Egmont R. Koch, Michael Wech: 
"Deckname Artischocke. Die geheimen Menschenversuche der CIA"


352 Seiten, von denen acht ein Register darstellen, 73 Endnoten (meistens Aktenverweise oder Literaturhinweise) und vier Angaben zu den wichtigsten Personen, die in diesem Buch vorkommen. All dies gibt diesem Buch einen sehr wissenschaftlichen Anstrich.

Anhand des bisher ungeklärten Todes von Frank Rudolph Olson im Jahr 1953 wird hier eine Betrachtung der Versuche an Menschen durch Angehörige der CIA und der US-Streitkräfte sowie vergleichbarer Organisationen in Großbritannien seit dem Zweiten Weltkrieg angestellt. Dabei werden mittlerweile ziemlich etablierte Fakten, wie das Versenden ehemaliger Nazi-Ärzte, die ihre Forschungen in Konzentrationslagern betrieben haben, aufgegriffen und anhand von Einzelfällen stärker beleuchtet. Hierbei geht es darum, dass im Zuge des beginnenden Kalten Kriegs verschiedene Stellen in den USA Angst hatten, dass andere Mächte in den Bereichen Menschenmanipulation und chemische und biologische Waffen durch Zuhilfenahme von groß angelegten Menschenversuchen bereits einen großen Vorsprung vor den USA erzielt haben könnten, weswegen sie darauf drängten, ebenfalls vergleichbare Versuche zu machen, wobei ihnen das Know-How der Nazi-Ärzte von Nutzen sein sollte. 

Im weiteren Verlauf wird die teilweise gut dokumentierte, teilweise allerdings ziemlich spekulative Geschichte der Entwicklung solcher Techniken - auch zur Gedankenkontrolle, Gehirnwäsche und für Verhöre - nachgezeichnet und mit ständigem Rückgriff auf Einzelpersonen illustriert. Danach sind sogar reguläre Patienten in amerikanischen Psychiatrien sowie Besucher bestimmter Bordelle in den "Genuss" der forschenden Aufmerksamkeit dieser Projekte gekommen, und es scheint die Möglichkeit zu bestehen, dass in verschiedenen Kriegen von der Seite der USA aus chemische oder biologische Technologien gegen die Gegner, teils zu Versuchzwecken, eingesetzt wurden. 

Das letzte und vorletzte Kapitel haben den größten Gegenwartsbezug, da sie auf die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen im Zusammenhang mit dem Nahen Osten eingehen und dabei sowohl die amerikanische Vorgehensweise, wie auch die Offenheit der USA in Bezug auf ihre eigenen Programme in diesen Bereichen bis in das Jahr 2002 kritisch beleuchten. 

Für Verschwörungstheoretiker ist dies Buch sicherlich in gefundenes Fressen, aber auch für kritischere Leserinnen und Leser mit einem gesunden historischen Interesse und gewissen geschichtswissenschaftlichen Grundlagen wirft es einige sehr unangenehme und erschreckende Fragen auf. Wer sich über die Ungleichbehandlung von Nordkorea und dem Irak in letzter Zeit wundert, der könnte nach der Lektüre des Buchs die Frage stellen, wann Herr Blix mal eine Tour durch die Vereinigten Staaten oder durch Großbritannien machen kann. Mit UNO-Mandat natürlich.

Egmont R. Koch, Jahrgang 1950, Studium der Biochemie in Hannover, wurde 1978 mit dem Öko-Bestseller "Seveso ist überall" (mit Fritz Vahrenholt) bekannt. Seither produziert er vielfach mit Preisen ausgezeichnete investigative Fernsehdokumentationen für ARD und ZDF. Außerdem hat er mit Büchern, die weltweit in zwölf Sprachen übersetzt wurden, für Aufsehen gesorgt, darunter 1990 "Böses Blut" mit Enthüllungen über HIV-verseuchte Blutkonserven.

Michael Wech, Diplom-Politologe, Jahrgang 1969, Studium der Politischen Wissenschaften in Hamburg, London und Ankara, ist Autor von Fernsehdokumentationen für 3 SAT, Arte, ZDF und ARD. Er arbeitet seit mehr als zehn Jahren mit Egmont R. Koch zusammen.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 03/2003)


Egmont R. Koch, Michael Wech: 
"Deckname Artischocke. Die geheimen Menschenversuche der CIA"
Bertelsmann, 2002. 352 Seiten.
ISBN 3-570-00662-X.

ca. EUR 23,90.
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