeten Gesicht
Ein achtes Wunderwerk verspricht.
Er gafft und staunt, und um noch mehr zu sehen,
Beschließt er ganz hinein zu gehen.
Doch kaum setzt er den Fuß hinein,
So bleibt wie festgebannt er stehen.
Sein Auge will, wie kann es anders sein?
Zu gleicher Zeit an allem kleben,
Was hohe Kunst und unschätzbare Pracht
Der ersten Gottheit würdig macht.
Erz, Marmor, Elfenbein und Bilder voller Leben
Sind überall mit Weisheit angebracht.
Den starren Wandersmann ergreift ein heilig Beben.
Er nähert sich, den Herrn so vieler Herrlichkeit,
Den Weihrauchwolken dicht umgeben,
Mit tiefer Unterwürfigkeit
In stummen Hymnen zu verehren.
Allein wie stutzt er da, als er den Gott erblickt!
Ein goldner Ochse wars, mit Perlen ausgeschmückt.
Kaum kann er sich des Lachens noch erwehren.
Ein großes Glück für ihn! Wird diesen fremden Gast
Ein guter Wind einst nach Europa wehen,
So kann er, ohne weit zu gehen,
In manchem glänzenden Palast
Dergleichen Götter täglich sehen.


(Gottlieb Konrad Pfeffel; 1736 - 1809)