Paulo Coelho: "Der Zahir"

Coelho kann wieder überzeugen


Paulo Coelho ist inzwischen wohl jedermann ein Begriff, wenn es um Romane zum Thema Sinnsuche geht. Nachdem er sich mit "Elf Minuten" von seiner eigentlichen Stärke abgewandt hatte, kehrt er nun wieder in sein ureigenstes Metier zurück. "Der Zahir" ist wiederum ein Roman, der einen Menschen bei der Suche nach dem Sinn im Leben, aber noch viel mehr auf der Suche nach dem tieferen Verständnis der Liebe begleitet und zeigt.

Der Icherzähler der Geschichte - der zweifellos sehr starke autobiografische Züge trägt - muss feststellen, dass von einem Tag auf den anderen seine Ehefrau Esther verschwunden ist. Zunächst macht er sich Sorgen, sie könnte entführt worden sein oder einen Unfall gehabt haben. Bald jedoch muss er sich mit der Wahrheit abfinden; Esther ist vor ihm geflüchtet. Er macht sich zunächst auf die Suche, stellt fest, dass es anscheinend einen anderen Mann in Esthers Leben gibt, bricht die Suche ab und beginnt eine neue Beziehung. Aber Esther kann er niemals aus seinen Gedanken verdrängen, sie wird zu seinem Zahir - zu jenem Objekt also, das man am besten mit "Obsession am Rande des Wahnsinns" umschreiben kann. Seine neue Partnerin ermutigt ihn ein Buch zu schreiben und das Thema so zu verarbeiten - und so ist es auch, das Buch wird zu einem Bestseller.

Eines Tages jedoch trifft er in einer Signierstunde des neuen Buches auf den vermeintlichen Lebensgefährten seiner Exfrau - und diese Begegnung bringt ihn dazu, sein ganzes Leben und vor allem seine Beziehung zu überdenken. Er beginnt wieder mit der Suche nach Esther und macht eine tief greifende Entwicklung seiner Persönlichkeit durch.

Sprachlich ist Coelho immer wieder ein Genuss, und so verhält es sich auch mit diesem Buch. Es ist einfach schön zu lesen. Stilistisch hat er eine deutliche Entwicklung durchgemacht. Die Geradlinigkeit seiner bisherigen Bücher hat Coelho vollkommen aufgegeben. Er springt immer wieder von der Gegenwart in die Vergangenheit, das Buch wird dadurch zwar etwas schwieriger zu lesen, die Wirkung des Textes wird jedoch deutlich verstärkt.

Wie üblich in einer Icherzählersituation wird vor allem der Erzähler sehr deutlich gezeichnet, für die anderen Personen bleibt da häufig nur sehr wenig Platz. Dennoch schafft es Coelho auch einigen der anderen Personen Leben einzuhauchen und eine Geschichte zu geben. Die Charakterisierung der Hauptpersonen ist also ganz eindeutig hervorragend gelungen.

Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass Paulo Coelho wieder ein exzellentes Buch vorgelegt hat, das ganz bestimmt sehr schnell in die Bestsellerlisten aufsteigen wird. Für mich persönlich gilt, dass "Der Zahir" sehr gut an ein Werk wie "Der Alchimist" anschließen kann und den Ausrutscher "Elf Minuten" vergessen lässt. An "Veronika beschließt zu sterben" kommt der Roman nicht heran, aber ein zweites Buch dieser Intensität vom selben Autor zu erwarten wäre vermessen.

(Reinhold Stansich; 04/2005)


Paulo Coelho: "Der Zahir"
(Originaltitel "O Zahir")
Übersetzt von Maralde Meyer-Minnemann.
Diogenes, 2005. 342 Seiten.
ISBN 3-257-06464-0.
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