Françoise de Bonneville: "Das Buch vom Bad"

Hygiene und Badesitten - einst und jetzt


Das Bad ist uns heute zu einer Selbstverständlichkeit geworden, sodass wir kaum an Zeiten zurückdenken, als das Bad noch nicht das war, was es heute ist. Diesem Thema hat sich Françoise de Bonneville in ihrem "Buch vom Bad" angenommen. Mit einer sanften und femininen Sprache, derer ein Mann niemals mächtig sein kann, führt sie uns von den ersten Bädern des Altertums über die Griechen und Römer durch das Mittelalter in die Neuzeit. Sie unterteilt das Buch in zwei Themenschwerpunkte: das öffentliche und das private Bad. 
Die alten Griechen badeten und duschten im Anschluss an den Sport, den sie trieben, mit kaltem Wasser, um den erhitzten Körper abzukühlen und sich fit zu halten. Das Bad genügte den Anforderungen von Schönheitsformen gerecht zu werden. Einen ersten Höhepunkt erlebte das öffentliche Bad im alten römischen Kaiserreich, wo unter Agrippa 19 v. Chr. die ersten beheizten "Thermae" entstanden. Diese entwickelten sich zu wahren Erlebnisbädern, in denen es neben Restaurants und Bars auch Bibliotheken und Theater gab. Die größten "Thermae" errichtete Diokletian 300 n. Chr., die auf einer Fläche von 150.000 m² täglich 3000 Besucher aufnahmen. Das notwendige Wasser wurde über Aquädukte von weit her geschafft. Die Römer suchten die Thermen auf, aus Freude am Wasser, um sich zu zeigen und mit anderen zusammen zu sein. Männer und Frauen badeten gemeinsam, Luxus wurde zur Schau gestellt und Exzesse kamen nicht selten vor. 
So kam es dann im christlichen Kaiserreich dazu, dass Chrysostomus, der Patriarch von Konstantinopel, ein generelles Badeverbot verhängte. Einen weiteren Höhepunkt erlebten die öffentlichen Bäder im Mittelalter. Angeregt durch die Erfahrungen der Kreuzzüge entstanden in Europa Badehäuser, die Zusatzdienste, wie Barbiere, Masseure und Köche anboten. Auch hier badeten Männer und Frauen oft gemeinsam und nackt, es wurde gespielt und gefeiert. Durch diese Freizügigkeit und den Glauben, Syphilis und Pest würden über das Wasser übertragen, gerieten die Bäder wieder in Verruf und mussten geschlossen werden. 
Zwar gab es bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts kaum mehr öffentliche Bäder, jedoch war das Baden in Flüssen und Teichen beim Volk nach wie vor beliebt. Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden wieder öffentliche Bäder, welche jedoch den höheren Schichten vorbehalten blieben. Das Bad war ein gesellschaftliches Ereignis und oft konnte man in ihm auch speisen. Dieser Luxus wurde jedoch im 19. Jahrhundert von dem Gedanken an Hygiene und Sauberkeit abgelöst. 
So entstanden unter dem Einfluss der Ärzteschaft profane Reinigungsanstalten für das Volk, Duschbäder in ärmeren Vierteln. Im 20. Jahrhundert verdrängte dann langsam der private Badekomfort die öffentlichen Bäder. 

Die ältesten Funde antiker Badewannen stammen aus Mesopotamien und Knossos und sind etwa 4000 Jahre alt. Eine Wanne mit warmem Wasser war bis zur Entstehung des modernen Badekomforts ein Privileg der Reichen, da Wannen und erhitztes Wasser an eine Dienerschaft und teures Heizholz gebunden waren. Im Mittelalter badete man in großen Holzzubern, die mit einem Leinentuch ausgelegt waren. Es wurden damals sogar Besuche in der Badewanne empfangen. Doch zu Beginn der Neuzeit wandte sich die Ärzteschaft gegen das Baden, es schwäche die Körperkräfte und führe zu giftigen Ausdünstungen. 
Es begann die Herrschaft der trockenen Körperpflege der Höflinge. Körper, Gesicht und Hände wurden mit parfümierten Tüchern abgerieben und man begann Leibwäsche zu tragen. 
In dieser Zeit steht die symbolische und repräsentative Funktion des Wassers im Vordergrund und es werden luxuriöse Badeappartements gebaut, jedoch nicht um zu baden, sondern um zu repräsentieren. Das erste moderne Bad, in dem es fließendes Wasser gab, entstand in England. Es verfügte über Waschtische, Porzellanbadewannen und fließendes Warmwasser (nach der Erfindung des ersten Gasboilers 1851). Mit dem Gusseisen kamen Wannen auf den Markt, die zuerst lackiert, später dann emailliert wurden. In den 1920ern überholten die Amerikaner die marktführenden Engländer und machten das Bad für den Großteil der Bevölkerung erschwinglich, da sie alles in Serie herstellten. 

Abschließend führt uns Françoise de Bonneville noch durch das türkische Hammam, die skandinavische Sauna und das japanische "furo", welches mit dem Geist der Reinigung zu tun hat und die Sauberkeit transzendiert. Hilfreich für den, der Lust auf ein neues, edles Bad bekommen hat, sind die "guten Adressen" am Ende des Buches. 

Auf dieser poetischen Reise durch die Bäder der Vergangenheit und der Gegenwart begleiten uns Bilder der schönsten Badeanstalten und Privatbäder sowie die sinnlichsten Gemälde Badender. Als Voyeur können wir die vorwiegend weiblichen Badenden bei natürlichen Tätigkeiten beobachten, egal ob es sich um eine dunkle Schönheit im maurischen Bad handelt, die von einer Sklavin massiert wird, oder um eine Mitteleuropäerin, die sinnlich ihren Badeschwamm an ihrer Brust ausdrückt. Alles in allem ein sehr weibliches Buch voll Sinnlichkeit, das sich niemand entgehen lassen sollte, der die Atmosphäre eines heißen Wannenbades schätzen kann.

(Ivan Kristianof; 08/2002)


Françoise de Bonneville: "Das Buch vom Bad"
Collection Rolf Heyne, 2002. 200 Seiten.
ISBN 3-89910-160-X.
ca. EUR 35,-. Buch bestellen