Dietmar Grieser: "Weltreise durch Wien"

"Kaum eine Stadt ist in puncto Gedenktafeln so vorbildlich "erschlossen" wie Wien. Aber selbst hier klaffen Lücken. Sie zu schließen, will dieses Buch, dem viele gleichartige vorausgegangen sind und sicherlich ebenso viele folgen werden, ein Beitrag sein."


Diese letzten Sätze des Vorwortes zirkeln den Rahmen des Werkes ab, samt seinen Chancen und Risiken. Hat sich der Autor bei der Auswahl von Begebenheiten und Persönlichkeiten von deren "Ausgespartheit" in lokalen historischen Betrachtungen bzw. im allgemeinen Bewusstsein leiten lassen und den vorhandenen Stoff daduch erheblich reduziert, so bleibt dieser immer noch von unüberschaubarer Fülle. Eine Stadt wie Wien, früher immerhin Weltstadt, heute von nicht unbeträchtlichem kulturellen Interesse, haben eben viele "Prominente", wer immer das auch sein mag, betreten, sicherlich zu viele, um ein derartiges Bändchen zu füllen. Die Auswahl des Autors muss notwendigerweise eine höchst subjektive sein. Manchem Leser werden die Beiträge über die "Reminiszenzen der eigenen, österreichischen Elite" zu umfangreich erscheinen, wie auch die Aussage im Vorwort, "zu dieser Kategorie zählen ... Hermann Leopoldi und Anton Karas" zumindest übertrieben ist. Insgesamt kann dem Autor jeoch ein guter Instinkt nicht abgesprochen werden, wie auch die Verkaufszahlen des Buches eindrucksvoll belegen.

Man erfährt also vieles über unbekannte Wien-Begegnungen bekannter Persönlichkeiten wie etwa Mark Twains, Karl Mays, Thomas Alva Edisons, Casanovas, Balzacs und vieler anderer. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang der Wien-Aufenthalt eines sehr übel beleumundeten Subjekts: Jossif Stalin ( Hitler fehlt im Sinne des Aussparungsprinzips natürlich, weil sein Konnex zu Wien bekanntlich schon ganze Bände füllt). Von den Musikern sind Vivaldi, Gluck und Leoncavallo vertreten und nicht Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Brahms, Bruckner, Schönberg usw.

Literarisch liegt das Schwergewicht in der Kriegs- und Nachkriegszeit, im Hinblick auf die Zeitnähe und fehlende Historisierung ist hier natürlich vieles noch nicht aufgearbeitet bzw. ins allgemeine Bewusstsein gelangt.

Besonders interessant: ausgefallene Persönlichkeiten wie der Fabrikant Zacherl, das Original Kyselak, der Sprachschöpfer Zamenhof oder der Sexualpathologe Sacher-Masoch.

Alles ist mit leichter Hand und mit stilistischer Sicherheit und Prägnanz geschrieben und gewährt über den eigentlichen Gegenstand hinaus einen faszinierenden Einblick in Wiener Geschichte(n), wie sie nicht in Geschichts- bzw Geschichtenbüchern steht bzw. stehen.

(Franz Lechner; 09/2002)


Dietmar Grieser: "Weltreise durch Wien"
NP Verlag, 2002. 256 Seiten.
ISBN 3-8532-6202-3.
ca. EUR 21,90.
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