Iwan Goll: "Die Eurokokke"

Szenen eines schleichenden Verfalls ohne Bekenntnis


Abendländische Ansteckungsgefahr

Manch ein Leser könnte die literarische Behandlung von Themen wie Werteverfall und Sinnverlust, Ortlosigkeit, Vereinsamung und existenzielles Vakuum womöglich mit einem gelangweilten Gähnen als "Schnee von gestern" abtun. Doch Vorsicht! Denn es gälte einerseits zu bedenken, ob es sich nicht vielmehr um Bruchstücke aus dem ewigen Eis der Inspiration handeln könnte, und andererseits - was (gerade in diesem Fall) die Alarmglocken schrillen lassen sollte - ob etwa die Eurokokke längst ihr Unwesen treibt.

"Es ist zu bemerken, daß Naturalismus, Impressionismus, Expressionismus, Futurismus nur Hilfsworte sind, um Begriffen und Bewegungen, Ideen und Wallungen beizukommen. Wo der Ismus aufhört, da fängt der Dichter erst an, denn letzten Grundes macht die Einzelseele, nicht die Massenpsyche oder -psychose erst den Dichter zum Dichter. Jeder Mensch hat eine bestimmte seelische Richtung, in der er läuft, und wer in derselben Richtung geht, den begrüßt er als seinen Weggenossen mit besonderer Herzlichkeit. Nun gibt es aber viele Wege. Viele Wege führen nach Rom: ins Heiligtum der Kunst, in den Tempel des Gottes. Es ist Überheblichkeit, den Wege, den ein anderer geht, von vornherein als einen falschen zu bezeichnen und Hohn und Gelächter ihm nachzurufen. Als Maßstab der Kritik darf nur die Qualität gelten: der Zusammenhang des relativen mit dem absoluten Prinzip. Ein guter naturalistischer Roman ist mir lieber als ein schlechter expressionistischer und umgekehrt (...)
Der Impressionismus will, daß die Seele wie eine Braut sich hinlagere, damit die Natur liebend einströme mit Fluß und Wolke, Stern und Falter. Der Expressionismus, die Gegenbewegung gegen den Impressionismus, fordert programmatisch: schleudere deine Seele aus dir heraus in die weite Welt, hinauf in den hohen Himmel: so erst wirst du ganz wahr sein. Der Impressionismus predigt die Wahrheit des Seins, der Expressionismus die Wahrheit der Seele. Es ist klar, daß auf einer höheren Ebene diese Forderungen sich in einem Schnittpunkt berühren: da, wo Sein und Seele, Erde und Himmel eins geworden sind. Im Formalen äußert sich der Gegensatz der beiden Strömungen derart: beim Impressionismus: Analyse des Geistes, Synthese der Form. Beim Expressionismus: Synthese des Geistes, Analyse der Form."
Aus: "Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde" von Klabund.

Während sich Alfred Döblins (1878-1957) bekanntestes Werk, der Großstadtroman "Berlin Alexanderplatz", dauerhaft im literaturgeschichtlichen Rahmen behaupten kann, führt Golls bereits davor publiziertes Buch "Die Eurokokke" ein Schattendasein, wiewohl beide Autoren die bedrohliche Faszination moderner Metropolen thematisieren, in Untergangsvisionen schwelgen und Kritik an Mechanisierung wie auch Industrialisierung, am kapitalistischen Wirtschaftssystem und an traditionellen bürgerlichen Strukturen üben.
Sowohl Döblins Protagonist, der aus der Haft entlassene Arbeiter Franz Biberkopf, als auch Golls einer anderen sozialen Schicht entstammender Hauptakteur irren auf der Suche nach ihnen bestimmten Daseinsnischen durch feindselige Straßenschluchten und erleben nur scheinbar zufällige charakteristische Episoden, Momentaufnahmen subjektiver Weltwirklichkeit.

Europa ohne Gott

Europa lahmt, siecht, modert. Die Europäer erstarren, erkalten. Wären Entwurzelung und Isolation Merkmale von Kultur und Zivilisation, Europa hätte es gar weit gebracht. Es mangelt an Temperament, an Tiefgang; und überhaupt: Was ist mit der Liebe?
Die Schuld für die Krise trägt, zumindest in Iwan Golls Buch, ein geheimnisvoller Krankheitserreger namens "Eurokokke", dessen Symptome jedoch heutzutage kaum seltener zu beobachten sind als in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Wohl, weil nicht einmal ansatzweise versucht wurde, ein Gegenmittel zu finden. Und so breitet sich das oberflächlich nur für Kenner zu diagnostizierende Leiden allem Anschein nach ungehemmt weiter aus. Das erbärmliche Resultat der Forderung des Expressionismus nach dem "neuen Menschen" samt seiner Errungenschaften: ein Kretin?

Die ebenso stilvoll wie gekonnt zelebrierte Langeweile im Gewand eleganter Sprache, (sieht man vom übermäßigen Einsatz zum Teil skurril anmutender Ausschmückungsvergleiche, bspw. "Ein Kran wühlt wie ein Zahnstocher im eiternden Mund des Himmels herum.", ab), durchwoben mit Glitzerfäden eines verhallenden Echos der Weltschmerzpoesie, surreale Elemente sowie expressionistische Innenschau geben sich in Iwan Golls "Die Eurokokke" ein Stelldichein.
Doch nicht nur in diesem Werk setzt sich der Autor mit den Tücken der Moderne europäischer Prägung auseinander, sondern auch in "Der Mitropäer".

Sie liebte keinen? Gut. Dann hatte sich Edmund doch nicht geirrt. Dann war Lola also doch eine ganz andere Frau, die mit der gewöhnlichen Pariser Artigkeit, liebes Edgarchen, noch lange nicht zu fangen war. Sie war ein Weib in höherem, metaphysischen Sinn, konstruierte Edmund weiter, an das Fenster seines Zimmers gelehnt und den Kopf tiefatmend in den blauen Himmel wie unter eine Dusche hinaussteckend.
Und wieder stark geworden bei dem euphorischen Gefühl, das ihn erfüllte, begann sich der Mitropäer, der in ihm steckte, gerade jene Weltanschauung zu zimmern, die zu diesem Augenblick paßte. Der Mitropäaer, dem oft der Rohstoff zu einem Fabrikat und die Grundidee zu einer Weltanschauung fehlt, ist hingegen ein guter und fleißiger und technisch raffinierter Verarbeiter fremder Stoffe. In Mitropa arbeiten die Maschinen und die Literarhistoriker am präzisesten von der Welt. Der schöpferische Gedanke wird oft aus dem Ausland bezogen. Aber aus ihm werden die täglichen Bedarfsartikel (wie aus Eisen Hosenknöpfe) hergestellt, die das Made in Germany über den ganzen Globus glanzvoll verbreitet haben.
Aus: "Der Mitropäer"

Iwan Goll hat in dem Werben dreier junger Männer um Lola ein satirisches Bild der verschiedenen geistigen Strömungen Europas geschaffen, die alle auf ihre Weise im Grau in Grau eines ideenlosen Alltags enden. Der Roman ist eine allegorische Groteske auf den Geisteszustand Europas zwischen den Kriegen, ein satirischer Abgesang auf seine politischen Ideen und seine sterbende Kultur. Im Bild der Pariser Künstlergruppe um den Snob Cocherel, in dem man unschwer Jean Cocteau inmitten einer Schar von bedingungslos Ergebenen erblicken kann, findet sich auch eine der bissigsten Satiren auf die künstlerische Avantgarde der zwanziger Jahre, die wohl geschrieben wurde. (Klappentext von "Der Mitropäer")

"Iwan Goll hat keine Heimat: durch Schicksal Jude, durch Zufall in Frankreich geboren, durch ein Stempelpapier als Deutscher bezeichnet. Iwan Goll hat kein Alter: seine Kindheit wurde von entbluteten Greisen aufgesogen. Den Jüngling meuchelte der Kriegsgott (...)", so Goll über sich selbst, zitiert Barbara Glauert-Hesse in ihrem Nachwort zur im Jahr 2002 bei Wallstein erschienenen Neuauflage.
Barbara Glauert-Hesse katalogisierte im Auftrag der Deutschen Schillergesellschaft von 1969 an den Nachlass von Iwan und Claire Goll gemeinsam mit Claire Goll in Paris. Nach deren Tod setzte sie die Arbeit am Goll-Nachlass im Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar und in Saint-Dié-des-Vosges, Frankreich, fort. Seit 1988 ediert sie die Gesamtwerke beider Autoren.
Ihr Nachwort zur Neuausgabe von "Die Eurokokke", einem Faksimile der 1927 publizierten Erstauflage, zeichnet auf 18 Seiten Stationen von Golls Lebensweg nach und liefert Aufschlussreiches zur Entstehungsgeschichte des Werks.

Iwan (auch Ivan bzw. Yvan; die Schreibweise variiert) Goll ist eines jener Pseudonyme, unter denen der am 29. März 1891 in Saint-Dié-des-Vosges geborene Isaac Lang schriftstellernd in Erscheinung trat. Goll studierte in Strassburg Jura. Er promovierte 1912 zum Doktor der Philosophie, 1914 war er als Deserteur gezwungen, ins Schweizer Exil zu fliehen. Ab 1919 lebte er in Paris, wo er 1921 die Schriftstellerin Claire Goll (geborene Clara Aischmann, 1890-1977) heiratete und u.a. Freundschaften mit Paul Eluard, André Malraux, Louis Aragon, André Breton, James Joyce und Wladimir Majakowski pflegte. Auch mit Kurt Weill und Georg Kaiser stand er in Kontakt.
1939 emigrierte das Paar nach New York, 1947 kehrten die Golls nach Paris zurück.
1950 starb Iwan Goll in einem Vorort von Paris an Leukämie.
Er gilt als deutsch-französischer Klassiker des 20. Jahrhunderts, nichtsdestotrotz auch als weitgehend unbekannt, obwohl er in drei Sprachen (Deutsch, Französisch, Englisch) schrieb und veröffentlichte.
Als Witwe und Nachlassbetreuerin erhob Claire Goll übrigens seinerzeit Plagiatsvorwürfe gegen Paul Celan. Stein des Anstoßes waren angebliche "Parallelstellen". Die Angelegenheit wirbelte Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts einigen Staub auf. (Siehe Buchtipp.)

"Der heilige Leib"

Behausung meiner Ahnen
Dies schwanke Knochenhaus
Auf Sand gebaut

Aus meinen Augen blicken
Sie allen meinen Straßen nach
Und meine Milz ist ihre Garküche
In der sie kochen mit Fett und Blut

In der Ruinennische schläft noch meine Mutter
Am Kehlkopf klebt der Tabakrauch der Alten

Mein heilger Leib!
Die Opferstiere brüllen tief in mir
Und Rinderlenden duften samstäglich

Mein Mund beherbergt noch
Jahrhundertealte Silben
In meinen Ohren ist ein Rauschen und Lauschen
Und kein Gott

Aus: Band 2 Liebesgedichte 1917-1950



"Die Eurokokke"


Mit dem Satz "Ich bin aufgewacht aus einem Traum, der sich hinter mir schloß wie ein vergoldetes Gittertor" öffnet der namenlos bleibende Icherzähler die Pforte zu seiner Unterkunft, um wenig später das Grundübel beim Namen zu nennen: "Und um sechs Uhr früh lag ich an diesem Morgen schon wach, vom unerträglichen Gedanken gequält, auf der Welt zu sein".
Während der Icherzähler seine Lebensphilosophie ausbreitet, erwacht Paris geräuschvoll zu reger Betriebsamkeit. Der Erzähler besucht Henry d'Anglade, seinen Nachbarn, der tagsüber schläft und zu den Stammgästen der "Bar de l'Ennui" zählt, und bittet diesen um Hilfe, um Erlösung aus seinem qualvollen Dasein. Henry d'Anglade stellt tatsächlich Hilfe in Aussicht, unter der Bedingung, dass der Verzweifelte noch einen Tag versucht, auf die Straße, unter Menschen zu gehen, mit der Welt ins Reine zu kommen, kurzum, einen Passionsgang zu unternehmen. Überdies wird dem Erzähler ein verschlissenes Büchlein ausgehändigt, das "tödliches Gift" enthält und "erst im äußersten Augenblick des Ekels und der Gefahr" geöffnet werden darf. Es wird ein späteres Treffen in der "Bar de l'Ennui" verabredet, woraufhin der junge Mann in die Großstadt eintaucht.
In einem Bilderrausch zieht das Paris der 1920erjahre vor den Augen des Lesers vorbei, mit fotografischer Genauigkeit vermittelt Goll Wahrnehmungen und spiegelt diese in den Emotionen seines Protagonisten.
Durch das Dickicht aus verlogenen, marktschreierischen Werbeplakaten und Zeitungsschlagzeilen, vorbei an dubiosen Monumenten der Fortschrittsgläubigkeit zwängt sich der Namenlose durch abstoßende Menschenmassen, sucht - meist vergebens - Augenkontakt mit Individuen, verdingt sich kurzfristig als Bibelverkäufer, schildert Begegnungen mit Huren, darunter Suzy, eine Kokotte vom Montmartre, die ihm von milieutypischen Schicksalen berichtet.
Auch der Nachmittag beginnt mit todessehnsüchtigem Klagen, doch plötzlich brechen Elemente einer Krimihandlung ein, als nämlich die Kunde von einem Mord im Marseiller Express die Runde macht. Einer der Banditen trägt den (unbekannt bleibenden) Namen des Erzählers, auch stimmt die in den Zeitungen abgedruckte Beschreibung des flüchtigen Haupttäters bis ins kleinste Detail mit dem Erscheinungsbild des ob dieser unverhofften Abwechslung euphorischen jungen Mannes überein: "Stürmisches Künstlerhaar. Sinnlicher Mund. Von Nachtwachen und Sternenbrand gerötete Augen. Schiefgebundene Krawatte. Gefährliche Allüren, wie sie jeder Europäer auf seinem Paßphoto aufweist. Zitronengelbe Handschuhe."
Schlagartig verändert sich die Wahrnehmung des sich nunmehr gejagt Fühlenden, er flieht vor den lodernden Blicken der Passanten in ein Café, wo sich ein zittriger Greis mit dem Ausruf: "Ich habe ihn! Den Eurokokkus!" auf ihn stürzt. Der Alte, der sich als Professor der Chemie zu erkennen gibt, berichtet von seiner langjährigen Suche nach dem Bazillus und klärt den Icherzähler über Krankheitsverlauf und Symptome auf, um schlussendlich festzustellen: "Es ist höchstwahrscheinlich anzunehmen, daß auch Sie nach dem Beispiel der Steine, der alten Bücher und der Esel innerlich vollkommen ausgeleert sind. Sicher haben auch Sie keine Leber, kein Herz, keine Seele mehr. Das heißt, auf Ihr Menschentum übertragen: Sie haben keinen Ehrgeiz, keinen Glauben und keine Liebe mehr. Gehören Sie zu jener neuen Jugend, die auf den Mangel dieser göttlichen Ingredienzien so stolz ist? Ich dachte es mir, ich wusste, daß ich nur in diesem dekadenten Café meine Beute finden würde. Nicht wahr, Sie haben auch kein Pflichtgefühl mehr, keine Ehrfurcht vor Eltern und Gott, keinen Respekt, keine Vernunft, keine Zucht und kein Ziel? Sie haben die Krankheit der Leere, auch Langeweile genannt, Sie haben die Eurokokke. Sie sind zu allem fähig, intelligenter weiser junger Mann, zum Selbstmord wie zum Mord. Sehen Sie, ein Mensch wie Sie könnte ganz gut der Bandit vom Marseiller Expreß sein ..."
Als wäre der Teufel hinter ihm her, stürmt der solcherart Entlarvte zurück auf die Straße, gibt sich düsteren Gedanken hin und gelangt schließlich zur "Bar de l'Ennui", wo sich sektiererische "Auserwählte", so auch Henry d'Anglade,  aufhalten und der Erzähler die geheimnisvolle La kennen - und beinahe lieben - lernt. Man debattiert über die Langeweile und verabredet sich für den Abend in der "Bar de la Mort". (Wo sonst.)
Aufgewühlt sucht der junge Mann in der Zwischenzeit Zuflucht in der Natur, muss jedoch zu seinem größten Schrecken feststellen, dass nichts und niemand mehr Schatten wirft und er sich nicht mehr spüren kann.
Der Erzähler wähnt sich auf Schritt und Tritt beobachtet, bis er die "Bar de la Mort" erreicht, ein finsteres Etablissement, an dessen Tür geschrieben steht: "Das Wort Herz ist bei Todesstrafe verboten!"
Maler, Musiker, Dichter und sonstige Propheten des Untergangs bevölkern die verrauchte Bar, auch Henry und La erwarten den Ankömmling bereits. Man parliert über Lüge und Lächeln, und abschließend manifestiert sich ein ebenso beherztes wie sinnloses Aufbegehren des jungen Mannes in einem Aufschrei, der ihm - für den Augenblick zumindest - den Hals rettet ...

(kre; 10/2005)


Iwan Goll: "Die Eurokokke"
Faksimile der Erstausgabe. 
Wallstein, 2002. 176 Seiten mit 9 Abbildungen nach Federzeichnungen von Georges Annenkoff.
ISBN 3-89244-515-X.
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Weitere Bücher des Autors sowie Buchtipps:

Yvan Goll: "Die Lyrik"

Vier Bände, herausgegeben von Barbara Glauert-Hesse.
Bd. 1: Frühe Gedichte (1906-1930):
Vorwiegend in deutscher Sprache. Bekannteste Zyklen: "Films", "Der Panama-Kanal", "Der neue Orpheus", "Die Unterwelt", "Paris brennt", "Der Eiffelturm".
Bd. 2: Liebesgedichte (1917-1950):
In deutscher und französischer Sprache; "Chansons Malaises - Malaiische Lieder" erstmals in vollständiger Fassung, inspiriert durch Yvan Golls Verbindung mit der Dichterin Paula Ludwig; "Poèmes d'amour", ein Wechselgesang mit Claire Goll. Außerdem: "Das Traumkraut", "Abendgesang (Naila)", "Zehntausend Morgenröten".
Bd. 3: Jean sans Terre / Johann Ohne Land:
In deutscher und französischer Sprache; versammelt den Jean sans Terre-Zyklus, 1936-1944, zusammen mit allen im Umfeld dieses Zyklus entstandenen Gedichten. Jeans sans Terre / Johann ohne Land zählt zum klassischen Kanon der modernen Lyrik und gilt als das lyrische Vermächtnis Yvan Golls. In fünf, in der Zeit von 1933-1944 verfassten Zyklen hat Goll sein persönliches Schicksal, seine Enttäuschung und seine vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs und der Verfolgung der Juden immer größer werdenden Verzweiflung in das Urbild des modernen unbehausten Menschen geformt.
Bd. 4: Späte Gedichte (1930-1950):
Überwiegend in französischer Sprache geschrieben; darunter auch englische Gedichte. U.a. "Métro de la mort", "Lackawanna Elegy", "Fruits from Saturn", "Elégie d'Ihpétonga", "Le Char Triomphal de l'Antimoine", "Die magischen Kreise" und die bisher unveröffentlichten "Histoires de Parmenia". (Wallstein)
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Yvan Goll: "100 Gedichte"
Ausgewählt und mit einem Nachwort versehen von Barbara Glauert-Hesse.
Yvan Golls Lyrik spiegelt die politische und literarische Entwicklung des 20. Jahrhunderts wider. Der Band enthält mehrere wiederentdeckte Gedichte. Golls Gedichte reichen von den sozialkritischen Anfängen des Expressionismus über den Surrealismus bis zu den hermetischen Sprachbildern der Spätzeit.
1996 erschien zum ersten Mal die gesamte Lyrik Yvan Golls in deutscher, französischer und englischer Sprache in einer vierbändigen Edition (siehe vorstehender Buchtipp).
Die Auswahl von Hundert Gedichten bietet heute einen Querschnitt dieser Ausgabe. Zwischen 1907 und 1950 geschrieben, lassen sie die Vielfalt und Weite der Themen erkennen, die das lyrische Werk Yvan Golls auszeichnen. Zu den frühen Gedichten aus "Films", "Der Torso" und "Die Unterwelt" tritt "Der Eiffelturm", folgen die Liebesgedichte aus "Poèmes d'amour", "Poèmes de Jalousie" und "Poèmes de la Vie et de la Mort" ebenso wie die "Malaiischen Lieder", schließlich Beispiele aus "Jean sans Terre" und dem Spätwerk "Das Traumkraut", "Neila. Abendgesang" und "Die Antirose". (Wallstein)
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Yvan Goll: "Der Mitropäer"
(Wallstein)
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Zusammengestellt, herausgegeben und kommentiert von Barbara Wiedemann:
"Paul Celan. Die Goll-Affäre"

Ausgelöst wurde die so genannte "Goll-Affäre" durch einen ungeheuerlichen Vorwurf von Yvan Golls Witwe Claire: Celan habe das Werk ihres Mannes plagiiert. Dieser Vorwurf erschütterte Celan zutiefst. Den Kampf um seine poetische Integrität führte er bis zum Tod. Zugleich aber durchschaute er das Exemplarische der Affäre und wehrte sich heftig dagegen, sie aufs Persönliche zu reduzieren. Erstmals wird nun das äußerst schwer erreichbare Material zu diesen - in ihrer Bedeutung für das Werk Paul Celans kaum zu überschätzenden - Vorgängen lückenlos aufgedeckt. Enthalten sind die frühen Zeugnisse der Begegnung beider Dichter, die bislang unveröffentlichten Goll-Übertragungen Celans, sein Briefwechsel mit Claire Goll, die (zum großen Teil unpublizierten) Briefe, Texte, Entwürfe und Notizen Celans zu den Plagiatvorwürfen. Die Sammlung dokumentiert die von Claire Goll entfesselte Pressekampagne, die Ausläufer der Affäre und das polemische Wiederaufflackern nach Celans Tod. Kenntlich wird, wie Claire Golls Vorwürfe mit ihren manipulativen Editionsverfahren am Nachlass Yvan Golls zusammenhängen, vor allem aber, warum Celan diese Auseinandersetzung mit ihrer antisemitischen Stoßrichtung als einen Vernichtungsfeldzug, als seine persönliche Dreyfus-Affäre verstehen musste. Kenntlich wird schließlich auch, weit über den engeren Plagiatvorwurf hinaus, welche Mentalitäten im Deutschland der 1950er und 1960er Jahre meinungsbildend am Werk waren. (Suhrkamp)
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Paul Celan: "Mohn und Gedächtnis. Gedichte"

Ein Schlüsselwerk der deutschen Nachkriegslyrik - zum 60. Jahrestag jetzt in bibliophiler Neuausgabe
Anno 1952 erschien der schmale, in schwarzes Leinen gebundene Gedichtband "Mohn und Gedächtnis" bei der DVA. Der Autor, eigentlich als Paul Antschel 1920 in Czernowitz/Bukowina geboren, war damals der literarischen Öffentlichkeit unbekannt.
Heute zählen diese 56 Gedichte, darunter "Todesfuge", sein berühmtestes, zu den bedeutendsten des 20. Jahrhunderts; auch weil sie zu den frühesten Zeugnissen einer dichterischen Auseinandersetzung mit der Shoa in der Bundesrepublik Deutschland gehören. Diese Thematik wie Celans disziplinierte und dabei magisch assoziative Sprache ermöglicht es uns heute noch, "Mohn und Gedächtnis" wie eine Neuentdeckung zu lesen. Nun, zum 60. Jahrestag, liegt dieser Band in einer der Erstausgabe nachempfundenen, bibliophilen Ausstattung wieder vor.
Paul Celan, (1920-1970) wurde als Sohn deutschsprachiger Juden in Czernowitz/Bukowina geboren. Seine Eltern wurden 1942 während der deutschen Besatzung deportiert und ermordet. Er selbst überlebte den Krieg in einem Arbeitslager. Danach gelangte er über Bukarest und Wien nach Paris, wo er bis zu seinem Tod als Dichter, Übersetzer und Lektor an der École Normale Supérieure lebte und arbeitete. Seine ersten Gedichte erschienen 1947 in Bukarest.
Paul Celan zählt zu den bedeutendsten Lyrikern der deutschen Nachkriegsliteratur und wurde u.A. mit dem "Georg-Büchner-Preis" ausgezeichnet. (DVA)

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Claire Goll: "Der Gläserne Garten. Prosa von 1917-1939"

Herausgegeben von Barbara Glauert-Hesse.
Der "Gläserne Garten" versammelt die gesamte frühe Prosa von 1917 bis 1939. Neben den expressionistischen Novellensammlungen "Die Frauen erwachen", "Der Gläserne Garten" und "Tagebuch eines Pferdes" sind es vor allem die heute nicht mehr bekannten journalistischen Beiträge, die Unerwartetes bereithalten. In leidenschaftlichen Anklagen gegen den Krieg verbindet sich Claire Golls radikales Eintreten für die Gleichberechtigung der Frau mit ihrem pazifistischen Engagement. Es sind gerade die journalistischen Beiträge in diesem Band, die eine andere Claire Goll zeigen. (Wallstein)
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Claire Goll: "Arsenik / Eine Deutsche in Paris"
Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Barbara Glauert-Hesse.
Liebe, Verlust, Eifersucht und Mord - Vom Leben und Scheitern zweier Frauen im Frankreich der zwanziger und dreißiger Jahre.
Mit ihrer Sympathie für die großen Menschheitsträume wie mit dem ihr eigenen Hang zur unerbittlichen Desillusionierung menschlicher Schicksale erzählt Claire Goll in den Romanen "Arsenik" (1932) und "Eine Deutsche in Paris" (1925) von Liebe, Verlust, Eifersucht, Erniedrigung und von Mord als Verzweiflungstat.
Claire Goll führt in ihrer Prosa der nachexpressionistischen Zeit das Emanzipationsthema aus der Frühzeit des 20. Jahrhunderts im Stil der Neuen Sachlichkeit fort und wird damit zur Weggenossin Marieluise Fleißers.
Für beide Romane fand Thomas Mann äußerst lobende Worte. So schrieb er 1933 in einem Brief an Claire Goll über "Arsenik": "Diese Geschichte eines Verbrechens ist eine psychologisch und medizinisch sehr fein und sorgfältig fundierte Arbeit, und sie erschüttert durch den menschlichen Aufstieg, den sie aus kleinbürgerlicher Verstrickung und trüber Schuld in die religiöse Sphäre der Läuterung und Erlösung nimmt."
Und 1928 urteilte er über "Eine Deutsche in Paris": "Es ist eine sehr schöne, klare und echte Geschichte, die mich in ihrer naiven und zarten Tragik sehr ergriffen hat. Gewiss wird sie ein dankbares Publikum finden." (Wallstein)
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Claire Goll und Rainer Maria Rilke: "Ich sehne mich sehr nach Deinen blauen Briefen"
Rainer Maria Rilke - Claire Goll, Briefwechsel. Herausgegeben von Barbara Glauert-Hesse.
Die Korrespondenz aus den Jahren 1918 bis 1925 ist ein Zeugnis von Freundschaft und Leidenschaft. Sie spiegelt Leben und Wirken zweier Menschen, deren Werk heute Literaturgeschichte ist.
Die Korrespondenz zwischen Rainer Maria Rilke und Claire Goll wird zum ersten Mal aus den Handschriften veröffentlicht. Der Briefwechsel beginnt 1918, kurz nach der ersten Begegnung Claire Golls und Rilkes in München. Aus der frühen Zeit der Beziehung sind nur Rilkes Briefe erhalten. Trotz ihrer Verhaltenheit zeigen sie, dass es bald nicht mehr bei einer Dichterfreundschaft zwischen dem 43jährigen und der 28jährigen blieb. Von 1920 bis 1923 tritt in der Korrespondenz eine Pause ein, und erst im Februar 1925 sehen sich die Beiden wieder. Es existieren keine unmittelbaren schriftlichen Äußerungen über diese Begegnung, doch spricht Claire Golls Brief vom April 1925 eine sehr deutliche Sprache: "Ist man doch so beschenkt, wenn man Dich nur ansieht, geschweige wenn man Dich hört - Du weißt ja, daß ich seit acht Jahren noch nicht wagte zu erfahren, ob Du es bist oder der liebe Gott."
Rainer Maria Rilke stirbt 1926, 51jährig, an Leukämie. 50 Jahre später, am 30. Mai 1977, stirbt Claire Goll in Paris. Die Briefe Rilkes bewahrte sie zeitlebens in ihrer Nähe auf und rettete sie über ihr New Yorker Exil zurück nach Frankreich.
Der Band enthält neben den Briefen sieben Gedichte Rilkes in französischer Sprache, die er im Februar 1924 als kleines handgebundenes Buch an Claire Goll gesandt hatte und die 1926 unter dem Titel "Vergers" in der "Nouvelle Revue Française" gedruckt wurden, ebenso das bisher unveröffentlichte und lange verschollen geglaubte Manuskript "Gefühle. Verse von Claire Studer". (Wallstein)
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Alfred Döblin: "Berlin Alexanderplatz"

Die Geschichte des ehemaligen Transportarbeiters und "guten Menschen" Franz Biberkopf, der, aus der Strafanstalt Berlin-Tegel entlassen, als ehrlicher Mann ins Leben zurückfinden möchte, ist der erste deutsche Großstadtroman von literarischem Rang. Schauplatz des Geschehens ist das Berlin der 1920er-Jahre. Dabei wird die Großstadt selbst zum Gegenspieler des gutmütig-jähzornigen Franz Biberkopf, der als Zeitungsverkäufer am Alexanderplatz steht, aufrichtig bemüht, endlich "anständig zu sein", kein Verbrechen mehr zu begehen und dieser verlockenden, aber auch unerbittlichen Welt zu trotzen.
Mit "Berlin Alexanderplatz" vollzog Döblin die radikale Abkehr vom bürgerlich psychologischen Roman. Hier wurde kein Einzelschicksal analysiert. Das kollektive Geschehen, das Allgemeine einer menschlichen Situation erfuhr hier eine gültige dichterische Gestaltung.
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