Corinna Hesse, Antje Hinz: "Israel hören"
Das
Heilige Land
(Hörbuchrezension)
Zwischen
den Horizonten
Am nördlichen Ende des gewaltigen, 6000 Kilometer langen
Grabenbruchs, der die
afrikanische Erdplatte von der arabischen trennt, liegt ein Land, das
eine
bewegte Geschichte hinter sich hat und dessen politische und
religiöse
Vergangenheit auch in jüngster Zeit immer wieder die
Zündschnur für vielfältige
blutige Auseinandersetzungen liefert.
Schon immer war Israel ein Land der Gegensätze. Allein
geografisch kann es mit
einer Fülle Divergenzen aufwarten. In En Gedi am Toten Meer
mit seinen
heilenden Salzen und der gesunden Luft liegt zum Beispiel der tiefste
Punkt der
Erde - mehr als 400 Meter unter dem Meeresspiegel. Die fruchtbaren
Flusstäler
des Jordans wechseln sich mit kahlen Gebirgszügen und
faszinierenden Wüstenlandschaften
ab. Diese geografischen Kontroversen erzeugen zum Teil schroffe Wetter-
und
Jahreszeitenwechsel. "In der sommerlichen Trockenzeit bleibt
der Regen
aus, das Land verdorrt. Herbst und Winter bringen heftige
Stürme und
Gewitter", weiß der Sprecher des Hörbuches
"Israel hören",
der Schauspieler Rolf Becker, zu berichten.
Wissensreiches und interessantes Zeitzeugnis eines
widerspruchsvollen Landes
Zum Chaos der Natur gesellt sich das
nicht immer friedliche Miteinander
seiner
Menschen, hervorgerufen durch ein Potpourri verschiedener
Glaubensrichtungen,
von denen zwei ihren Ursprung in diesem Land haben: das Juden- und das
Christentum. Moses führte die Israeliten Ägyptens aus
500 Jahren Sklaverei in
das Land Kanaan - wie es damals im Vorderen Orient hieß.
Jesus wurde hier
geboren, wirkte als Wanderprediger und verkündete das Reich
Gottes, in welchem
das Böse enden und das Gute vollkommen wird, bis er - der
Aufsässige -
gekreuzigt wurde. Später baute man in Jerusalem die
Grabeskirche über seinem
offenen Grab.
In unglaublich fesselnden 80 Minuten spannt die Produktion des
Silberfuchs-Verlages der beiden Kulturjournalistinnen Corinna Hesse und
Antje
Hinz einen großen zeitlichen Bogen von der Antike und der
ersten frühen
Hochkultur (in Megiddo, einer mehr als 5000 Jahre alten Stadt im Norden
Israels,
fand sich ein Fragment des sumerischen
Gilgamesch-Epos,
der ältesten erhaltenen
Literatur der Menschheit) bis in die heutige Gegenwart. Unterlegt mit
musikalischen Beiträgen, die den gesprochen Text harmonisch
und authentisch
untermalen, ist dieses Hörbuch erneut ein überaus
wissensreiches und
interessantes Zeitzeugnis eines widerspruchsvollen Landes.
Äußerst sensibel
wird dabei die dramatische Geschichte von Vertreibung, Verfolgung,
Wiederbesiedlung und die große Friedenssehnsucht Israels
erzählt. Corinna
Hesse, die Autorin, konzentriert sich dabei vor allem auf die
frühe Geschichte
des Landes und spürt dem nach, was
die Juden, das Volk Israel,
überhaupt erst
zu dem gemacht hat, was es ist, und welche Spuren es in anderen
Kulturen
hinterlassen hat. Der Holocaust wird zwar nicht ganz verschwiegen,
spielt aber
ebenso wie die Moderne nur eine geringe Rolle. Verbindende Elemente
sind immer
wieder die drei großen Weltreligionen, welche die Autorin
abseits der religiös-politischen
Reibungsflächen überaus behutsam einflicht und
dadurch eine sensitive Brücke
zwischen Orient und Okzident schlägt.
Mittelpunkt der Welt
"Israel hören" reiht sich erneut wohltuend ein in die Serie
anspruchsvoller, aber immer leicht verständlicher
Hörbücher
über Länder und ihre Kulturen, die aus dem Haus in
Kayhude, vor den Toren
Hamburgs gelegen, kommt. Alle zeichnet ein fundiert recherchierter
Inhalt in
einer spannenden, lebendigen, abwechslungsreichen und ausdrucksstarken
Aufbereitung aus. Aber nicht nur der Inhalt der von Roswitha
Rösch künstlerisch
gestalteten CD - eine wohltuende Mischung aus Musik (40 Musikbeispiele
des jüdischen
Kulturraumes) und Wort, vorgetragen von einem großartig
intonierenden Rolf
Becker, mit seiner sonoren und wohl modulierten Stimme - offenbart
Opulenz und
Vielfalt, auch das 19-seitige Begleitheft überrascht mit einem
zusammenfassenden Geschichts-"Stakkato" und vielfältigen
Abbildungen
von archäologischen Funden, Tempelreliefs, Ikonenmalereien
oder Fotos der
Festungsanlage von Masada und des Felsendoms in Jerusalem. Eine kleine,
feine
optische Ergänzung zum akustischen Genuss.
Bleibt nur zu hoffen, dass dieses Land endlich zur Ruhe kommt, denn
Ausdauer und
Geduld hat es längst bewiesen. "Es kam aus dem
Mittelpunkt der Welt,
wanderte rund um den Globus und kehrte dann zurück. Wenn es
auf die Weisheit
seiner Väter vertraut, können die Söhne
vielleicht in Frieden leben. Die
Geschichte ist wie ein Buch, das keinen Anfang hat und kein Ende",
leitet Rolf Becker das letzte Kapitel im Hörbuch ein, um
anschließend den
israelischen Schriftsteller Amos
Oz zu zitieren: "Als kleiner Junge wollte ich, wenn
ich einmal groß
wäre, ein Buch werden. Nicht Schriftsteller, sondern ein Buch:
Menschen kann
man wie Ameisen töten. Auch Schriftsteller umzubringen ist
nicht schwer. Aber Bücher
- selbst wenn man versuchte, sie systematisch zu vernichten, bestand
immer die
Chance, dass irgendein Exemplar überlebte und sich weiterhin
eines Regallebens
in der Ecke einer abgelegenen Bibliothek erfreute. Menschen kommen und
gehen,
werden geboren und sterben, doch Bücher sind unsterblich."
Ein kleines bisschen unsterblich ist auch dieses Hörbuch.
Fazit:
"Israel hören" weckt wohltuend jenseits von jeglichen
Vorwürfen und
Wertungen Verständnis, Neugier und Interesse für die
jüdische Kultur, welche
die abendländische nicht wenig beeinflusst hat. Das
Hörbuch ist eine überaus
spannende und lehrreiche Reise durch ein fremdes, aber zeitweilig auch
vertrautes Land. Den Hörer erwarten anspruchsvolle
Informationen in 21 kurzen
je etwa vierminütigen Kapiteln.
(Heike Geilen; 09/2009)
Corinna
Hesse, Antje Hinz: "Israel hören. Das
Heilige Land"
Sprecher: Rolf Becker.
Silberfuchs-Verlag, 2008. 1 CD; Spieldauer ca. 80 Minuten.
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