Till Bastian: "55 Gründe, mit den USA nicht solidarisch zu sein"

und schon gar nicht bedingungslos


Gründe, mit den USA nicht solidarisch zu sein, gibt es natürlich mehr als 55. Schon die Forderung nach Solidarität mit den USA stellt - gelinde gesagt - eine Zumutung dar, weshalb ernsthaft die Frage nach dem Sinn dieses Buches zu stellen ist.

Einen möglichen Rechtfertigungsansatz liefert das Vorwort, das in erschreckender Manier die bundesdeutsche Befindlichkeit offen legt: Jemanden des Antiamerikanismus zu bezichtigen, stellt in diesem Land in Zeiten wie diesen doch tatsächlich einen Vorwurf dar! Offenbar wird dieser Begriff von den Pro-Amerikanisten, wie mit vielen mit "Anti" beginnenden "-Ismen" sehr häufig der Fall, als Totschlagewort oder als Keule verwendet, um amerikakritische Gesprächspartner als von vornherein nicht ernstzunehmend zu diskreditieren.

Wenn der Autor diese Argumentation auch zurecht bloßstellt, so verabsäumt er, auf einen wesentlichen Umstand hinzuweisen: Der Antiamerikanismus ist in ethischer Hinsicht nämlich nicht mit sämtlichen übrigen "Anti-ismen" vergleichbar! Angesichts des Unheils, das die USA (die simplifizierende Gleichsetzung mit "Amerika" sei hier gestattet, sie ist ja auch dem Begriff Amerikanismus immanent!) seit ihrem Bestehen für den Rest der Welt, ja für die Welt als solche bedeutet, angesichts der im Namen Amerikas verübten Untaten, angesichts dieser ganzen schrecklichen auf Gewalttätigkeit, Geldgier und Heuchelei bestehenden Geschichte, erscheint es für jeden rechtschaffenen und einsichtigen Menschen geradezu als sittliches Gebot, Antiamerikaner zu sein!

Derartige gesamt-historische Betrachtungen fehlen dem Buch völlig. Außerhalb jeglichen geschichtlichen Zusammenhanges werden der Regierung Bush jun. ihre offensichtlichsten (Un-)Taten und Versäumnisse vorgeworfen, ohne zu bedenken, dass diese Politik eben typisch amerikanisch ist und sich nur in Nuancen von der Politik etwa der Clinton-Administration unterscheidet. Sicherlich hat Amerika, hat der Amerikanismus mit dem Konterfei Georg W. Bushs ein besonders brutales und überdies primitives Erscheinungsbild erhalten, aber im Grunde ist die Fratze dieselbe geblieben: die des alles verschlingenden, bösartigen Molochs.

Bastians Geschichtsreflexion erschöpft sich nun stereotyp im Bekennen der uneingeschränkten und ewigen Alleinschuld Deutschlands (offenbar auch am Ersten Weltkrieg, Seite 99), für mehr reicht es nicht. Und auch die Naivität folgender Sätze stößt übel auf: "Wer freundschaftliche Gefühle für die Bevölkerung der USA hegt (...), wird jene Menschen in einfühlsamer, aber eindringlicher Art und Weise vor einem sich steigernden Nationalismus warnen müssen, statt eine solche Fehlleistung tatenlos und schweigend hinzunehmen. ... Wer auf eine solche Warnung von vorneherein verzichtet hat, wird sich nicht darauf berufen können, dass sie ohnedies fruchtlos gewesen wäre. Dies trifft auch im Verhältnis zwischen befreundeten oder jedenfalls verbündeten Staaten zu. Die Folgerung liegt nahe, dass es vielen deutschen Politikern an einem wirklichen freundschaftlichen Umgang mit ihren Partnern in den USA mangelt. Denn ein solcher Umgang schlösse das offene Gespräch auch, ja gerade über kritische Punkte von vorneherein ein - nicht aus."

Nun ja. Mag man über soviel Weltfremdheit lächeln oder den Kopf schütteln - über die Dürftigkeit des gedanklichen Ergebnisses dieser Zeilen, gerade einmal für einen Schulaufsatz im Oberstufenrealgymnasium reichend, kann nicht hinweggesehen werden. Leider herrscht ein derartiges Niveau über weite Strecken dieses Buches vor. Wenn auch hin und wieder durchaus Wissenswertes präsentiert wird, etwa warum eine aktive Involvierung Mohammed Attas in die Geschehnisse des 11.9.2001 als keineswegs feststehend angesehen werden muss, so ist die gebotene Informationsfülle keineswegs berauschend und vergleichbaren Arbeiten, z. B. Noam Chomskys, weit unterlegen.

Warum also das Ganze? Nun, wahrscheinlich macht die eingangs erwähnte bundesdeutsche Befindlichkeit Bücher dieser Art nötig. Wahrscheinlich würden in der heutigen BRD die großartigen Amerika-Bücher Fernaus (man vergleiche bloß Bastians naiv-geschwätzige Ausführungen über die Notwendigkeit des "guten Gesprächs" mit Fernaus Aufruf, "das, was da über uns kommt", zu hassen!) und Deschner keinen Verleger mehr finden. Auch dieses Buch wurde bemerkenswerter Weise vom Schweizer Pendo-Verlag herausgegeben.

So gesehen ist das Erscheinen Till Bastians Buch noch als positiver Schritt in die richtige Richtung anzusehen.

(Franz Lechner; 11/2002)


Till Bastian: "55 Gründe, mit den USA nicht solidarisch zu sein
und schon gar nicht bedingungslos"

Buch bei amazon.de bestellen