Theodor Storm: "Gedichte"


"... Ich sah es wimmeln, hasten, sich bekriegen
Und sah mich selbst bei den Gestalten auch."


In diesem Bändchen werden nebst ausgewählten Gedichten (wobei in folgende Themenbereiche unterteilt wurde: Natur und Liebe. Liedhafte Lyrik; Tod und Erinnerung. Reflektierende und elegische Lyrik; Erzählende Lyrik; Politisch-patriotische Lyrik) Sprüche und Widmungen sowie Exzerpte sowohl aus Briefen als auch aus Rezensionen und Vorreden geboten.


Die Zeittafel enthält Bemerkenswertes zur Person des Schriftstellers:
Einen (zurückgewiesenen) Heiratsantrag an eine Sechzehnjährige, die Hochzeit mit der Kusine Constanze (1846), die 1865 an Kindbettfieber stirbt. Die Eheschließung mit der erheblich jüngeren Dorothea Jensen (1866), eine stattliche Anzahl von acht Kindern. Die Berufstätigkeit als Rechtsanwalt, Richter, Verwaltungsbeamter. Die Diagnose von Magenkrebs im Alter von 70 Jahren.
Theodor Storm starb am 4. Juli 1888. In Erinnerung sind vorwiegend seine Prosawerke geblieben, beispielsweise die Novellen "Pole Poppenspäler", "Viola tricolor", "Aquis submersus", "Der Schimmelreiter" oder "Immensee".

Das ausführliche Nachwort (35 Seiten lang!) gibt Aufschluss darüber, wie Storm selbst seine Dichtung und die seiner Person zukommende Bedeutung innerhalb des Deutsch schreibenden Literaturbetriebes einschätzte:
"Von den lebenden Lyrikern respektiere ich gründlich nur einen: Eduard Mörike; und der ist mehr als ich."
Recht abschätzig waren seine Bemerkungen andere Schriftsteller betreffend:
"Goethe ist z.B. nach meiner Meinung, die wenigen kleinen vielgerühmten Sachen ausgenommen, noch ein rechter Schüler, weit ab vom Meister, in der Lyrik ..." Über ein Gedicht des Freundes Paul Heyse schrieb er: "... aber es berührt uns doch nicht, als ob es in ungehindertem Strom aus dem Urquell geflossen sei; ich fühle die Arbeit."
Annette von Droste-Hülshoff galt ihm "von allen dichtenden Frauen" als "die respektabelste poetische Kraft", wobei "auch hier die letzte Vollendung" fehle.

Wie im Nachwort folgerichtig ausgeführt wird, hat Storms eigene Lyriktheorie vielfach den Weg zu einer gerechten Würdigung seines Werkes verstellt, was u.a. in Wertungen wie "liedhaft-schlichte Innigkeit" (Brockhaus) oder "Provinzklassiker" erkennbar ist.

Immerhin gelang es Theodor Storm, seine eigene sprachliche Wirklichkeit abseits reiner Erlebnisdichtung weiterzuentwickeln und auf diese Weise (zumindest) in den Augen der Nachwelt die Lyrik seines Zeitgenossen Emanuel Geibel zu übertrumpfen ("Bei 99/100 des Publikums steht als Lyriker Em. Geibel wie ein Riese über mir, den ich stets in dieser Beziehung für höchstens zweiten Ranges angesehen habe.").

Passenderweise soll an dieser Stelle ein Auszug aus "Ein Epilog" den Abschluss bilden.
"... Und durch den ganzen Himmel rollen
Wird dieser letzte Donnerschlag;
Dann wird es wirklich Frühling werden
Und hoher, heller, goldner Tag.

Heil allen Menschen, die es hören!
Und Heil dem Dichter, der dann lebt
Und aus dem offnen Schacht des Lebens
Den Edelstein der Dichtung hebt!"

(kre; 01/2001)


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Reclam. 173 Seiten.
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Ein Buchtipp:

Jochen Missfeldt: "Du graue Stadt am Meer. Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert"

Zwischen Wolken und Meer, zwischen Romantik und Moderne - Jochen Missfeldt schildert das Leben eines der berühmtesten Dichter und Erzähler, die Deutschland im 19. Jahrhundert hervorgebracht hat. Mit seinen Gedichten gab Theodor Storm in der Generation nach Eichendorff, Heine und Mörike den Ton an. Storms Novellen - von "Immensee" über "Pole Poppenspäler" bis zum "Schimmelreiter" - berühren bis heute die Leser aller Generationen. Streng faktenbasiert erzählt Missfeldt, selber fest in Schleswig-Holstein verwurzelt, die Biografie dieses Zerrissenen, der als Rechtsanwalt arbeitete, das musikalisch-kulturelle Leben seiner Heimatstadt Husum prägte und mit den großen Schriftstellern seiner Zeit in Verbindung stand. (Hanser)
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