Norman Spinrad: "Bug Jack Barron" / "Champion Jack Barron"

Norman Spinrad schafft es immer wieder, sich bei offiziellen Stellen unbeliebt zu machen. In vielerlei Hinsicht ist er der definitive unbequeme SF-Autor. 


In dieser überarbeiteten Fassung seines 1969 erschienen Romans beschäftigt er sich mit dem Format der Enthüllungs-TV-Show und ihrer politischen und gesellschaftlichen Wirkung. Dabei nimmt er Einiges vorweg, was wir heute bei einer kritischen Betrachtung von Medienberichterstattung zu politischen und gesellschaftlich relevanten Themen immer wieder sehen. Als dieser Roman herauskam, wurde er von einigen schreibenden Zeitgenossen als "heruntergekommen, zynisch, absolut abstoßend und durchweg degeneriert" bezeichnet (Donald A. Wollheim), und sogar das britische House of Parliament hat sich gegen diesen Roman ausgesprochen. Auf der anderen Seite sieht zum Beispiel Michael Moorcock "Bug Jack Barron" als mindestens so wichtig wie "1984" an und stellt den Roman außerdem auf eine Stufe mit J. G. Ballard. Und das ist wirklich ein hohes Lob von einem wesentlich bekannteren SF-Autor.

Jack Barron ist ein Ex-Kommunist und Ex-Hippie, der es zu nationaler Berühmtheit gebracht hat durch seine Fernsehshow, in der jeden Mittwoch Leute anrufen können, die irgendein Problem mit den Schönen und Mächtigen haben. Jack gibt ihnen ein Forum für das, was sie "bugged" (ärgert) und erklärt, dass ihn das dann auch stört. Eines Tages ruft ein Mann an, der wütend ist, weil die Human Immortality Foundation, die Menschen kurz nach ihrem Tode einfriert, um sie zu einem späteren, besseren Zeitpunkt wieder aufzutauen, nicht bereit ist, ihn einzufrieren. Dies liegt seiner Meinung nach daran, dass er schwarz ist. Tatsächlich liegt es aber daran, dass er nicht die notwendigen $ 500.000 flüssig hat, die die Foundation für diesen Service nimmt. Als der Inhaber der Firma, Howard Benning, dies später klarstellt, rutscht ihm auch noch fast heraus, dass die Unsterblichkeitsforschung der Firma bereits erste Erfolge erzielt hat. Bevor Jack ihm im Fernsehen das Leben zur Hölle machen kann, bietet ihm Howard einen freien Einfriervertrag an, worauf Jack aber nun doch etwas stutzig wird. Als auch noch seine lange vermisste Exfrau durch Howards Manipulation wieder in sein Leben tritt und ihm Howard auch noch das Ewige Leben anbietet, forscht er beständig weiter nach. Dabei stößt er auf Menschen, denen Unbekannte für ihre Kinder einen immens hohen Betrag gezahlt haben, und er muss sich nun fragen, was mit diesen Kindern geschehen ist.

Gleichzeitig versuchen Vertreter der politischen Rechten und der politischen Linken in einer seltenen Koalition, Howard Benning und den von ihnen finanzierten demokratischen Präsidentschaftskandidaten zu besiegen, indem sie versuchen Jack zu überreden, sich für sie nominieren zu lassen. Und plötzlich ist Jack aus der bis dahin ruhigen Welt des Showgeschäfts in die bitteren politischen Realitäten gestoßen, und er erkennt, dass Macht genauso eine Droge sein kann wie die Joints, die er in seiner Jugend geraucht hat.

Obwohl 1969 erstmals erschienen, ist dieser Roman in seiner Thematik immer noch sehr aktuell, und seine Sprache ist in der Originalfassung wirklich ein Werk für sich. Burgess Sprachstil aus "Clockwork Orange" in einem ständig die Perspektive wechselnden Bewusstseinsstrom macht diesen Roman nicht unbedingt leicht zu lesen, dafür aber in seiner Wirkung auf die Leserin und den Leser unglaublich unmittelbar. Trotz der sehr zerebralen Thematik greift dieser Roman darum auch an eher tieferliegende Entscheidungsorgane, was sicherlich erklärt, warum er von einigen Kritikern als obszön oder pornografisch gesehen wurde. Sicherlich ein Roman, der zu Unrecht der breiten Leseöffentlichkeit nicht bekannt ist.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 04/2003)


Norman Spinrad: "Bug Jack Barron"
Englische Ausgabe:

CT Publishing, 1999. 254 Seiten.
ISBN 1-902002-18-0.

ca. EUR 11,03.
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Deutsche Ausgabe:
Heyne
, 1998. 479 Seiten.
ISBN 3-453-14889-4.

Die Rezension eines weiteren Romans von Norman Spinrad finden Sie hier ...