Frank Schätzing: "Der Schwarm"


Das Meer schlägt zurück - in Frank Schätzings Thriller erwächst der Menschheit eine unvorstellbare Bedrohung aus den Ozeanen.

"Der Schwarm" ist Frank Schätzings erster Roman bei Kiepenheuer & Witsch und gleichzeitig auch der seitenstärkste Roman, den dieser Verlag bisher herausgebracht hat. Und das, obwohl der zuständige Lektor einiges an Kürzungen und Streichungen bewirkt hat, wie uns die Danksagungen am Ende des Buchs versichern.

Im Ökosystem ist der Wurm drin. Und dies ist - zumindest teilweise - nicht im übertragenen Sinn gemeint, wie Professor Sigur Johanson feststellt, als er einige Untersuchungen für eine Offshore-Gesellschaft macht, die gerne eine submarine Roboterförderanlage in der Nordsee einrichten möchte. Denn bei der Erkundung des möglichen Fördergebietes taucht eine seltsame Art von Wurm auf, der sich auf dem Meeresgrund in Methanhydrate - unter extremem Druck vereistes und verfestigtes gebundenes Reinmethan - eingräbt und dieses damit destabilisiert.

Vor der peruanischen Küste verschwinden kleine Fischerboote bei hervorragendem Wetter mit glasklarer Sicht absolut spurlos - was in der Weltpresse allerdings zunächst keine Erwähnung findet. Wen interessieren schon peruanische Fischer. Da sind Wale schon wesentlich interessanter, und Leon Anawak - ein Inuit, der sich innerlich stark von seinen kulturellen Wurzeln distanziert hat - stellt fest, dass dem Waltourismusunternehmen, für das er arbeitet und forscht, ganz neue Gefahren drohen. Zunächst bleiben die üblichen Wanderungswale aus, und dann beginnt ein ehemaliger Kollege und Freund - Greywolf, ein Halbindianer, der seinen kulturellen Wurzeln wesentlich näher steht - eine Kampagne gegen den Waltourismus, in dem Leon eigentlich die Rettung der verbleibenden Wale sieht. Bei einer Auseinandersetzung zwischen Umweltschützern und Waltouristen auf dem offenen Meer tauchen auf einmal auch die lange vermissten Streitobjekte wieder auf und beginnen in erschreckender Koordination zwischen verschiedenen Walarten die Boote anzugreifen und Menschen zu töten. Nur mit Mühe können die beiden Indianer die meisten der Anwesenden retten.

Kurz darauf wird Leon als Berater zu einer Reederei gerufen, weil eines ihrer Schiffe auf überaus seltsame Art und Weise auf hoher See außer Gefecht gesetzt wurde. Etwas, das aussieht wie Zebramuscheln, hat die Ruderanlage und den Rotor besetzt und das Schiff bei sehr hohem Rudereinschlag unmanövrierbar gemacht. Als das Schiff von einem Schlepper an die Kette genommen wird, tauchen auf einmal Wale auf und lassen sich auf diese Kette fallen, was den Schlepper unter Wasser reißt. Als Doktor der Cetologie wird Leon nun in beratender Funktion hinzugezogen.

Zur gleichen Zeit explodiert in einem französischen Edelrestaurant ein noch lebender Hummer einem Koch ins Gesicht und infiziert diesen mit einer hochtoxischen Alge, die sich sehr schnell auf dem europäischen Kontinent auszubreiten beginnt. Kurze Zeit später macht eine Invasion von ähnlich infizierten Krebsen die Städte New York und Washington zu Pesthöllen. Immer mehr Schiffe werden von Walschulen angegriffen, und die Aktivität großer Mengen der eingangs erwähnten Würmer setzt erhebliche Mengen Methan frei, die zunächst "nur" die Oberflächenspannung der Meere lokal auflöst, so dass Schiffe von einem Moment auf den anderen wie Steine zum Meeresgrund fallen. Der Golfstrom - eine der Grundlagen unseres Klimasystems - setzt, zunächst noch unbemerkt, aus. Gerade als die UNO unter der Federführung der US-Amerikaner auf die Suche nach sehr effektiven Bioterroristen geht, brechen in der Nordsee die Kontinentalschelfe ein, und Tsunamis toben durch die Nordsee und vernichten die wichtigsten Städte aller Anrainerstaaten. Und das ist - man mag es kaum glauben - erst der Anfang!

Gegenüber den Mächten der Natur und der Geologie ist der Mensch wesentlich machtloser als er es sich normalerweise gern eingesteht. Und die meisten Menschen sind sich des ganzen Ausmaßes dieser Mächte in der Regel auch gar nicht wirklich bewusst - was vielleicht auch seine Vorteile hat. Wer seine Ignoranz in diesem Bereich bewahren möchte, sollte einen großen Bogen um dieses Buch machen, das im Rahmen seiner Erzählung all diese Dinge sehr kenntnisreich und ausführlich deutlich macht. Schätzing greift dabei auf ein Heer von Experten zurück und macht diesen Roman damit ähnlich lehrreich und aufklärerisch wie "Lautlos" es über die Zusammenhänge des internationalen Terrorismus war. Vor dieser Wissensvermittlung und den Charakterstudien der Figuren tritt die Handlung gelegentlich in den Hintergrund - wofür man aber ausgiebig durch fingernagelzerfetzend spannende Abschnitte schnell wieder entschädigt wird. Das Ende des Buchs wird vielen Lesern etwas unbefriedigend erscheinen, aber dies ergibt sich einfach aus der logischen Konsequenz des Vorhergegangenen und wird damit der Grundidee des Romans vollständig gerecht.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 03/2004)


Frank Schätzing: "Der Schwarm"

Frank Schätzing, geboren 1957, veröffentlichte 1995 den historischen Roman "Tod und Teufel". Nach zwei weiteren Romanen und einem Band mit Erzählungen erschien 2000 der Erfolgsroman "Lautlos", ein politischer Thriller über den Weltwirtschaftsgipfel 1999. Frank Schätzing lebt und arbeitet in Köln; er erhielt den "KölnLiteraturpreis 2002".

Zwei weiterere Romane des Autors:

"Limit"

Mai 2025: Die Energieversorgung der Erde scheint gesichert, seit die USA auf dem Mond das Element Helium-3 fördern. Bahnbrechende Technologien des Konzerngiganten "Orley Enterprises" haben die Raumfahrt revolutioniert, in einem erbitterten Kopf-an-Kopf-Rennen versuchen US-Amerikaner und Chinesen, auf dem Trabanten ihre Claims abzustecken.
Während der exzentrische Konzernchef Julian Orley mit einer Schar prominenter Gäste zu einer Vergnügungstour ins All aufbricht, soll Detektiv Owen Jericho, den eine unglückliche Liebe nach Shanghai verschlagen hat, die untergetauchte Dissidentin Yoyo ausfindig machen. Was nach Routine klingt, ist tatsächlich der Auftakt zu einer alptraumhaften Jagd von China über Äquatorialguinea und Berlin bis nach London und Venedig. Denn auch Andere interessieren sich für Yoyo, die offenbar im Besitz streng gehüteter Geheimnisse und ihres Lebens nicht mehr sicher ist.
Jericho muss sich mit der bildschönen, aber ziemlich anstrengenden Chinesin zusammentun, um den phantomgleichen Gegnern auf die Spur zu kommen. In einer Zeit, in der multinationale Konzerne der Politik zunehmend das Zepter aus der Hand nehmen, führen beide einen verzweifelten Kampf ums Überleben, gehetzt von einer Übermacht hochgerüsteter Killer. Die Suche nach den Drahtziehern führt mitten hinein in die Wirren afrikanischer Söldnerkriege, Machtkämpfe um Öl und alternative Energien, Vorherrschaftsträume im Weltraum - und zum Mond, auf dem sich Orleys Reisegruppe unvermittelt einer tödlichen Bedrohung gegenüber sieht. (Kiepenheuer & Witsch) zur Rezension ...
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