Hofrat Ludwig Petzendorfer: "Schriftenatlas"

Eine Sammlung von Alphabeten, Initialen und Monogrammen


Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um einen unveränderten Nachdruck der Ausgabe von Julius Hoffmann, Verlag Stuttgart 1903-1905. Den Buchrücken ziert eine Passage, welche u.a. folgende Information enthält: "Der Schriftenatlas zeigt die wichtigsten Schreib- und Druckschriften bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts hinein."

Es wäre im Sinne der Neuauflage eines mittlerweile 100 Jahre alten Buches interessant gewesen, einen geschichtlichen Kontext einzubringen, der die Entwicklung der diversen Schreib- und Druckschriften, künstlerisch ausgeführter Schriftanwendungen, Tafeln, Initialen, Monogramme und Signets darstellt. Leider bleibt dem Betrachter der reichhaltigen Schriften verschlossen, in welchem Zeitraum sich die Entwicklung dieser "beweglichen Lettern" abspielte.
Durch das Fehlen hintergründiger Informationen tut sich ein Atlas auf, der für sich allein stehen muss.

Freilich ist die Vielfalt der Schriften, und insbesondere der Initialen und Signets beeindruckend; aber wer steckt hinter den Schriften? Welche Werke wurden eventuell mit Hilfe dieser Schriften bedruckt? Wie arbeiteten die Gießereien? Wie sieht es um die Biografie jener Personen aus, die spezifische - oft künstlerisch hochwertige - Schriften geschaffen haben? Wann entstanden die einzelnen Schriften, und wie bzw. in welchem Ausmaß fanden sie Verbreitung?

Das sind nur einige Fragen, die sich für einen Menschen eröffnen, der den "Schriftenatlas" von Ludwig Petzendorfer aufschlägt.
So sehr diese Schriften auch künstlerisch bestechen: Es ist, als läsen wir ein Buch, ohne etwas vom Autor zu wissen ...

Neben den Erzeugnissen deutscher Schriftgießereien sind auch jene der ersten amerikanischen, englischen und französischen Gießereien vertreten. Zweifellos hochinteressant, Vergleiche anzustellen, und die Kunstfertigkeit zu bewerten zu suchen. Eine hintergründige Beleuchtung gerade aus Sicht der verschiedenen Länder bzw. Kontinente hätte jene Verwirrung eliminiert, der auch der Rezensent sich nicht entziehen kann.

Ich mag Filme, in denen Autoren gezeigt werden, die ihre handschriftlich mühsam zu Papier gebrachten Romane in "den Druck gehen lassen wollen". Es ist kaum zu glauben, dass dieses Vorgehen lange Zeit üblich war, wodurch u.a. den Schriftgießereien eine außerordentlich wichtige Rolle zukam. Somit mag sich der Betrachter des "Schriftenatlas" jener Autorinnen und Autoren erinnern, die über den Schriften, mit denen ihre Werke verziert worden waren, in Begeisterung ausbrachen bzw. ob der hohen Kosten, welche sie selbst zu begleichen hatten, in tiefe Beunruhigung verfielen.

Die fehlenden Hintergründe außer Acht lassend, ist der "Schriftenatlas" von Ludwig Petzendorfer eine bemerkenswerte Rarität, die nunmehr dem Publikum des 21. Jahrhunderts Einblicke in längst vergangene schriftgießerische Kunstfertigkeit zu vermitteln vermag.

(Al Truis-Mus; 09/2004)


Ludwig Petzendorfer: "Schriftenatlas"
Marixverlag, 2004. 142 Seiten.
ISBN 3-937715-58-4.
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Ein Buchtipp:

Carl Faulmann: "Schriftzeichen und Alphabete aller Zeiten und Völker"
Die unerschöpfliche Fundgrube für Kalligrafen, Sprachforscher, Grafiker, Völkerkundler, Archäologen, Historiker und alle, die sich für diese Gebiete interessieren. Dieses einzigartige Werk, 1878 zum ersten Mal erschienen, enthält außer den bekannten abendländischen Schriften und Alphabeten auch solche exotischen wie die der nordamerikanischen Indianer, Mormonen, Amarer, Kopten, Kanaaniter, Syrer, Inder, Tartaren, Tibeter, Chinesen und viele andere mehr. Die Runen der Goten sind genauso zu finden wie alte Keilschriften und Hieroglyphen. Nicht zuletzt auch ausgefallenes Europäisches wie Welsch, Lettisch, Ungarisch und verschiedene Stenografieschriften.
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