Sabine M. Gruber: "Unmöglichkeiten sind die schönsten Möglichkeiten"

Eine einzigartige Sammlung von Aussprüchen des Enfant terrible der klassischen Musik 
 - aufgezeichnet bei Proben und Aufnahmen 
Die Sprachbilderwelt des Nikolaus Harnoncourt


Ein sprachlicher Genuss? Ein musikalischer? Bei diesem Buch kann ich mich nicht entscheiden. Gleich zu Beginn ein Lob der Autorin Sabine M. Gruber. Dieses Buch entstammt einer grandiosen Idee, einer leidenschaftlichen Sammlung, und ist mit einem hingebungsvollen Kommentar - Hingebung an die Sprache der Musik (oder Musik der Sprache?) und an den außergewöhnlichen Künstler und Interpreten Nikolaus Harnoncourt - versehen. Danke für dieses Buch! Es ist viel aussagekräftiger und bereichernder als eine Autobiografie über den Dirigenten.

Musik und Sprache sind in diesem Buch zu einer inspirierenden Kraft verschmolzen. Man spürt den Kampf, den es bedeutet, Ideen, musikalische Ideen zu kommunizieren. Von dem einen (Dirigenten) zu den mehreren (Orchester, Chor), vom Erzeugenden der musikalischen Empfindungen zu den Ausführenden (Solisten). Diese Prozesse finden bei den Beteiligten nun doch zu einem Großteil über Sprache statt. Vor allem wenn es um kollektives Musizieren, ein im Einklang Empfinden geht. Harnoncourts imaginative, expressive Sprache schafft die Brücken für diesen gemeinsamen Vorgang.

Jedes Kapitel ist ein thematischer Gedanke, wie zum Beispiel: MACHT CONTRA WÜRDE, WISSEN UND UNSCHULD, oder DIE EINDEUTIGKEIT DER MEHRDEUTIGKEIT, usw. Die einzelnen Kapitel beginnen immer mit einer kurzen, einseitigen Einleitung, die meist die Stimmung für das nun kommende Kapitel vorbereitet, oder auch ein paar erklärende Worte zur Entstehungssituation der gesammelten Aussagen ausführt. Die einzelnen Zitate sind dann noch ganz genau nach Werk und Taktzahl aufgelistet. Wenn heutige Dirigenten akribisch in den Autographen epochemachender Komponisten suchen oder Aufnahmen berühmter Dirigenten via Kopfhörer durchleuchten, so wird dieses Buch nun Anstoß sein für künftige Interpretationen oder auch Sichtweisen zum Text der Werke.

Ich erlaube mir, kein einziges Zitat aus dem Buch hier zu geben, den es hieße für mich, ein einziges auszuwählen, was mir schier unmöglich ist. Lesen Sie selbst über die sprachliche Inbetriebnahme der bachschen Passionen, die beflügelnde Fantasie zu einer der "kleineren" Mozart-Messen oder die Kraft der Worte zu Beethovens Missa Solemnis, um nur die großen Arbeitsphasen zu nennen. Und genießen Sie den Witz, der immer im Hintergrund dieser Musiksprache steht, generiert aus der tiefen Freude und Befriedigung, die die Arbeit mit Kunst bedeuten kann.

Nikolaus Harnoncourt wurde 1929 in Berlin geboren.  Er lehrt seit 1972 am Salzburger Mozarteum und ist ein international gefeierter Dirigent.

Die Autorin Sabine M. Gruber, geboren 1960 in Linz, studierte in Wien Französisch und Russisch. Sie ist dipl. Schriftpsychologin und hat eine Cembalo- und Gesangsausbildung erhalten. Seit Anfang der 1980er Jahre ist sie Mitglied des Arnold Schönberg-Chores. Sie arbeitet auch als Schriftstellerin und Übersetzerin. Ihr 1999 erschienener Roman "Der Schmetterlingsfänger" erhielt 2002 den Anerkennungspreis für Literatur des Landes Niederösterreich.

(Die Prinzessin; 02/2003)


Sabine M. Gruber: "Unmöglichkeiten sind die schönsten Möglichkeiten"
Residenz Verlag, 2003. 128 Seiten. 
ISBN 3-7017-1345-6.
ca. EUR 14,90.
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