Michael Baigent: "Die Gottes-Macher"

Die Wahrheit über Jesus von Nazareth und das geheime Erbe der Kirche


Das Buch ist besser als sein Ruf.

Es kann einem passieren, dass man mit einem Buch und dem dazugehörigen Autor schon konfrontiert wird, bevor man mit der eigentlichen Lektüre beginnen kann: Medienrummel, Gerichtsverfahren, Interviews, in denen vor dem Buch gewarnt wird, gehören dazu. Und so ist es auch Aufgabe einer rezensorischen Betrachtung, diese Quellen zu isolieren, um einen ungetrübten Blick auf das eigentliche Buch zu gestatten.

Aus ganz ungewöhnlicher Ecke kommt die erste Störung, denn man hörte von einem millionenschweren Schadensersatzprozess des Autors Michael Baigent gegen Dan Brown, in dessen Verkaufsschlagern Letzterer Ideen des Ersteren verarbeitet haben soll. Baigent verlor, denn wie kann jemand ein Copyright erheben auf etwas, das auf der anderen Seite als geschichtliche Wahrheit deklariert wird? Lizenzgebühren auf Geschichte? Es schleicht sich der Verdacht ein, dass hier das Marketing womöglich beider Kontrahenten hinter dem Verfahren zu suchen ist, denn nach diesem Prozess will sich alle Welt selbst einen Eindruck darüber verschaffen und zu diesem Zwecke beide Bücher kaufen.

Dass sich die christlichen Kirchen gegen die Thesen dieses Buches wehren, war zu erwarten. Doch darauf wird später einzugehen sein. Aber das Merkwürdigste ist der Umschlagtext, denn dort prangen im Indikativ Thesen, die so im Buch nirgends zu finden sind. Stünde im Buch "Jesus von Nazareth [...] war mit Maria Magdalena verheiratet und seine Nachkommen begründeten eine dynastische Linie [...]", so könnte man das Buch getrost wieder weglegen und in den Chor der Kritiker einstimmen.

Aber das Buch bestreitet gerade den alleinigen Anspruch aller - auch und insbesondere der Kirchen - auf die "geschichtliche Wahrheit". Konsequenterweise unterlässt es der Autor auch, seine Thesen in einen Wahrheitsanspruch zu kleiden. Und so bringt er eine Fülle von Details und Strömungen aus Kultur und Geschichte des östlichen Mittelmeers zur Zeit des historischen Jesus von Nazareth, die durchaus auch eine andere Interpretation der Geschichte zulassen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Ohne ins Detail zu gehen seien zwei Thesen herausgegriffen. Wenn berichtet wird, ein Mann sei ans Kreuz geschlagen worden und später wieder lebendig gesehen worden - sogar mit Wundmalen -, so muss die Frage erlaubt sein, ob dieser Mensch die Prozedur möglicherweise überlebt haben könnte, auch wenn dadurch die komplette abendländische Theologie ins Wanken geraten sollte, wohlgemerkt die Theologie des Abendlandes, nicht seine Kultur, denn die steht seit der Renaissance auf eigenen Füßen.

Ein weiteres Kapitel zeigt die politischen und militärischen Konflikte zwischen Juden und Römern auf, die ja immerhin mit einem umfassenden Machtanspruch ausgestattet das komplette Mare Mediterranum zu einem römischen Binnengewässer erklärten. In dieses politische Szenarium ordnet der Autor den Jesus von Nazareth ein, denn vieles spricht dafür, dass die Römer dem unbequemen Juden einen politischen Prozess gemacht haben. In diesem Zusammenhang sei auch auf Rechtshistoriker Chaim Cohn verwiesen, der den Prozess gegen Jesus Christus untersuchte und auch zu ähnlichen Ergebnissen kam; Baigent erwähnt Cohn übrigens nicht. Aber, wie gesagt, was auch immer vorgefallen sein mag: Wir wissen es nicht. Und mehr behauptet der Autor auch nicht.

Sigmund Freud soll gesagt haben: "Jedesmal, wenn ein Mensch über Vergangenes berichtet, und sei er auch ein Geschichtsschreiber, haben wir in Betracht zu ziehen, was er unabsichtlich aus der Gegenwart oder aus dazwischenliegenden Zeiten in die Vergangenheit zurückversetzt, sodass er das Bild derselben fälscht."

Die Kirchen verhalten sich durchaus unterschiedlich in der Bewertung dieses Buches. Ein evangelischer Theologieprofessor warnte beispielsweise, dass von diesem Buch nicht nur eine Gefahr für Christen, sondern auch "demokratische Staatsbürger" ausginge. Er nannte die Auferstehung als "zentrale Botschaft des Neuen Testamentes, an der alles hängt." und bestätigte somit indirekt, dass Baigent die Achillesverse getroffen haben muss. Ein anderer Kirchenvertreter meinte gelassen, die Kirche habe viele Stürme überdauert und, wer will, möge das Buch lesen, und wer nicht, möge es bleiben lassen.

Fazit

Ein Umschlagtext soll den Inhalt eines Buches zusammenfassen, aber auch neugierig machen, vielleicht sogar provozieren? Die Thesen des Autors, die er in seinem Buch ausbreitet und durchaus als eine Möglichkeit darstellt, wie es sich abgespielt haben könnte, werden auf dem Umschlag jedoch zu Fakten, die der Autor im Buch aber an keiner Stelle so formuliert. Das ist weder korrekt, noch sonderlich geschickt. Es ist nicht korrekt, denn niemand kann die damaligen Ereignisse wirklich aufklären und darf sich in den Anspruch des Wissens erheben. Gerade das beklagt der Autor auch in seinem Buch. Und geschickt ist es aus dem Grunde nicht, weil dieses Thema mit sehr vielen Befindlichkeiten besetzt ist und dieser Text viele Leser verschreckt.

Exakt diesen unzutreffenden Umschlagtext findet man auch in einem Kommentar des Bayrischen Rundfunks, wo Michael Baigent unter Bezugnahme auf diesen Umschlagtext in die Nähe eines "zwielichtige Geschäftemachers und Pseudowissenschaftlers" gerückt wird.

So präsentieren sich am Ende Buch und Autor in einem besseren Zustand als der Ruf, der ihnen vorauseilt. Und dem Rezensenten verbleibt am Ende nur die Empfehlung: "Selber lesen!". Übrigens, im Archiv des Rezensenten steht das Buch inzwischen bei den Geschichtsbüchern neben Johann Maiers Standardwerk "Das Judentum" aus dem Hause Kindler.

(Klaus Prinz; 06/2006)


Michael Baigent: "Die Gottes-Macher"
Übersetzt von Bernd Rullkötter.
Gustav Lübbe Verlag, 2006. 378 Seiten.
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Hörbuch-CD (gekürzte Lesung):
Luebbe Audio, 2006. Sprecher: David Nathan, Sascha Rotermund.
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Michael Baigent, 1948 in Neuseeland geboren, studierte Psychologie. Er beschäftigt sich mit der Geschichte des Templerordens sowie mit dem politischen Einfluss der Astrologie und anderer esoterischer Wissenschaften von Babylon bis zur Renaissance.