Ruprecht Skasa-Weiß: "Fünf Minuten Deutsch"

Modischer Murks in der Sprache


Ein humorvolles Buch wider die gedankenlose Verhunzung unserer Sprache

Dass Bücher über modische Marotten in der Sprache auf ein breites Interesse stoßen, ist spätestens seit dem Erfolg von Bastian Sicks Nachgesang auf den vom Dativ hingemeuchelten Genitiv bekannt. Rupert Skasa-Weiß hat nun einige Höhepunkte seiner Kolumne "Fünf Minuten Deutsch" (Stuttgarter Zeitung) in Buchform zusammengefasst. Er nimmt vor allem seine Journalistenkollegen aufs Korn, denn im Blätterwald findet man die absonderlichsten Gallen.
Da wäre der Missbrauch des Doppelpunkts anzuführen, der einen ordentlich ausgeführten Nebensatz einsparen soll und doch nur zwei klobige Satztrümmer mehr recht als schlecht verbindet. Oder nicht einmal das, wenn der Satzteil nach dem Doppelpunkt durch ein groß geschriebenes erstes Wort abgehackt wird. "Dabei wird übersehen: Bei Kohl wussten die Menschen, wofür er stand", lautet eines der zahlreichen als Beispiele dienenden Zitate aus dem Buch. Dies mag ein Stilproblem von Schlagzeilenschöpfern sein, aber auch die simple Berichterstattung birgt manche Fußangel. Unter anderem laden die vertrauten Präpositionen in Verbindung mit Wortketten und -neuschöpfungen zum Fehlermachen ein, wie die beliebten "Kritiker am Reformkurs" belegen, die, streng genommen, nicht etwa Kritik am Reformkurs üben, sondern sich etwas eigenartig positioniert haben. Und eine "Investitionsgelegenheit in Aktien" bezeichnet der Autor zu Recht als Missgeburt. Er widmet sich natürlich auch dem Behördendeutsch, das vor allem durch unappetitlich koagulierende Verbindungen von Wörtern gekennzeichnet ist. Was für ein Glück, dass ich nicht EU-Vizekommissionspräsident bin, aber Ruprecht Skasa-Weiß zeigt auf, dass jeder von uns solche Schlangen bildet und benutzt, übersichtlich in der "Urlaubsfrisur", langkettig in Form des "Verkehrswegebeschleunigungsgesetzes". Der Autor weist korrekt darauf hin, dass die Rechtschreibreform diesbezüglich versagt hat, die solche Ungetüme mittels Bevorzugung der Getrenntschreibung eigentlich ausmerzen sollte; sie greift hier einfach nicht. Wehe dem, bei dem nicht wenigstens die automatische Silbentrennung von "Word" funktioniert, die vielleicht im Rahmen der Ausbreitung der Bindestrichitis neue Impulse geben könnte.
Selbstverständlich werden auch Modewörter und -begriffe angemessen gewürdigt, ob es nun etwa um irgendwie gelagerte Fälle und dergleichen geht (abgesehen von Weinfässern und Vorräten, die ein Recht auf sorgfältige Lagerung haben), um "denke ich", heute eine Standardformel von Politikern und anderen mehr oder weniger Sachverständigen, oder um die Marotte, eine lange Reihe von Synonymen mit fein abgestufter Bedeutung durch das stereotype "zögerlich" zu ersetzen.
Das Buch enthält zudem etliche weitere Kolumnen über häufig berührte Stolpersteine der deutschen Grammatik, des guten Stils und des Bedürfnisses von Journalisten, möglichst viel "Information" in möglichst wenige Zeichen zu packen. Damit der Leser bei Bedarf den Artikel über ein bestimmtes Thema nachschlagen kann, gibt es am Ende ein Register zu Grammatik-, Stil- und Rechtschreibfragen sowie eine Wörterliste.

Hatten wir das nicht schon?, mag man sich fragen. Ein paar Kapitel überschneiden sich in der Tat teilweise mit Inhalten anderer Bücher zum Thema, beispielsweise die Kritik am "Denglisch" und manche Kapriolen aus dem Grammatikzirkus. Neu sind an diesem Buch der Schwerpunkt auf dem Journalismus und die (erfüllte) Intention, nicht belehrend im Stil eines Oberlehrers aufzutreten, sondern mit den Mitteln der Glosse sprachliche Fettnäpfchen, Missstände und Absurditäten zwar sachlich, aber auch launig und karikierend darzustellen. Die meisten Leser werden sich gelegentlich dabei ertappen, dass sie einer modischen Marotte bereits verfallen sind oder sich von einem grammatischen oder syntaktischen Zweifelsfall verunsichern lassen. Aus "Fünf Minuten Deutsch" kann man folglich eine Menge lernen, doch das Buch bietet darüber hinaus auch humorvolle, nicht selten sarkastische Unterhaltung und regt den Leser dazu an, die journalistischen Ergüsse in Printmedien und die eigene Reaktion darauf kritischer zu betrachten. Man kann eben nicht alles, was man schwarz auf weiß besitzt, getrost nach Hause tragen - dieses Buch allerdings "darf man".

(Regina Károlyi; 03/2006)


Ruprecht Skasa-Weiß: "Fünf Minuten Deutsch"
Klett-Cotta, 2006. 208 Seiten.
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Ruprecht Skasa-Weiß wurde 1936 in Nürnberg als ältester Sohn des Schriftstellers Eugen Skasa-Weiß geboren. Studium der Germanistik, Philosophie, Psychologie von 1956 bis 1961. Mitarbeit in der Zentralredaktion für Serien und Romane im Verlagshaus A. Springer 1960, anschließend bis 1962 Redakteur. Dramaturg bei "Bavaria Atelier", Geiselgasteig, bis 1963. Von 1963 bis 2001 Feuilletonredakteur der "Stuttgarter Zeitung", speziell verantwortlich für Wochenendbeilage, Film, Kabarett, Sprachliches.