Pippa Hurd: "Erotische Kunst"


Gern greift man zu diesem edlen Band, der im Verlag Prestel erschienen ist.

Allein schon das Buch in der Hand zu halten, ist schon eine Freude. Kühl und angenehm fühlt sich der Seideneinband an, und dieser changiert von der warmen Farbe Weinrot bis zur kühlen Farbe Silberblau, was ein herrliches Farbspiel ergibt. Doch dem Sinn eines Buches gemäß liegt die wahre Stärke in seinem Inhalt, in den Bildern erotischer Kunst.

Gleich der Titelseite gegenüber findet sich Picassos "Minotaur und Nackte" aus dem Jahre 1933. Ein Bild extrem erotischer Stärke, das seine Kraft aus der tierischen Leidenschaft bezieht, aus der reinen Lust, die auf dem Papier festgehalten wurde. Die beiden Gestalten sind ineinander verkeilt, der Minotaur dringt leidenschaftlich in die Frau, welche selbst kraftvoll mit ihren Beinen die Lenden des Mannes an sich zieht, während sie ihren Körper vor Lust nach hinten wirft.
Ob es sich um Pornografie oder Kunst handelt, lässt sich nicht durch viele Seiten Schreibarbeit klären, sondern alleine durch den Blick des Betrachters. Picasso steht eben für seinen Namen.

Der Autorin Pippa Hurd, die in London lebt, ist es gelungen, eine gute Mischung an erotischen Kunstwerken für diesen Band zusammenzustellen. Und so führt sie den Betrachter vom antiken Griechenland mit seiner homoerotischen Kunst, über Wandmalereien des alten Pompeji, von den Meisterwerken der Renaissance durch die Jahrhunderte bis herauf in unsere Zeit zu den Fotografien eines Jeff Koons. Dabei bleibt die Autorin aber nicht in unserer westlichen Welt, sondern macht Abstecher ins alte Indien, China und Japan, die einen deutlich anderen Umgang mit der Sexualität zeigen.

Zweierlei fällt besonders auf:
Erstens handelt es sich vorwiegend um Darstellungen von Frauenkörpern. Dies verwundert nicht, sind doch die Erschaffer der in diesem Buch gezeigten Werke fast ausschließlich Männer. Der Großteil der Künstler war heterosexuell und somit dem sogenannten schönen Geschlecht zugetan. Folglich wurden in erster Linie Frauen als Blickpunkte verewigt.
Wo es sich um Darstellungen von Männern handelt, sind dahinter immer homosexuelle Künstler zu finden. Selbst die Werke der einzigen in diesem Buch angeführten Frau, Tamara de Lempicka, zeigen Frauen und keine Männer.
Zweitens handelt es sich vorwiegend um Szenen, die nicht als pornografisch zu bezeichnen sind. Szenen, in denen es zum Liebesakt kommt, sind eher selten. Und doch bezieht das Buch seine Spannung aus dem Wechselspiel der unterschiedlichen Darstellungen. So finden wir auf der einen Seite das ruhige Bild Tizians, die Venus von Urbino, die den Leser zu sinnlicher Betrachtung einlädt, und auf der anderen Seite die Zeichnungen Giulio Romanos, die später der Illustration zur vielzitierten erotischen Dichtung Pietro Aretinos dienten und den Liebesakt in unbekümmerter Verspieltheit und Offenheit zeigen.

Genüsslich kann man so durch die erotischen Kunstwerke der Jahrhunderte blättern und bekommt einen Überblick über die Schaffenskraft der einzelnen Künstler. Und dabei verwundert es oft nicht, dass viele der Namen geläufig sind, um nur Klimt und Kokoschka als Vertreter Österreichs zu nennen.
Ein wenig blass bleibt leider der Text der Autorin. So interessant und spannungsgeladen die Zusammenstellung der Kunstwerke gelungen ist, so wenig hilft der Beitext dem Betrachter, etwas über erotische Kunst zu erfahren. Aufgabe sollte es sein, den Betrachter weiter in das Bild hineinzuführen, auf pikante und interessante Details aufmerksam, ihn mit neuen und möglichen Sichtweisen vertraut zu machen. Stattdessen wird die Suppe bereits vorhandener Kunstinterpretationen aufgewärmt. Außerdem sollte man die Aussage vorsichtig bewerten, Künstler hätten bestimmte Sujets auf eine bestimmte Weise gemalt, um damit etwas ganz Bestimmtes zu erreichen. Ohne Aussagen des Künstlers selbst bleiben diese Interpretationen immer auch Spekulationen, wenn sie sich auch in den Büchern namhafter Kunstkritiker wiederfinden.
Fazit ist: Der Text fesselt nicht, die Bilder schon. Aber das hat auch sein Gutes, denn schließlich soll die Kunst selbst und nicht das Gerede über sie im Vordergrund stehen.

(Hans-Peter Oberdorfer; 02/2005)


Pippa Hurd: "Erotische Kunst"
Prestel, 2004. 144 Seiten; 150 farbige Abbildungen.
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Mircea Eliade: "Indiens mystische Erotik"

Für den rumänischen Religionsphilosophen Mircea Eliade stellt die Entdeckung des nichteuropäischen Menschen und seiner geistigen Welt das wichtigste Phänomen des 20. Jahrhunderts dar. Namentlich die wissenschaftliche Erforschung exotischer (Natur-) Religionen, aber auch des Hinduismus und Buddhismus ermöglicht dem Abendland eine geistige Horizonterweiterung ohnegleichen - und damit eine beträchtliche Relativierung und dringend notwendige Korrektur der eigenen eurozentristischen Denkweisen.
Besonderes Augenmerk verdienen Eliades Arbeiten zu den Weisheitslehren und spirituellen Praktiken Indiens - zu Hinduismus und Buddhismus sowie zu Schamanismus, Tantrismus und Yoga: eine Pionierleistung Eliades im interkulturellen und interreligiösen Dialog zwischen West und Ost, die nicht nur von fächerübergreifender Gelehrsamkeit und philologischer Akribie, sondern vor allem von der psychologischen Bereitschaft und Gabe, sich in die Einstellungen anderer, fremder Menschen einzufühlen, getragen wird.
Die Texte zu Indiens mystischer Erotik, die nun zum ersten Mal auf Deutsch vorliegen, entstanden in den Jahren 1929-1931 während Eliades Aufenthalt in Indien. Sie kreisen alle um das Thema Indien, indische Religion, Mystik und Spiritualität, wobei die mystische Erotik Indiens im Mittelpunkt steht. Den Schluss des Bandes bildet die intime Korrespondenz Eliades mit seiner Familie: Briefe, die den Leser zum unmittelbaren Zeugen seiner wissenschaftlichen, literarisch-künstlerischen, aber auch alltäglichen Aktivitäten werden lassen und die aufgrund ihrer Authentizität Eliades spirituelles Tagebuch substanziell ergänzen. (Verlag der Weltreligionen)
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Sabrina Melandri (Hrsg.): "Ich sehne mich nach Licht und Liebe. Die schönsten erotischen Gedichte von Frauen"
Mit Zeichnungen von Gustav Klimt.
Liebesgedichte handeln von Gefühlen, erotische Gedichte von Sinnlichkeit und Körperlichkeit. In den auf dem Markt kursierenden Lyrik-Anthologien ist die Vormacht der Dichter jedoch erdrückend - höchste Zeit und größte Lust, endlich Dichterinnen und Schriftstellerinnen zu Wort kommen zu lassen: Zarte Verse und schnelle Rhythmen. Berührendes, Betörendes und Buhlerisches. Erregendes und Ermunterndes. Sehnsucht und Schwelgerei. Erfüllung und Erleuchtung. Rausch und Romantik. Pure Empfindsamkeit. Herztöne. Überwältigung und Hingabe. Keine Frage: Die auf- und anregendste Lyrik, die zwischen zwei Buchdeckeln Platz finden kann, wurde von Frauen geschrieben.
Dieses Buch ist ein kleines Boudoir - eine Verführung zum Sichzurückziehen, zum ungestörten Lesen und Schauen. Ein literarisches Refugium für alle Leserinnen, die das Leichtsinnige und Leichtherzige lieben, aber auch das Leidenschaftliche der Liebe in all ihren Facetten.
"Ich habe dich erwählt
unter allen Sternen.
Ich bin wach - eine lauschende Blume
im summenden Laub.
Unsere Lippen wollen Honig bereiten,
Unsere schimmernden Nächte sind aufgeblüht.
an dem seligen Glanz deines Leibes
Zündet mein Herz seine Himmel an -
alle meine Träume hängen an deinem Golde,
ich habe dich gewählt unter allen Sternen."
(Else Lasker-Schüler). (Thiele Verlag)
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