Jean-Marie Andre: "Griechische Feste - römische Spiele. Die Freizeitkultur der Antike"


Es werden der Zeitleiste entsprechend das heroische Zeitalter Griechenlands, das klassische Griechenland, die hellenistische Welt, das frühe Rom und die römische Republik sowie das römische Kaiserreich in Hinblick auf Freizeitstrukturen untersucht.

Jedes der fünf Kapitel wird durch Darstellung allgemeiner Gesellschaftsstrukturen oder auch politischer Nuancen eingeleitet. Innerhalb der Kapitel werden die verschiedensten Aspekte von Freizeit behandelt. Leider werden die geschichtlichen Ereignisse recht trocken aneinander gereiht. Da hierbei jedoch von einem Lesebuch die Rede ist (wie auch "Die Welt" in Zusammenhang zu diesem Buch zitiert), ist es gar nicht Sinn der Sache, dass sich der Leser von Seite zu Seite vorhantelt. Es gibt einiges über Theater, Sport, Gesellschaftsspiele und allgemeine Freizeitvergnügungen wie etwa das Bad oder das Flanieren zu entdecken. Da meine Vorliebe beim Lesen dem Sport gehörte: wussten Sie etwa, was als Vorläufer der olympischen Spiele galt? Ich verrate es natürlich nicht, aber die Antwort ist äußerst interessant... Die Gladiatorenkämpfe waren auch nicht zu verachten, wenngleich diese nicht wirklich als sportliche Wettkämpfe im herkömmlichen Sinne zu betrachten sind. Der Sport hatte noch nicht die Massenwirkung wie heute. Es gab einige besonders gute Athleten, die sich auf die Schenkel klopfen und jede Menge Preise abräumen konnten. Kein noch so unbekannter Fußballer wäre heutzutage bereit, für den geringen Sold auf "Tournee" zu gehen, der so manchem Faustkämpfer der Antike gewährt wurde.

Die diesbezüglichen Anmerkungen eines Platon, Aristoteles oder Cicero, der sogar meinte, dass allein dank der Muße es sich zu leben lohne, zeigen schön und klar, dass Müßiggang in antiken Zeiten ganz anders, weitaus positiver bewertet war als heute. Im antiken Griechenland waren mindestens 60 Tage im Jahr für Feste und Veranstaltungen reserviert, Bildung, Kunst und Politik galten als führendes Mußeideal. Für den freien Bürger war die Muße nichts anderes als der Normalzustand, was sich auch in der Sprache ausdrückt, die Freizeit (griechisch: "schole": lateinisch: "otium") ist das Ursprungswort, von dem die Arbeit ("ascholia" bzw. "negotium") als Nicht-Freizeit abgeleitet ist. Heutzutage hat sich diese Verhältnis leider völlig umgekehrt, es gibt keine Arbeitslosen mehr, nur mehr Arbeitssuchende, denn ein Leben ohne die Notwendigkeit zu arbeiten gehört scheinbar zum Schlimmsten, was einem heute passieren kann. Vom "modernen" Menschen wird erwartet, dass er mit möglichst hohem Tempo durch sein Leben rast und er dabei bedacht sein soll, seinen Platz an der Sonne zu erobern. So sieht es dieser Mensch zunehemend als Zeitverschwendung, sich dem Müßiggang zu widmen, somit die Freuden des Lebens auf natürliche Weise einzuatmen und sich selbst dabei weiter zu entwickeln. In der Antike galt möglichst viel Freizeit als Voraussetzung, diesen schönen, eines menschlichen Wesens würdigen Bestrebungen nachgehen zu können. Leider ist dies gegenwärtig völlig anders. Wer nicht wie eine Rakete abzieht, wohin auch immer, der ist nichts, mag die Maxime sein. Wieder ein Punkt, wo man wie bei so vielen anderen leider von Rückschritt sprechen muss. Legen Sie sich ruhig in die Hängematte, wenn Sie eine haben sollten, lieber Leser; seien Sie einfach nur Sie selbst! Und schlagen Sie damit den relativen Anforderungen unserer Zeit ein Schnippchen!

(Jürgen Heimlich; Juni 2002)


Jean-Marie Andre: "Griechische Feste, römische Spiele. Die Freizeitkultur der Antike"
Reclam Verlag 2002
350 Seiten
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