Peter Nelson: "Baumhäuser der Welt"

Wohnen wie der Erlkönig


Wann das erste Baumhaus errichtet worden war, weiß wohl niemand. Anzunehmen, dass unsere Cro Magnon-Vorfahren schon fleißig in den Ästen hausten - aus Schutz vor körperlich stärkeren Beutegreifern. Bis in die moderne Gegenwart blieben Baumhäuser erhalten, als materiell versinnbildlichte Kindheitsträume vom Leben als Robinson Crusoe oder Robin Hood - bzw. liefern Vorlagen für Science-Fiction (man denke nur an die Häuser der wuscheligen Ewoks im "Krieg der Sterne") und Fantasy (z.B. die romantisch-verwachsenen Elbenheimstätten von Rivendell oder Lothlorién in "Der Herr der Ringe").

Beim Verlag Christian Brandstätter ist ein wunderbarer Bildband des "Baumhauspapstes" Peter Nelson erschienen. Die zum Träumen anregenden Fotos hat Radek Kurzaj geschossen. Viele von ihnen sind so perfekt aufgenommen, dass die Szenerie fast schon unwirklich schön erscheint. Nelson/Kurzaj bereisten den ganzen Globus, um Material für "Die Baumhäuser der Welt" zu sammeln. Die aus Holz geborenen Wohnträume stehen an der waldreichen nördlichen Westküste der USA ebenso wie in Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Australien, Neuseeland oder China. Im Nordosten der Vereinigten Staaten (bei Colchester, Vermont) windet sich eine 36 Meter lange Rampe durch Eichen und Robinien zu einem 42 Quadratmeter geräumigen Baumhaus mit Ausblick auf den Lake Champlain. Das Besondere an der Konstruktion: sie ist behindertengerecht! In Biarritz, Frankreich, kreuzt sechs Meter über dem Boden in den Armen einer Platane ein Baumhaus, das einem Segelschiff nachempfunden worden ist. In Peesten, Deutschland, zentriert sich der mittels steinerner Wendeltreppe ansteigende Holzbau um eine majestätisch himmelragende, völlig intakte Eiche. Gelebter Holismus: Zivilisation und Natur im Einklang! Anders, aber vom Grundkonzept doch ähnlich, die Baumhäuser der Korowai auf Papua-Neuguinea. Ihre Wohnstätten liegen seit Menschengedenken in luftiger Höhe von 40 Metern. Rattan bildet das Gerüst der Baumhäuser, Sangopalmblätter machen das Dach aus. "Organische Architektur" wird diese Bauform bezeichnet.

Peter Nelson verdient mit Baumhäusern seinen Lebensunterhalt, er verfasst nicht nur Bücher und Bildbände, sondern konstruiert und errichtet Baumhäuser für betuchte Kunden nach Maß. Tut er dies nicht gerade, bereist er die Welt, um Workshops über die Konstruktion seiner bevorzugten Bauform zu leiten. Auch im vorliegenden Buch sind einige Fertigungsanleitungen inkludiert. Im Anhang führt Nelson Baumarten an, die sich besonders zum Häuserbau eignen (Apfelbaum, Esche, Fichte, Ahorn, Eiche oder Palme) bzw. solche, die eher ungeeignet erscheinen (Erle, Pappel, Ulme). Das Warum steht im Buch. Bitte selbst nachschlagen.

Was nicht im Buche steht, dem Rezensenten aber dennoch erwähnenswert erscheint: Am 12. Januar 2005 wurde in der englischen Grafschaft Northumberland, in der Nähe des Alnwick Castle, (diente als Außendrehort für "Harry Potter"), das größte Baumhaus der Welt eröffnet. 4,6 Millionen Euro kostete dieser Prachtbau.

Fazit: Man muss nicht Pfadfinder gewesen sein, um "Die Baumhäuser der Welt" zu lieben. Das Buch weckt die ästhetischen Empfindungen mit jedem Umblättern mehr.

(lostlobo; 01/2005)


Peter Nelson: "Baumhäuser der Welt"
Fotos: Radek Kurzaj.
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Brigitte Hilzensauer.
Brandstätter, 2005. 224 Seiten, mit ca. 250 Farbabbildungen.
ISBN 3-85498-386-7.
ca. EUR 36,00. Buch bei buch24.de bestellen
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Noch ein Buchtipp:

David Pearson: "Baumhäuser"
Baumhäuser rufen tiefe Gefühle in uns wach. Sie erinnern an glückliche Kindertage, die wir im Wald und mit dem Bauen von Verstecken verbrachten, sie wecken Urinstinkte, die wir von unseren auf Bäumen lebenden Vorfahren geerbt haben. Baumhäuser vermitteln einen Hauch von Freiheit und Abenteuer, von meditativer Ruhe und Abgeschiedenheit und lassen uns die Natur hautnah erleben: das sanfte Schwanken des Baumes, das leise Rascheln der Blätter, Wolken und Himmel über uns und um uns nichts als Natur.
22 faszinierende Geschichten erzählen von Menschen weltweit, die sich diesen Kindheitstraum erfüllten und ihr eigenes Baumhaus erstellten. Von der einfachen, improvisierten Hütte über Gemeinschaftsprojekte und Manifeste der Umweltaktivisten bis zum perfekten dreistöckigen Wohnhaus oder Baumhotel in luftiger Höhe.
Ergänzt wird das Buch durch eine kurze historische Einführung und die wichtigsten Schritten zur praktischen Umsetzung, Planung, Materialien und Adressen professioneller Anbieter. (AT-Verlag)
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