Peter Fischer: "Frankfurts First Lady"

Die Petra-Roth-Geschichte


Die Frau an der Spitze von Deutschlands "unregierbarster" Stadt

Im Vorwort erwähnt der Autor Frankfurt am Main als Deutschlands angeblich unregierbarste Stadt, und auch wenn die Steigerung des Adjektivs "unregierbar" eigentlich vom logischen Gesichtspunkt her unstatthaft ist, trifft diese Aussage nicht erst seit den Krawallen rund um den Bau der Startbahn West des Flughafens die Wahrheit. Aber Frankfurt lässt sich nicht immer nach den Gesetzen der Logik charakterisieren. Dass eine Frau aus einer von Männern extrem dominierten Partei, dazu ohne Hochschulstudium, in dieser komplizierten Metropole die längste Amtszeit eines Oberbürgermeisters der Nachkriegszeit erreicht hat, verwundert daher vielleicht nur auf den ersten Blick.

Petra Roth wuchs als Kaufmannstochter in Bremen auf; sie war ein selbstbewusstes, lesefreudiges, sportliches Mädchen, das mit Puppen nicht viel anfangen konnte. Nach der Mittleren Reife ließ sie sich zur Arzthelferin ausbilden. Pläne, das Abitur nachzuholen und Medizin zu studieren, zerschlugen sich durch eine frühe Heirat, die sie nach Frankfurt führte. Die Ehe hielt nicht lange. Bald nach der Scheidung kam sie mit ihrem zweiten Mann zusammen, und sie brachte zwei Söhne zur Welt. Das Leben als Hausfrau und Mutter füllte sie jedoch nicht aus. Also begann sie 1972, sich in der Politik zu engagieren - im Ortsverband der CDU; Petra Roth hatte sich schon immer für Geschichte und Politik interessiert und viel darüber gelesen, außerdem wollte sie sich für Mütter und Familien einsetzen, denn diese waren in der aktiven Politik völlig unterrepräsentiert, und sie kannte aus ihrem Umfeld deren Probleme.

Die attraktive, engagierte junge Frau blieb nicht lange unbemerkt, weil sich ihr Verständnis für die sozialen Nöte ihrer Mitmenschen zeigte. Da sie es auch verstand, die richtigen "Lehrer" und Orientierungsfiguren für ihre Karriere zu wählen, kam sie rasch voran, obwohl die von Männern dominierte CDU es ihr nicht leicht machte. Über Ämter im ihr vertrauten sozialen Sektor wurde sie 1982 die Nummer 2 der Frankfurter CDU und übernahm bald darauf, in der eingangs erwähnten schwierigen Zeit, die Führung der Frauenunion. 1987 wurde Petra Roth in den hessischen Landtag gewählt.

Es war Helmut Kohl, der sie als Kandidatin für das Oberbürgermeisteramt vorschlug. In der Frankfurter CDU gab es zu dieser Zeit keine charismatischen Persönlichkeiten (im Gegensatz zu SPD und Grünen, die den gut aussehenden, gewieften amtierenden OB von Schoeler und schillernde Figuren wie Joschka Fischer und Tom Koenigs vorweisen konnten), und Kohl setzte auf das Alternativkonzept "gut aussehende, elegante, dynamische Frau" - für die CDU eine Rarität. Petra Roth hatte es im Wahlkampf besonders schwer, weil sie sich nicht nur gegen den beliebten von Schoeler durchsetzen musste, sondern auch gegen einige missgünstige Partei"freunde", die sie als "Hausfrau mit Ambitionen" sahen. Erst als Roth 1995 die Direktwahl auf Anhieb gewann, kam Respekt auf.

Leichter wurde es nicht für sie, zumal sie anfangs als CDU-Oberbürgermeisterin gegen die Parlamentsmehrheit und in ihrer zweiten Amtszeit in einem Viererbündnis aus CDU, SPD, Grünen und FDP regieren musste. Auch in ihrer eigenen Partei stieß sie in einigen Fragen auf Widerstand, etwa mit ihrer fortschrittlichen Drogenpolitik; ihr ging es um Bürgernähe, und von grauen Eminenzen ließ sie sich nie gängeln.

Petra Roths Erfolge können sich sehen lassen. Als Präsidentin des Deutschen Städtetags engagierte sie sich für die Rechte der Kommunen, und sie hat erfolgreich im In- und Ausland für den Wirtschaftsstandort Frankfurt geworben. Ihr Ziel, Frankfurt zu einem Zuhause für die Bürger zu machen, hat sie nie aus den Augen verloren. Sollten die Wähler ihr den Auftrag für eine dritte Amtszeit geben, könnte sie vielleicht ihre zukunftsträchtige Vision eines zentral verwalteten Stadtkreises Rhein-Main verwirklichen.

Freilich ist sie nicht unumstritten; manche Projekte gerade im teuren kulturellen Bereich wirbelten ebenso wie der geplante Flughafenausbau viel Staub auf, und die finanzielle Situation der Stadt kann man derzeit nur als desolat bezeichnen - was allerdings, eher unabhängig von den regierenden Parteien, für die meisten deutschen Kommunen gilt. Und wenn der Autor anmerkt, dass Petra Roth mittlerweile ähnlich wie ihr Mentor Helmut Kohl ziemlich beratungsresistent und als "Sonnenkönigin im Römer" ("Römer" wird das Frankfurter Rathaus genannt) ein wenig abgehoben sei, so mag er Recht haben.

"Die Petra-Roth-Geschichte" zeichnet unterhaltsam und feinfühlig (wenn auch manchmal doch allzu gewogen) die Biografie einer ganz außergewöhnlichen Frau nach, die den Weg nach oben unbeirrt beschritten hat, obwohl ihr Hilfen wie ein akademischer Titel und eine Frauenquote nicht zur Verfügung standen: Sie nutzte ihren gesunden Menschenverstand, ihr soziales Empfinden und natürlich auch ihren Charme. Ihre Biografie zeigt zudem, dass eine erfolgsverwöhnte Politikerin sich nicht nur bezüglich ihrer politischen Ziele, sondern auch im privaten Bereich durchaus treu bleiben kann - und dass sich der Erfolg zumeist nicht ohne die Überwindung zahlloser Stolpersteine einstellt. Aus der Petra-Roth-Geschichte lässt sich einiges lernen.

Die hochwertige und ansprechende Aufmachung einschließlich vieler, oft sehr persönlicher Fotos sticht bei diesem Buch ebenso hervor wie das fast perfekte Lektorat/Korrektorat (dass die Physikerin Angela Merkel als Chemikerin in Erscheinung tritt, würde sie vermutlich verzeihen). Der Erzählstil - Abschnitte über neuere Ereignisse werden durch Rückblenden voneinander getrennt - bietet Abwechslung, und neben den Details aus dem Leben der Frankfurter "OB" erfährt der Leser viel über die Probleme und aktuelle Politik in der "unregierbaren" Metropole im Herzen Europas: ein interessantes Buch beileibe nicht nur für Frankfurter.

(Regina Károlyi; 10/2005)


Peter Fischer: "Frankfurts First Lady"
Societäts-Verlag, 2005. 143 Seiten.
ISBN 3-7973-0924-4.
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