Heidi Rehn: "Thonets Gesellen"

Historischer Kriminalroman

Vor dem authentischen Hintergrund der Entstehung der Thonet-Möbel entwirft die Autorin das lebendige Bild einer Vergangenheit, in der Konfessionsstreitigkeiten den Nährboden für Verdächtigungen, Hass, Mord und Totschlag abgeben.


Wir befinden uns im Rheintal um das Jahr 1840. In einer Werkstatt in Boppard versucht Meister Michael Thonet mit einigen evangelischen Hilfsarbeitern die Produktion für eine neue Form der Möbelherstellung anzukurbeln, bei der in großen Mengen und zerlegbar für den Transport hergestellt werden sollen. Dabei ergeben sich für ihn ganz unterschiedliche Probleme. Zum Einen durch seine Geldgeber, die gerne ihr Risiko mehr streuen möchten. Dann durch die Nachbarn, die den Geruch des Leims, der zum Biegen des Holzes benötigt wird, nicht mögen, und dann durch die anderen Bewohner Boppards, die die hinzugezogenen Evangelischen aus preußischem Gebiet nicht besonders leiden können, da ihnen bereits die evangelisch-preußische Verwaltung, die seit der Vertreibung der Franzosen in Boppard die Zügel in der Hand hat, nicht zusagt. Dann ist da noch sein Sohn Franz, der sich durch den Gesellen Martin Altdorf in der Gunst des Vaters zurückgesetzt fühlt, was zusätzlich für Unfrieden in der Werkstatt sorgt.

Als eine junge Frau tot aufgefunden wird, spitzt sich die Situation für die Evangelischen in Boppard weiter zu. Während unter der Regie des Polizeidieners Müller die Ermittlungen sehr behutsam - aber auch sehr gründlich und vorurteilsfrei - vonstatten gehen, bilden sich die Bürger rasch eine eigene Meinung über den Fall. Denn kein ortansässiger Katholik hätte die junge Frau zuerst schwängern und dann töten können. Es muss also jemand Anderer gewesen sein, und da bieten sich die ungeliebten Evangelischen, die gerade versuchen, eine Kirchengemeinde in Boppard einrichten zu lassen, als Übeltäter hervorragend an. Besonders, da Martin Altdorf vor einigen Monaten mit der Getöteten auf einem Dorffest sehr ausgiebig und leidenschaftlich getanzt hat. So kommt es zu einem Auflauf mit Schlägerei in der Thonetschen Werkstatt, bei der auch ein Teil der Produktion zu Bruch geht.

Kurz darauf ist Martin Altdorf verschwunden, und der gegen ihn aufgekommene Verdacht erhärtet sich folglich. Doch der Polizeidiener ist nicht so ganz überzeugt. Gefangen zwischen den Interessen seiner Nachbarn, seines Bürgermeisters und der preußischen Verwaltung muss er sich nun tiefer in die Abgründe der Politik begeben, als er dies jemals geplant hatte, um einen Aufstand in seinem friedlichen kleinen Boppard - und damit einhergehende Lynchjustiz, die er bereits früher erlebt hat - zu verhindern.

Ein anregend geschriebener Roman, der die Spannung im Rheintal zwischen der französischen Besetzung und dem Vormärz einfängt und einen Teil der Hintergründe dieser Spannungen gut illustriert. Außerdem wird auch deutlich, wie das "Prinzip Ikea" entstanden sein könnte, und man erfährt etwas über den Weg zum Stuhl Nr. 14, welcher der Wiener Kaffeehausstuhl schlechthin werden sollte.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 05/2005)


Heidi Rehn: "Thonets Gesellen"
Emons, 2005. 304 Seiten.
ISBN 3-89705-372-1.
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Heidi Rehn, Jahrgang 1966, wuchs in Boppard auf, blieb nach ihrem Studium der Germanistik und Geschichte in München und arbeitet dort als freie Journalistin und Autorin. Lien zur Netzseite der Autorin: http://www.dierehn.de.

Ein weiteres Buch der Autorin:


"Theos Erbe"

Onkel Theo ist tot. Linda Homberg, seine Nichte, macht sich bestürzt auf den Weg in ihre alte Heimatstadt Boppard am Mittelrhein. Dort setzt Werner, Freund und Nachbar des Toten, alles daran, sie von dem friedlichen Ableben ihres Onkels zu überzeugen. Doch etwas stimmt nicht. Als Linda einen merkwürdigen Brief in Theos Nachlass findet, der ihn als hinterhältigen Erpresser entlarvt, ist sie davon überzeugt, dass er alles Andere als friedlich sterben durfte. Bei ihren Recherchen, die sie quer durchs Rheintal führen, bröckelt die Fassade der idyllischen Heimat zusehends: Linda muss erkennen, dass es "bei uns in Boppard" ganz gewaltig hinter den Kulissen knarrt.
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