Manfred Reitz: "Spione, die die Welt bewegten"

Von den Pharaonen bis Mata Hari


Die wirklichen James Bonds aus über zwei Jahrtausenden und ihre Bedeutung im Lauf der Weltgeschichte

Dem ältesten Gewerbe der Welt gehen sie nicht nach, doch ihres ist kaum jünger: Spione. Seit Gruppen von Menschen oder auch Einzelne um Ressourcen oder Macht konkurrieren, dienen sie dazu, Machthabern und deren Handlangern Informationen über Pläne und Schwachstellen der Gegner zu beschaffen. Oftmals wird aber auch das eigene Volk im Sinne der Machterhaltung bespitzelt.

Manfred Reitz hat in seinem Buch zahlreiche Höhe- und Wendepunkte der Weltgeschichte skizziert und die Rolle von Spionen für das jeweilige Geschehen untersucht. Zudem wird die Arbeitsweise der unterschiedlichen Geheimdienste beschrieben.

Bereits die Pharaonen unterhielten Spione, vor allem, um sich vor Intrigen zu schützen, jedoch auch zu militärischen Zwecken. Während der Kriege zwischen Griechen und Persern gab es bereits ausgefeiltere Tricks, die es ermöglichten, geheime und verschlüsselte Botschaften durch Boten übermitteln zu lassen, die über die Inhalte der Schreiben nichts wussten und daher auch unter Folter keine Aussagen machen konnten. Unter Alexander dem Großen gab es einen effektiven Geheimdienst, ohne den der Makedonier vermutlich kein Weltreich errichtet hätte.

Aber auch Hannibals Karthago verstand es meisterlich, Spione einzusetzen. Außerdem besaßen die Karthager ein raffiniertes und für die Römer nicht zu entschlüsselndes System, Vorräte und Nachschub an Truppen anzufordern. Allerdings lernten die Römer von Hannibals Geheimdienst und schlugen Karthago letztlich zum Teil mit seinen eigenen Waffen. Die Imperatoren bauten diese Erkenntnisse systematisch aus; bald existierten hervorragende Kodierungen.

Im Mittelalter nahm die Bedeutung der Spionage weiterhin zu: zum Beispiel zwischen Päpsten und weltlichen Herrschern, zwischen den Parteien des Hundertjährigen Krieges, aber auch für Fehden und Feme innerhalb der Ritterschaft. Die berühmt-berüchtigten Herrscherfamilien in den italienischen Stadtstaaten der Renaissance übten dank ihrer Spitzel einen regelrechten Terror aus. Und die absolutistischen Herrscher sowie das Preußen der Restauration hätten ohne einen gut organisierten Geheimdienst mit Koryphäen wie Wilhelm Stieber kaum existieren können. Ein abschließendes Kapitel ist der glücklosen Doppelagentin Mata Hari gewidmet, und im Nachwort geht es um die technisierte Spionage des 20. Jahrhunderts.

Sachlich und dennoch packend schildert der Autor sowohl geschichtliche Hintergründe und Geheimdienstapparate als auch die Laufbahnen einzelner berühmt gewordener Spione. Der Höhepunkt ist zweifellos die schillernde Figur der Mata Hari, obwohl diese als Agentin wenig Bedeutung besaß. Geringerer Bekanntheit erfreut sich der französische Spion Karl Schulmeister, der den Österreichern zur Zeit Napoleons zusetzte und dabei zahlreiche Kabinettstückchen vollführte, die eines Films würdig wären. Reitz gelingt es, das Leben solcher Agenten anschaulich darzustellen und ihre Bedeutung zu vermitteln. Bei den meisten Herrschern besaßen Spione aufgrund ihrer verräterischen Tätigkeit wenig Ansehen, wurden aber als Notwendigkeit erkannt und oft fürstlich entlohnt.

Das Buch ist sehr ansprechend gestaltet; zu diesem Eindruck tragen auch die zahlreichen Illustrationen bei, zumeist Kampfszenen und Herrscherporträts aus der jeweiligen Zeit. Das Lektorat bzw. Korrektorat hätte allerdings sorgfältiger vorgenommen werden können.

Ein sehr interessantes Buch zu einem selten gewürdigten, aber nicht zu unterschätzenden Aspekt der Weltgeschichte!

(Regina Károlyi; 04/2006)


Manfred Reitz: "Spione, die die Welt bewegten"
Theiss-Verlag, 2006. 190 Seiten.
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