Graham Greene: "Die Stunde der Komödianten"

Mr. Brown, Mr. Jones und das Ehepaar Smith reisen mit der "Medea" nach Haiti, in ein Land, das unter der Schreckensherrschaft des diktatorischen Papa Doc und seiner Mafia steht. Mr. Brown, der Ich-Erzähler, besitzt ein Hotel in Port-au-Prince, das er in New York vergeblich verkaufen wollte. Das Ehepaar Smith will Geld anlegen und nebenbei eine - reichlich naive - Mission erfüllen, nämlich den Vegetarismus propagieren.
Mr. Jones' Absichten sind dunkel. Er ist ein Abenteurer und spielt gerne, um seine Kasse aufzufüllen. Und als Mr. Brown zu seinem Hotel kommt, findet er im Swimmingpool eine Leiche: Dr. Philipot, den Wohlfahrtsminister ...


"Die Stunde der Komödianten" kann zweifellos als typisches Werk Graham Greenes bezeichnet werden. Gediegener, spannender Erzählstil, bei allem intellektuellen Niveau durchaus eine gewissen Breitenwirksamkeit nicht außeracht lassend (eine Grundvoraussetzung für jeglichen ökonomisch messbaren literarischen Erfolg), klug weil unauffällig eingesetzte Klischees garantieren dem Autor eine bis heute ungebrochene Beliebtheit.

Die Handlung spielt in einer jener bis zum heutigen Tage anzutreffenden und sattsam bekannten mittel- bzw. südamerikanischen Diktaturen und ist, wie eigentlich stets bei Greene, äußerst plausibel. Groteske, absurde Vorkommnisse, unvorhersehbare Verwicklungen sind seine Sache nicht, er begnügt sich durchaus mit Geschichten, die, um eine Phrase aus der Mottenkiste zu benützen, das Leben schreibt. 
Ein anglo-französischer Weltbürger will hinsichtlich seines Hotels in der von Terrorkommandos eines unlängst an die Macht gekommenen Diktators heimgesuchten Hauptstadt nach dem Rechten sehen und gerät in lebensgefährliche Verwicklungen, denen er schlussendlich mit blauem Auge entkommt, was schließlich auch vorhersehbar war, da er der Ich-Erzähler dieses Romans ist.

Für Spannung ist also quasi von selbst gesorgt. Daneben bleibt genügend Raum für politisch-philosophische Reflexionen der Hauptperson, die als Vertreterin der westlichen Zivilisation in einer völlig aus den Fugen geratenen Welt erscheint. Auch hierin erweist sich der Autor als klug und maßvoll, niemals an der Oberfläche verharrend, niemals zu tief schürfend, sodass im die Zustimmung der breiten Leserschaft sicher scheint. Die Involvierung der westlichen Welt, allen voran der USA in die kausalen Abläufe der in Lateinamerika stattfindenden Verelendung bleibt unerwähnt. 

Alles in allem ein durchwegs empfehlenswertes Lesevergnügen aus der sicheren Hand Graham Greenes.

(Franz Lechner; 04/2004)


Graham Greene: "Die Stunde der Komödianten"
(Originaltitel "The Comedians")
Übersetzt von Hilde Spiel.
dtv, 2004. 400 Seiten.
ISBN 3-423-13157-8.
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Graham Greene, geboren am 2. Oktober 1904 in Berkhamstead in England, gestorben 1991 in Vevey in der Schweiz, zählt zu den berühmtesten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Sein Werk umfasst neben Romanen kleinere Prosa, Dramen, Essays und Kinderbücher.

Ergänzende Buchtipps:

"Die Kraft und die Herrlichkeit"
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"Der dritte Mann"
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Die Biografie dieses außergewöhnlichen Schriftstellers.
Wegen ihrer Mischung von Abenteuer, Spannung, Erotik und Religiosität sorgten Graham Greenes Bücher stets für heftige Diskussionen. Der Autor war berühmt und berüchtigt. Hinter seiner extrovertierten, dynamischen Erzählkunst und seinem nüchternen Blick auf menschliches Treiben stand die Suche nach der Seele des Menschen. 
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