Preethi Nair: "Der Duft der Farben"


Roman über eine mutige Frau zwischen zwei Kulturen

Nina ist als Tochter indischer Eltern in London aufgewachsen. Seit ihre Schwester mit einem "Weißen" durchgebrannt ist, haben ihre Eltern alle ihre Erwartungen in Nina gesetzt, und Nina hat diese Erwartungen ergeben erfüllt. Statt Malerin zu werden, wie es ihrer Neigung und ihrem Talent entsprochen hätte, hat sie der Forderung des Vaters gemäß Jura studiert und vertritt als Anwältin zweitklassige Künstler. Den Bemühungen ihrer Eltern, sie mit einem reichen indischstämmigen Mann zu verheiraten, hat sie bisher trotzen können. Heimlich unterhält sie eine Beziehung zu einem Franzosen.

Als Ninas Freundin Ki sechsundzwanzigjährig stirbt, der einzige Mensch, der ihr außer ihrem Freund Halt geben konnte, wird sich die junge Frau der oktroyierten Eintönigkeit ihres Lebens bewusst. Dann muss sie feststellen, dass ihr Freund sie betrügt. Ihre Welt bricht völlig zusammen.
In ihrer Verzweiflung und dem Empfinden völliger Sinnlosigkeit gibt sie dem Drängen der Eltern nach und verlobt sich mit einem von deren Wunschkandidaten, der ihr nicht unsympathisch ist, für den sie jedoch beim besten Willen keine Liebe empfinden kann. Zugleich provoziert sie ihre Kündigung, mietet heimlich ein Atelier und beginnt leidenschaftlich zu malen, während sie ihren Eltern vorgaukelt, ins Büro zu gehen. Die Bilder, die sie malt, spiegeln ihr Inneres wider, sie sind farbintensiv, abstrakt und authentisch, und sie signiert mit "Foruki" - "For u Ki" - "Für dich, Ki".

In einem Geschäft für Bilderrahmen fällt ihr erstes Bild einem europaweit bekannten Galeristen auf, der es kaufen will und fragt, wer Foruki sei. Nina muss einen japanischen Künstler erfinden. Das Interesse aber macht ihr Mut, sie organisiert eine Ausstellung und gibt sich dabei als Forukis Agentin aus. Der Inhaber der kleinen Galerie, in der die Ausstellung stattfindet, durchschaut sie, nicht aber den Umfang und die Dichte des Lügengeflechts, in dem sich Nina immer mehr verfangen hat. Die beiden verlieben sich zaghaft ineinander. Und dann stürzt das Lügengebäude um Nina wie ein Kartenhaus zusammen. Wieder steht sie vor einem gewaltigen Scherbenhaufen.

Die Zerrissenheit einer Frau zwischen zwei unterschiedlichen Kulturen wird in kaum einem anderen Roman so intensiv geschildert wie in "Der Duft der Farben". Nina lebt von klein auf unter dem Diktat der Pflichterfüllung, das umso unerbittlicher auf sie einwirkt, als sie den Eltern die nach deren Meinung missratene Schwester ersetzen muss. So lange sie ihre kleinen Fluchten hat, ihre Freundin und Seelenverwandte Ki und den Mann, dessen Liebe sie sich sicher ist, kann Nina dieses Leben ertragen, aber der Rückhalt der beiden verleitet sie auch dazu, die überfällige Entscheidung für ihr eigenes Leben aufzuschieben.

Der Glaube an Kis Nähe über den Tod hinaus hilft ihr schließlich, sich ihrer eigenen Persönlichkeit bewusst zu werden und zu stellen.

Dieser Roman enthält trotz der sich zuweilen beinahe überschlagenden, turbulenten und spannend konzipierten Handlung eine bemerkenswerte Tiefe und Melancholie, die den Leser tief anrührt. Die Charaktere wirken authentisch und sind individuell gezeichnet. Im Zentrum des Buchs stehen die Farben, mit denen Nina ihre Stimmungen und ihr Erleben wiedergibt und in denen sie sich umgekehrt selbst findet. Hat sie sich zunächst durch das Betrachten von Bildern des von ihr verehrten Malers Matisse nach ihrem ersten Zusammenbruch beruhigt, so verarbeitet sie später Schmerz und Wut viel intensiver durch den persönlichen schöpferischen Umgang mit den Farben und findet schließlich durch das Lügenlabyrinth hindurch zu ihrem brachliegenden Selbst.

Ein großartig erzählter, packender Roman, der für den Spagat vieler Frauen zwischen zwei Kulturen sensibilisiert.

(Regina Károlyi; 02/2007)


Preethi Nair: "Der Duft der Farben"
Aus dem Englischen von Karin Dufner.
Droemer, 2007. 383 Seiten.
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Preethi Nair wurde 1971 in Kerala in Südindien geboren. Sie lebt in London.

Ein weiteres Buch der Autorin:

"Koriandergrün und Safranrot"

Zitronensaft und Ingwer für die Seele, Mango für die Träume und Honig für den inneren Frieden - in ihrem indischen Heimatdorf war Nalini dafür berühmt, mit ihren sinnlichen Speisen Körper und Geist heilen zu können. Bis Familienoberhaupt Raul entscheidet, sie und ihre beiden Kinder zu sich ins ferne London zu holen ...
Um den Geschmack Indiens nicht zu vergessen, streut Nalini fortan Safran, Koriander und Chili über alle Gerichte - auch über die englischen! Und als ihr Ehemann sie mit den Kindern sitzen lässt, sind es die Kochkünste, die sie retten. Von ihrem kleinen Laden, den sie nach harten Zeiten endlich eröffnen kann, weht der duftende Hauch Indiens durch die Straßen von London, und bald spricht sich herum, welch heilende Magie von Nalinis würzigen Speisen ausgeht.
Doch dann kehrt plötzlich Raul in ihr Leben zurück, der Mann, der sie maßlos enttäuschte und den sie kurzerhand für tot erklärt hatte. Alles um Nalini scheint zusammenzubrechen, ihr neues Glück und ihre Bindung zu Tochter Maya, die sich um die Wahrheit betrogen fühlt und gegen die Mutter auflehnt. Nur ein Wunder kann Nalini jetzt noch helfen. Da besinnt sie sich erneut auf ihre ganz besondere Gabe, das Kochen - aber wird die Kraft der Gewürze ausreichen, den Schmerz ihrer Familie zu heilen? (Droemer)
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