Brigitte Hamann: "Wolfgang Amadeus Mozart"

Spuren - Menschen die uns bewegen
(Hörbuchrezension)


Gerade rechtzeitig zu den Jubiläumsfeierlichkeiten zu Mozarts 250. Geburtstag wartet Brigitte Hamann mit einer Biografie zur Person des gefeierten Komponisten auf, welche nicht allein ob des besonderen Anlasses und Gegenstandes, sondern vor allem auch der Autorin wegen eine erhöhte Aufmerksamkeit in literarisch versierten Kreisen erregen mag. Längst schon nämlich, aber spätestens seit ihrem viel beachteten Erfolgstitel "Hitlers Wien"“, darf sich die studierte Germanistin und Historikerin aus Essen mit Wohnsitz in Wien eines herausragenden Rufs als Biografin von mehr oder weniger bedeutsamen Berühmtheiten aus Kunst, Adel und Politik rühmen. Mozart nun, der wurde zwar schon unzählige Male porträtiert und solcherart quasi bis ins letzte Detail erforscht, inszeniert und wohl auch zerredet, doch von Brigitte Hamann eben bis dato noch nicht. Und darum geht es, denn ein Buch von Hamann, das ist für eine stetig wachsende Fangemeinde schlicht und ergreifend einfach nur Kult.

Eine erste Bekanntschaft mit Brigitte Hamanns jüngstem Buch über Mozart und seine Zeit bietet uns die vorliegende und in der Reihe "SPUREN" erschienene Hörbuchfassung, ausgewählt und vorgelesen von der Autorin selbst. Es ist ein unaufgeregter, an markanten Angelpunkten zu Mozarts Vita orientierter Text, den Hamann somit präsentiert, zwar auf das schlechthin Wesentliche gerafft, aber doch tauglich zur Erkenntnis eines abgerundeten und überdies lebhaften Bildnisses jenes vermittels eines organisierten Gedenkkults zum Idealtypus österreichischer Nationalidentität stilisierten Helden heimischer Kultur. Vor dem inneren Auge des Zuhörers skizziert Hamann mit wohltuender Stimme die Sensation eines musikalischen Wunderkindes, das aus der Mitte unserer Ahnen hervortritt und welches seines virtuosen Umgangs mit der schönen Musik wegen das kunstsinnige Publikum europäischer Metropolen in nicht minderes Staunen versetzt, sodann, kaum schon vom unhübschen Knaben zum beinahe hässlichen und überdies keineswegs stattlichen, sondern kleinwüchsigen Jüngling erwachsen, als freischaffender Komponist rasante Karriere macht, dabei nebst der anfänglichen Erlangung eines auch diesmal gar vergänglichen Status als Schickerialiebling, es nicht verabsäumt, der profanen Reichtümer zur Genüge anzuhäufen, intellektuell jedoch ein Unbotmäßiger und Freigeist ist, der in Phasen depressiver Verstimmung in Freimaurertexten ergötzlichen Trost findet, und in seiner kläglich kurz bemessenen Lebensspanne (1756-1791) nicht weniger als 50 Sinfonien sowie eine Reihe von unvergänglichen Singspielen zu Blatt bringt, welche nicht nur bis in die Gegenwart hinein als Fixbestandteile eines jeden gängigen Opernrepertoires gelten, sondern gemäß ihrer unüblich dramatischen Konzeption für jene ferneren Tage ihres Entstehens richtungweisend waren. Mozart verstand sich als Erneuerer - war ein Progressiver Kopf.

Ganz beiläufig räumt Hamann mit Mythen und Legenden um die Person des Wolfgang Amadeus Mozart auf, soweit das in einer Lesung über 150 Minuten denn machbar ist. Mittels kurzer, prägnanter Anmerkungen wird das Eine oder Andere klar und richtig gestellt. Solcherart also die Autorin jene vermeintlich mörderische Rivalität mit Hofkapellmeister Antonio Salieri als einen faktenwidrigen doch nichtsdestotrotz zur denunzierenden Legende verfestigten Diffamierungsmythos in die Welt der Schauermärchen verfrachtet, oder die Mär von Mozarts Armut als notwendige Konsequenz aus dessen etwas zu sorglosem Umgang mit Geld erklärt, wozu sich dann auch noch Geschäftsuntüchtigkeit, Arroganz und dergleichen weitere Untugenden gesellten. Mozart dürfte nämlich in der Tat alles Andere als ein Mann geringen Einkommens gewesen sein, streifte er für einzelne Konzerte doch jeweils höhere Honorare ein, als anderswo Kapellmeister es als Jahressalär erhielten und erfreute sich zudem keineswegs läppischer Zuwendungen durch großzügige Gönner, denen für seine Kunst ein jeder Preis recht und richtig schien, kurzum er war außerordentlich reich, allerdings nicht bar bedrückender Geldsorgen, denn er, Mozart, war, was die Erschließung und Verwaltung seiner reichlich sprudelnden Finanzquellen und materiellen Vermögen betraf, ungeschickt und verschwenderisch, weil mitunter auch viel zu sehr auf repräsentatives Gehaben bedacht. Wollte er es doch den prassenden Noblen gleich tun, in deren erlauchten Kreisen der durch Papst Clemens XIV. im Jahre 1770 zum Ritter vom Goldenen Sporn geadelte Mozart als Ebenbürtiger von bürgerlicher Herkunft zu verkehren trachtete. Was, wollte er dem Lebensstil gemäß mithalten, zumindest ins Geld ging. Zudem, so ergibt es sich aus der Darstellung Hamanns, verwehrte sich Mozart in seinem Schaffen jegliches Zugeständnis an den volkstümlichen Geschmackssinn, der einschmeichelnd, weil simpel ist, und deswegen nach seinem Dafürhalten nur niedere Kunst meine, was zur Folge hatte, dass ein Gutteil seiner Konzertaufführungen dem viel mehr an Geselligkeitsritualen denn an vertieftem Kunstgenuss interessierten Wiener Publikum einfach zu anspruchsvoll war. Dass diese stolze Haltung bei Zeiten seiner Popularität als gefeierter Tonkünstler und somit seiner wirtschaftlichen Verdienstlage schädlich sein musste, versteht sich von selbst. Nicht nur einmal blieb Mozart das die Musik zu lieben meinende Volk abspenstig.

Mozart schuf die längste Zeit über kompromisslose Kunst, daran lässt Hamann keinen Zweifel. Erst mit der am 30. September 1791 in Wien uraufgeführten Oper "Die Zauberflöte" vollzog er den von seinem fürsorglichen Vater einst dringlich geratenen, doch lange Zeit aus Pietät gegenüber dem als heilig aufgefassten Adel seiner Kunst gemiedenen Schwenk in Richtung deren Popularisierung, womit sich in den letzten Tagen seines bereits von quälenden Visionen eines nahenden Todes gepeinigten Lebens der frühere und zwischenzeitlich verblasste Ruhm wieder einstellen sollte. Überschwänglich feierte Wien in diesen Tagen sein sterbendes Genie, dessen überweltliche Begabung nach Meinung Hamanns ein wundersames Rätsel bleibt, das man, wenn überhaupt, dann nur über die Hingabe an seine Melodien erahnen mag, aber niemals hinreichend begreifen können wird.

Ein Abschließendes sei noch zum Medium gesagt: W. A. Mozart, nach einer Biografie und gelesen von Brigitte Hamann, ist der erste Titel aus einer aktuell anstehenden Hörbuchreihe namens "SPUREN - Menschen, die uns bewegen", welche hinkünftig im Takt einer monatlichen Abfolge im laufenden Jahr eine erlesene Auswahl von für das Geistesleben der Menschheit prägend wirkenden Personen zur Vorstellung bringen wird. Nebst Mozart seien zur illustren Parade Heinrich Heine, Alma Mahler-Werfel, Thomas BernhardSigmund Freud, Karl Marx, Karl Kraus, Bertold Brecht, Albert Einstein, Maria Theresia, Gustav Klimt und Ingeborg Bachmann genannt und vorgeführt. Die Kunde von deren Leben und Schaffen wird zu günstigem Preis nun denn unter ein - so sei es gehofft - aufnahmewilliges Volk gemengt.

Ein hochlöbliches Projekt zur Volksbildung ist dieses Unterfangen allemal, das möchte man meinen, denn preisgünstig und gediegen zugleich stellt sich die Sache dar, was dem Ideal einer Demokratisierung von Wissen jedenfalls gedeihlich ist. Und so wünscht der Verfasser dieser Zeilen der noblen Ambition zur geistigen Spurensuche jedwede positive Resonanz. Denn die Spuren des Geisteslebens münden in das Hier und Jetzt gesellschaftlicher Gegenwartskulturen, und sollten sie eines Tages zur Unkenntlichkeit verwischt sein, dann wäre wohl endgültig das Diktum der Barbarei an die Stelle eines zivilisierten Miteinanders getreten.

(Harald Schulz; 01/2006)


Brigitte Hamann: "Wolfgang Amadeus Mozart"
Random House Audio, 2006. 2 CDs, Laufzeit ca. 140 Minuten.
ISBN 3-86604-229-9.
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