Betty Paoli: "Was hat der Geist denn wohl gemein mit dem Geschlecht?"


Betty Paoli war die erste Journalistin Österreichs. Franz Grillparzer bezeichnete sie als "den ersten Lyriker Österreichs". Heute scheint sie in Vergessenheit geraten zu sein. Dies ist umso mehr Anlass für die Herausgeberin, ihr dieses Buch zu widmen und ihre Leistungen auf diese Weise nach langer Zeit wieder zu würdigen.

Nach nicht eindeutigen Quellen ist Barbara Elisabeth Glück - so ihr bürgerlicher Name - die Tochter einer Belgierin und eines österreichischen Arztes. Sie wird im Jahre 1814 in Wien geboren. Der Vater verstirbt früh, die Mutter verspekuliert das hinterlassene Vermögen, und Betty sieht sich früh gezwungen, für Lebensunterhalt zu sorgen.
Sie verdingt sich als Gouvernante und Gesellschaftsdame. Auch ihre Mutter verliert sie noch in der Jugendzeit. Schon bald ist es ihr möglich, erste Gedicht zu veröffentlichen. Die Resonanz ist sehr erfreulich. Von ihren Werken alleine kann sie jedoch nicht leben, und so beginnt sie als Journalistin für namhafte Zeitungen tätig zu sein.
In ihren Feuilletons fordert sie immer wieder Bildungszugang und die Öffnung der Berufswelt für Frauen. Sie tut dies nicht aus Emanzipationsbedürfnis, sondern ist dabei von Pragmatismus geleitet. Zu viele Frauen bleiben ohne Ernährer und ohne wirkliche Berufschancen zurück. Trotzdem wird von Paoli die klassische Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern nicht hinterfragt.

Neben diesem Engagement macht sie in ihren Rezensionen von schriftstellerischen Werken auf neue Talente aufmerksam. Sie ist eine anerkannte Kritikerin. Annette von Droste-Hülshoff ist beispielsweise eine von ihr sehr geschätzte und geförderte Künstlerin.
Betty Paoli verbringt ein langes Leben, in dessen Zentrum die Kunst und der Kampf um Anerkennung geistiger Leistungen von Frauen stehen. Sie erringt eine Position, die es ihr erlaubt, ihre Stimme für eine breitere Öffentlichkeit hörbar zu machen.
Als letzten Ruheplatz teilt ihr die Gesellschaft aber dann doch nur ein Ehrengrab für "Halbberühmtheiten" zu.

(ama; 12/01)


Betty Paoli: "Was hat der Geist denn wohl gemein mit dem Geschlecht?"
Hrsg. Eva Geber.
Mandelbaum, 2001.
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