Raja Shehadeh: "Fremd in Ramallah.
Mein Leben als Sohn im besetzten Palästina"


"Die Welt braucht einen eigenen palästinensischen Staat ", sagte der amerikanische Präsident Bush am 3. Juni 2003 anlässlich seines Besuches in Ägypten.


Bezeichnend finde ich in diesem Zusammenhang, dass die Vollversammlung der Vereinten Nationen bereits am 29. November 1947 die Resolution 181 verabschiedet hat, die die Aufteilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat vorsieht.

Die Geschichte von Raja Shehadeh gibt Einblick in das Leben einer Familie, die sich trotz aller Mühsal entschlossen hat in ihrer Heimat zu bleiben. Sowohl Vater als auch Sohn sind bemüht, einen Beitrag für die Lösung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern zu leisten, nur eben beide auf ihre eigene Art, was zu einem sehr belasteten Vater-Sohn-Verhältnis führt.

Als Raja 1951 geboren wird, lebt seine Familie bereits in Ramallah, einer kleinen Stadt in der Bergregion des Westjordanlandes. Doch dieser Ort erscheint dem Jungen nie als Heimat. Heimat ist Jaffa, die Stadt, wo seine Eltern vor der Besetzung durch die Israelis lebten und der all ihre Sehnsucht gilt. So wächst er auf mit einer Heimat, die er selbst nie kennen gelernt hat und mit einem Vater, einem bekannten Anwalt, der politisch sehr engagiert ist. Aziz Shehadeh tritt als Erster 1967 für eine friedliche Lösung des Konflikts ein, was ihm große Missachtung in den Kreisen der Palästinenser und einige Verhaftungen einbringt. Zu sehr dient Israel als Ventil für die wütenden Palästinenser und lenkt so wunderbar von den eigenen Missständen ab. Doch Aziz lässt sich von seinem Weg nicht abbringen und prophezeit, dass ohne eine friedliche Lösung die Israelis immer mehr vom Land beanspruchen würden. Als er keine Erfolge verbuchen kann, zieht er sich enttäuscht aus der Politik zurück und fällt Jahre später im Rahmen seiner Tätigkeit als Anwalt einem Messerattentat zum Opfer.

Raja geht einen anderen Weg. Nach seinem Jura- und Literaturstudium in London und einem kurzen Abstecher nach Indien kehrt er in seine Heimat zurück, tritt in die Kanzlei seines Vaters ein und engagiert sich für die Rechte der Palästinenser und gegen die zweifelhaften Vorgehensweisen der Israelischen Besetzer. Gemeinsam mit Freunden gründet er 1979 im Rahmen der Internationalen Juristenkommission eine Sektion, "Law in the Service of Man/Al Haq", die sich mit Menschenrechts- und Gesetzesverletzungen durch die Israelis beschäftigt und weltweit darauf aufmerksam macht. Daneben nutzt Raja sein literarisches Talent, um Bücher und Artikel zu diesem Thema zu verfassen. Sein Engagement findet nicht die Zustimmung seines Vaters, und so entwickelt sich ein immer stärkerer Konflikt zwischen Aziz Shehadeh und seinem idealistischen Sohn.

Doch Raja wird immer selbstständiger, lässt sich keine Vorschriften machen, weder was die gewünschte Lebensweise betrifft, noch seinen Einsatz für die Menschenrechte.
Der Tod seines Vaters zwingt ihn, sich mit ihrer Beziehung auseinander zu setzen, was er auch sehr intensiv tut. Immer wieder spricht er mit Menschen, die seinen Vater gekannt haben und begegnet dem Barbier, der seinen Vater und ihn seit Jahren betreut. Dieser sagt ihm, dass er täglich an Aziz Shehadeh und an seine Worte vor 25 Jahren denkt, die lauteten:
"Wenn wir jetzt keinen Frieden mit Israel schließen, dann ist es zu spät. Es wird immer mehr Siedler geben. Jetzt haben wir noch eine Chance!"

Dieses Buch ist für jeden weltpolitisch interessierten Menschen ein absolutes Muss um sich näher mit dem seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern auseinander zu setzen und eine Ahnung davon zu bekommen, unter welchen Umständen diese Menschen dort leben müssen.

(margarete; 06/2003)


Raja Shehadeh: "Fremd in Ramallah.
Mein Leben als Sohn im besetzten Palästina"
Ins Deutsche übersetzt von Bärbel Deninger.
Europa Verlag, 2003. 320 Seiten.
ISBN
3-203-82250-4.
ca. EUR
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