Ariel Denis:
"Stille in Montparnasse"
Gesprochen von Udo Samel
(Hörbuchrezension)
Wer
das Buch von Ariel Denis
nicht gelesen, aber über dieses Werk
gelesen hat, vielleicht aber auch,
wer es gelesen hat, freut sich möglicherweise
darüber, dass "Stille in
Montparnasse" bei Random House Audio im Juni 2007 als Hörbuch
erschien.
Gleich die ersten Buchseiten sind dadurch gekennzeichnet, dass sie den
Platz für
nur einen einzigen Satz bilden, und auch danach bleibt der Aufbau
leicht wirr,
ohne Luft zu holen. Manch Einer ist davon angetan, manch Anderer
hingegen
genervt. Da lässt man sich den aus diesen Gründen
eher schwer zu lesenden Text
doch lieber von Udo Samel vorlesen - oder?
Drei CDs füllt die 175-minütige, ungekürzte
Lesung des Buches, doch gleich zu
Anfang die Ernüchterung: Udo Samel liest das Buch so, wie es
geschrieben wurde,
nämlich mit stets zornigem Unterton, schnell, ja, sogar
stellenweise hastig.
Was dem Stil des Buches sehr gerecht wird, funktioniert jedoch
sicherlich nicht
für den Hörer. Hat man beim Selberlesen noch die
Möglichkeit, eine Stelle
wiederholt zu lesen, langsamer zu lesen, zu pausieren oder gar einmal
an eine
vorherige Stelle umzublättern, lässt ein
Hörbuch für all das keinen Raum.
Und so bleibt nur die Hast und die Wut über "Musikbeschallung"
seitens des durch Montparnasse spazierenden Erzählers, aber
der Text selbst gerät
ins Hintertreffen. Keine Szene, keine Idee wirkt greifbar, nirgendwo
kann man
verweilen, über keine Aussage einen Moment nachdenken,
sinnieren - es sei denn
natürlich, man hat die Tasten des Abspielgerätes
stets in Reichweite.
Dass das Hörbuch viele Szenen beinhaltet, bei denen dem
Spaziergänger Melodien
in den Sinn kommen, er innerlich oder äußerlich zu
singen beginnt und derlei
mehr, kostet das Hörbuch letztlich Kopf und Kragen. Sehr
bemüht liest Samel
auch diese Szenen, verfällt tatsächlich auch des
Öfteren in einen leichten
Singsang, doch das ist dem Inhalt mit Sicherheit abträglich,
denn - bei allem
Respekt - Samel verfügt nicht gerade über eine
für solche Szenen geeignete
Stimme und sorgt somit unweigerlich und ungewollt dafür, dass
so einige Stellen
des Hörbuchs nahezu ad absurdum geführt werden.
Letztlich schadet dies dem Hörbuch allerdings nicht, und zwar
insofern, dass
sowohl Buch als auch Hörbuch unabhängig von
Elke
Heidenreichs Loblied auf den
Titel in ihrer TV-Sendung "Lesen!" das Werk von jemandem ist, der sich
leicht als überkandidelt, arrogant und unangenehm entpuppt.
Denis hat sich -
oder dem Mann, der durch Montparnasse spaziert ... wie auch immer -
einen Raum
geschaffen, in dem er der Egozentrik und dem damit verbundenen, eher
durch
geringe Ausmaße charakterisierten Weltbild freien Lauf lassen
kann. Von
Toleranz kann da keine Rede sein, wenn gegen die Konsumenten von
Discomusik, Rap
und sonstiger Alltagsbeschallung gewettert wird.
Sicherlich ist einzuräumen, dass hier wie bei den meisten
Aussagen von
irgendwem über irgendetwas auch ein wahrer Kern zu finden ist,
sicherlich fühlte
sich jeder Mensch schon einmal von der einen oder anderen "Musik"
genervt, begegnet diversen Stilen mit Unverständnis, trauert
um die Würdigung
von Klassik oder meinetwegen auch um den vom Erzähler des
(Hör)buches
verehrten Hermann Prey, aber "Stille in Montparnasse" verweist weder
auf die Schönheit bestimmter Musik, noch auf den Wert der
Stille, sondern
lediglich auf eine subjektive, intolerante und persönliche
Ansicht eines
Einzelnen - und daran ändert auch kein Verweis auf Stil,
Intention und
sonstiges etwas.
Von dem Lob zu diesem Werk, "Augenzwinkern", Scharfsinn und sonstigen
Begriffen, die Denis bei diesem Werk zugeschrieben werden, ist hier
beim besten
Willen nicht zu reden.
Sollten Sie das gänzlich anders sehen, nachdem Sie dem
Hörbuch doch eine
Chance gegeben haben, ist vielleicht "Lautsprecher aus! e.V." (siehe
Lien) etwas für Sie?
Kurzum ist das Hörbuch "Stille in Montparnasse"
schlicht eines: Zeitverschwendung. In einer Gegenwart, in der Begriffe
wie Zeitmanagement
in aller Munde sind, sollte man sich also was Gutes tun und auf dieses
Werk,
gedruckt wie gepresst, verzichten. Hören Sie doch einfach
Musik - welche auch
immer.
(Tanja Elskamp; 10/2007)
Ariel
Denis: "Stille in Montparnasse"
Gesprochen von Udo Samel.
(Originaltitel "Recital. Une interpretation")
Aus dem Französischen von Regine Herrmannsdörfer.
Ungekürzte Lesung.
Random House Audio, 2007. 3 CDs; Laufzeit ca. 175 Minuten.
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Buchausgabe:
Atrium-Verlag, 2007. 144 Seiten.
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Ariel Denis
wurde 1945 in Lyon
geboren.
Lien:
https://www.lautsprecher-aus.de/