"Necrophobia. Die besten Horrorgeschichten der Welt - 1"

(Hörbuchrezension)

Geschichten von Brian Lumley, Joe R. Lansdale, H. P. Lovecraft, Gustav Meyrink, Richard Laymon und Graham Masterton.


Gänsehaut für die Ohren

Die vorliegende Sammlung von Horrorkurzgeschichten beinhaltet bekanntere und weniger bekannte Autoren. Abgesehen von ihrer jeweiligen erzählerischen Qualität kann man feststellen, dass die Vortragenden ihr Handwerk verstehen, wobei sie durch die Musik Andy Materns hervorragend unterstützt werden. Ansonsten sollte man allerdings die Bemerkung "Abspielen auf eigene Gefahr" wirklich ernst nehmen, denn Personen mit lebhaftem Vorstellungsvermögen und schwachem Magen werden sich hier bald an gewissen Grenzen sehen. Und dies eigentlich schon von Anfang an.

CD 1:
Brian Lumley: "In der letzten Reihe"; übersetzt von Heiko Langhans.
Diese Geschichte spielt in einem schmuddeligen Kino, wo ein älterer Herr - wie er glaubt - unfreiwilliger Zeuge des Liebesspiels eines jungen Paares wird. Er fühlt sich in dieser Situation sehr unbehaglich - aber längst nicht so unbehaglich, wie zu dem Zeitpunkt, als das Licht im Kino wieder angeht und er sich umdreht ... "In der letzten Reihe" beginnt auf einer psychologisch sehr plastischen Ebene, ein positiver Einstiegseffekt, der aber später durch andere plastische Darstellungen etwas gebrochen wird.
Joe R. Lansdale: "Mein toter Hund Bobby"; übersetzt von Joachim Körber.
Hier wird von den Erfahrungen eines geistig stark derangierten Ich-Erzählers mit seinem Hund und seiner Familie erzählt. Es lässt sich über den Inhalt nichts verraten, ohne die Hörer einiger Überraschungen zu berauben; deswegen nur so viel: erstaunlich, wenngleich verstörend. Dabei sehr überzeugend erzählt und vorgetragen.
H.P. Lovecraft: "Pickmans Modell"; übersetzt von Andreas Diesel und Franz Festa.
Dies ist mit 43 Minuten und 18 Sekunden die längste Geschichte dieser Sammlung, was natürlich auf H.P. Lovecrafts umfängliche Beschreibungen von verstörenden Bildern zurückzuführen ist, die durch Lutz Riedel sehr überzeugend dargeboten werden. Der Ich-Erzähler sitzt mit seinem Zuhörer bei einigen Drinks zusammen und berichtet ihm von seiner Bekanntschaft mit dem mittlerweile verschwundenen Maler Pickman, der durch seine Art des Auftretens und durch die verstörenden Motive seiner Bilder in der Bostoner Kunstszene erst für Aufregung sorgte, bevor sich mehr und mehr Leute von ihm abwendeten, weil der Künstler ihnen Angst einflößte. Da Pickman einige Bilder schuf, die er seinem normalen Publikum nicht zumuten konnte, besaß er in einem versteckten Teil Bostons in einem alten Keller ein Atelier, wo er seine "größten Meisterwerke" kreierte. Diese Erzählung beschreibt den einzigen Besuch des ungenannten Ich-Erzählers ebendort.

CD 2:
Gustav Meyrink: "Das Präparat"
Diese Geschichte aus dem Jahr 1913 kann als Vorläufer der beiden "Anatomie"-Filme gelten und ist in Darstellung und Verlauf auch ungefähr so verstörend wie diese, wobei sogar noch ein wenig über die Prämissen des ersten Films hinausgegangen wird. Diese und die anderen Geschichten auf der zweiten CD sind - anders als jene der ersten CD - keine Ich-Erzählungen, sodass ihre Wirkungen eher indirekt entstehen.
Richard Laymon: "Der Pelzmantel"; übersetzt von Andreas Diesel.
Zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes beschließt die Hauptfigur dieser Geschichte, wieder einmal ins Theater zu gehen - und zwar, um das Musical "Cats" zu sehen, das sie mehrfach mit ihrem Mann angeschaut hatte. Dabei zieht sie den wunderschönen Hermelinmantel an, der eines der nachhaltigsten Erinnerungsstücke an ihren Mann ist, sie in vielerlei Hinsicht glücklich gemacht hat und dies auch immer noch tut. Der Abend ist ein voller Erfolg, bis sie das Theater verlässt und zwei fanatischen Tierschützerinnen mit Sprühdosen in die Arme läuft, die ihren Mantel mit roter Farbe besudeln wollen. Eine wilde Verfolgungsjagd beginnt, deren Ende vielleicht nicht jedem zusagen wird, der bis zu diesem Zeitpunkt der Geschichte mit Interesse gefolgt ist ...
Graham Masterton: "Ein gefundenes Fressen"; übersetzt von Hans Gerwien.
Diese Geschichte spielt in der Fleischfabrik zweier Brüder, wo einem der beiden ein fürchterlicher Unfall zustößt, der den anderen zu einer überaus fragwürdigen Handlung veranlasst. Diese Handlung zeitigt zunächst unerwartete positive Erfolge, bevor der überlebende Bruder auf tragische Weise einem rächenden Schicksal zum Opfer fällt, dessen logische und moralische Rechtfertigung aber irritieren muss.
Die zum Teil extrem detailfreudigen Beschreibungen von "unangenehmen Dingen" dürften viele Konsumenten das Hörbuch nach dieser Geschichte eher kritisch sehen lassen.

Der auf der CD-Hülle angebrachte, bestimmt auch kommerziell gedachte "Warnhinweis", "Achtung! Abspielen auf eigene Gefahr", ist meines Erachtens nicht verkehrt. Die Geschichten sind handwerklich wunderbar präsentiert, aber sicherlich nicht für jeden verdaulich.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 05/2004)


"Necrophobia. Die besten Horrorgeschichten der Welt - 1"
Lübbe, 2003. 2 Audio-CDs. Laufzeit: ca. 137 Minuten.
ISBN 3-7857-1388-6.
Hörbuch bestellen