Stefan Winges: "Honolulu Baby"

Karneval ist eine Zeit des absoluten Ausnahmezustands in Köln und für einen Kneipier einer der wichtigsten Szene-Kneipen der Stadt ist es eine Serie von Großkampftagen


Gleichzeitig ist es auch die Zeit, in der viele "Exil-Kölner" sich zurück in ihre Heimatstadt begeben um an dem närrischen Treiben teilzunehmen. Einer dieser Heimkehrer ist Karl-Josef ("Jupp") Erkenz, der auf Altweiber seinen alten Freund Max Cremer, den Wirt und Mitinhaber des "Einarmigen Geigers" besucht, nachdem er die letzten paar Jahre in Florida verbracht hat. Er leidet unter einem Gehirntumor und möchte die letzten Tage seines Lebens noch richtig genießen, weswegen er unter anderem noch einmal zum Karneval nach Köln gekommen ist. Außerdem braucht er noch etwas Kleingeld um die besagten letzten Tage sorgenfrei verbringen zu können, und dabei soll ihm der Inhalt einer seltsamen Tasche helfen, den er an einen ungenannten Käufer verscherbeln möchte. Er bittet Max, diese Tasche in einem Schließfach am Kölner Hauptbahnhof zu deponieren und ihm später den Schlüssel auszuhändigen, damit dieser Schlüssel mit seinem Kunden ausgetauscht werden kann, der in einem anderen Schließfach das Geld deponieren soll. Eingedenk ihrer alten Freundschaft und einer alten Schuld willigt Max problemlos ein und erledigt das kleine Geschäft, bevor er sich, als Vulkanier verkleidet, zu seiner Arbeit begibt, wo er auch Jupp wieder zu treffen hofft.

Dieser kommt allerdings im Verlauf des Abends nicht, dafür eine junge Frau namens Carla, die eindeutig Südseeflair verbreitet und die über seltsame Umwege schließlich zunächst in Maxens Badewanne und später in seinem Bett landet. Am nächsten Tag ist sie verschwunden, jedoch taucht vor Maxens Tür eine andere gut aussehende Frau auf - Martine de St. Clair - eine ehemalige Sängerin im "Einarmigen Geiger" und eine ehemalige Geliebte Jupps, die diesen sucht. Keiner weiß wirklich, wo Jupp ist.

Nach einem arbeitsreichen Tag kommt Max am Freitag nach Hause und findet seine Wohnung durchsucht vor, was ihn ziemlich ärgert, und er verdächtigt zwei sehr kräftige Herren, die bereits im "Einarmigen Geiger" nach Jupp gesucht haben und vermutet ganz richtig, dass sie auf der Suche nach der geheimnisvollen Tasche waren. Wie diese beiden Herren wirklich aussehen, kann Max zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen, da sie beide Latexmasken mit dem Antlitz des Altbundeskanzlers Helmut Kohl trugen. Nach einer ausgiebigen Aufräumaktion ruft er alle alten Bekannten von Jupp an, um sie vor den beiden Herren zu warnen. Bei Martine erreicht er allerdings nur einen Anrufbeantworter. Seinen Mitinhaber Harry erreicht er zunächst gar nicht, weil dieser in Ahrensfeld ist, um dort am großen Feuerwehrfest teilzunehmen, wozu er zwei junge Hamburgerinnen, die er im "Einarmigen Geiger" aufgegabelte, eingeladen hat. Kurzentschlossen fährt Max nach Ahrensfeld, vermutend, dass sich Jupp dort befinden könnte, nur um dort zu erfahren, dass die beiden jungen Damen durchaus nicht zufällig im "Einarmigen Geiger" eingelaufen waren, denn auch sie sind auf der Suche nach Jupp. Und ihre Gründe dafür lassen sehr tief blicken. Besorgt begibt sich Tom zu Martine, die allerdings zwischenzeitlich überfallen wurde und im Laufe einer Vergewaltigung an einem Herzinfarkt gestorben ist. Auch hört er, dass die "Kanzler", die nach Aussagen von Martines Nachbarn im Haus waren, inzwischen das Personal des "Einarmigen Geigers" bedroht hat. Wenn auch erfolglos. Zusammen mit Harry - wie Stan Laurel und Oliver Hardy durch die weitere Handlung stolpernd - mit etlichen Filmzitaten im Handgepäck, macht sich Max auf die Suche nach den beiden "Kanzlern" und seinem alten Freund Jupp, der einige Erklärungen abzugeben hat.

Raymond Chandler meets Willi Ostermann - so könnte man diesen Roman, der jeden Freund der Stadt am quietschenden Rhein durch seine Sprache und seinen Witz erfreuen und viele Andere auf diese Metropole des Absurden neugierig machen wird, kurz umschreiben.

Stefan Winges wurde 1957 in Rheydt geboren. Er studierte Philosophie, Germanistik und Komparatistik in Bonn. Schon während des Studiums war er als Antiquar tätig, zuerst in Bonn, dann ab 1986 in Köln.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 07/2003)


Stefan Winges: "Honolulu Baby"
Emons, 2002. 239 Seiten.
ISBN 3-89705-256-3.
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