John Steinbeck: "Geld bringt Geld"


"Wo es um Geld geht, da sind die gewöhnlichen Verhaltensregeln auf Urlaub."

Dieser Roman, erstmals anno 1961 erschienen, ist eines der weniger bekannten Werke John Steinbecks, obwohl es sehr tiefschürfende Probleme des menschlichen Miteinander behandelt.
Ethan Hawley ist ein guter Mensch. Er hat eine attraktive und liebe junge Frau, zwei Kinder und einen Posten als Verkäufer in einem Lebensmittelgeschäft, das ihm vor seinem Bankrott selbst gehörte.  Dieser Bankrott hatte ihn kurz nach dem Krieg ereilt - wohl, weil er für das Geschäftsleben irgendwie zu nett zu sein schien. Aber er hat sich mit seinem Los abgefunden und zehrt emotional von der Berühmtheit seiner Vorfahren, die, mit Kaperbriefen bewaffnet, die umliegende See unsicher gemacht hatten. Doch eines Tages, an einem Karfreitag, wird Ethans Welt infragegestellt. Maria, seine Frau, macht ihm deutlich, dass sie nicht so gerne die Frau eines einfachen Verkäufers ist, und auch sein Chef stellt ihm gegenüber fest, dass er irgendwie zu nett fürs Geschäft sei.

Wenig später wird ihm von einem Vertreter ein kleines Bestechungsangebot unterbreitet, um den Lieferanten zu wechseln, das er allerdings ausschlägt. Dies ruft bei einigen Freunden, denen er davon erzählt, verständnisloses Staunen hervor. Denn schließlich würde doch damit niemand geschädigt, und jeder würde so etwas tun. Ethan wird nachdenklich und hinterfragt seine eigene Sicht der Welt. Ab Karsamstag beginnt er, rein experimentell, seine hohen ethischen Empfindungen beiseite zu legen, und bereits am Ostermontag erscheint er vielen Menschen in seiner Umgebung als neuer Mensch, vor dem man Angst, aber auch Respekt haben muss.

Verwirrt über seinen Erfolg, treibt Ethan das Spiel immer weiter, bis er sich schließlich ungeahnten finanziellen und gesellschaftlichen Möglichkeiten gegenüber sieht und viele, die zuvor gutmütig auf ihn herab geblickt haben, schauen nun verlegen zu Boden.

Dies ist aber nicht einfach die Geschichte eines Wandels von Paulus zu Saulus. Ethan verfolgt für sich selbst kein besonderes Ziel. Für seine Familie und speziell für Maria sucht er den geschäftlichen Erfolg, aber höchstpersönlich ist er nicht übertrieben daran interessiert. Er sieht nur erstaunt, wie schnell es ihm möglich ist, Erfolg zu haben, wenn er sich bestimmte Schranken nicht mehr auferlegt. Kurzfristig zieht er sogar einen Banküberfall in Erwägung - einfach um zu schauen, ob es auch funktionieren könnte.

Man kann diesen Roman wunderbar als Gegenpart zu Nick Hornbys "How to be good" lesen, da es hier nicht um jemanden geht, der davon ausgeht, dass er auf jeden Fall gut ist, sondern um jemanden, der einfach gut ist und deswegen immer auf der Verliererseite gestanden ist und nun auch einmal gewinnen möchte. Jedoch gefällt ihm das Gewinnen am Ende nicht. Dabei sind auch die größten emotionalen Krisen Ethans in einen mitreißenden Wortwitz gepackt, der mit seinen Wortspielen und Anspielungen auf verschiedene geisteswissenschaftliche Felder den Leser ständig auf Trab hält, so dass "Geld bringt Geld" sicherlich genauso viel Beachtung verdient, wie Steinbecks wesentlich bekanntere Werke, z.B. "Von Mäusen und Menschen", "Früchte des Zorns" und "Jenseits von Eden".

(K.-G. Beck-Ewerhardy)


John Steinbeck: "Geld bringt Geld"
(Originaltitel "The Winter of Our Discontent")
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John Steinbeck wurde am 27. Februar 1902 in Salinas, Kalifornien geboren. Nach seinem naturwissenschaftlichen Studium arbeitete er als Reporter und Maurer. Erst 1940 gelang ihm mit "Die Früchte des Zorns" der große Durchbruch, 1962 erhielt er den Nobelpreis für Literatur: " ... for his realistic and imaginative writings, combining as they do sympathetic humour and keen social perception".
John Steinbeck starb am 20. Dezember 1968 in New York.