Annette Seemann: "Anna Amalia"

Herzogin von Weimar


Die Fürstin des klassischen Weimars

Die Autorin, Germanistin und Romanistin, hat schon einige Porträts bekannter Frauen verfasst. Sie lebt in Weimar und ist auch Vorsitzende der Gesellschaft Anna Amalia Bibliothek, durch deren Brand im September 2004 die bibliophilen Zeitgenossen erschüttert wurden.

Im April 2007 jährt sich der Todestag der Anna Amalia zum zweihundertsten Mal, was unsere dezimale Gesellschaft eine Würdigung erwarten lässt. Geboren wurde Anna Amalia 1739 als Tochter des Herzogs Carl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel und seiner Gattin Philippine Charlotte aus dem Geschlecht derer von Brandenburg-Preußen, einer Schwester König Friedrichs II. von Preußen. Im März 1756 wurde Anna Amalia mit Ernst August II. Constantin von Sachsen-Weimar-Eisenach verheiratet, der allerdings zwei Jahre und zwei Monate später verstarb, jedoch nicht ohne 1757 einen Stammhalter zu hinterlassen. Nach einigen Streitigkeiten übernahm Anna Amalia 1759 die Regentschaft ihres Sohnes, der an seinem achtzehnten Geburtstag 1775 die Regierungsgeschäfte übernahm.

Danach widmete sich Anna Amalia der Kunst und der Literatur. Von 1788 bis 1790 reiste sie nach Italien, wo sie die meiste Zeit in Neapel verbrachte. Ab 1797 installierte sie gelehrte Freitagsrunden, an denen die in Jena lehrende literarische und philosophische Prominenz teilnahm: Schlegel, Fichte, Schelling, Hegel, Schiller, der ab 1799 nach Weimar zog. Die lokalen Größen der Zeit, also Goethe, Wieland und Herder, waren natürlich auch dort zu finden.

Sie verstarb im April 1807. Der Nekrolog Goethes begründete den etwas überhöhten Ruf der Herzogin als Begründerin des Weimarer Musenhofs. Die Rezeption der Anna Amalia scheint derzeit im Wandel begriffen. Wiesen einst Publikationen auf den aufgeklärten Charakter des Weimarer Hofs hin, der gar als ein literarisches Treibhaus hingestellt wurde, das die Weimarer Klassik erst ermöglichte, so mehren sich die Stimmen, die diese einstige Apotheose deutlich in Frage stellen. Diese Tendenz ist an sich nicht neu, wenn man sich den aufgeklärten Monarchen Friedrich II. betrachtet, den Onkel der Anna Amalia. Dessen sprichwörtliche Aufgeklärtheit wird zunehmend durch kritische Betrachtungen untergraben, die ihn als Kriegstreiber präsentieren oder seine religiöse Toleranz am Beispiel der Lebensbedingungen der Berliner Juden überprüfen (Vera Forester: Lessing und Moses Mendelssohn).

Was wäre Weimar damals und heute ohne Anna Amalia? Sie engagierte Wieland, den dann Karl Ludwig von Knebel in Weimar besuchte. Knebel, der von Anna Amalia engagiert wurde, brachte Goethe und Carl August zusammen. Goethe nahm dann in Weimar Quartier, lud Herder ein und lockte Schiller an. Ohne Anna Amalia wäre Weimar scheinbar nicht zum literarischen Mittelpunkt der Klassik geworden, die sich vielleicht auch so gar nicht entwickelt hätte. Doch sind diese Zufälle das Verdienst der Anna Amalia?

Das Verhältnis der Menschen zum Adel ist seit Platon und Aristoteles zwiespältig. Von Platon über Hobbes, Locke, Rousseau bis Marx existieren Gesellschaftsmodelle, die ohne den Adel auskommen, doch selbst das Lichtlein der Renaissance entzündete sich an einem Florentiner Fürstenhof. Die künstlerische Emanzipation erfolgte, wie es scheint, erst mithilfe solcher Fürstenhöfe wie jenem der Anna Amalia in Weimar. Lessing hätte etwas darum gegeben, unter den Bedingungen eines Weimarer Literaturbetriebes arbeiten zu dürfen.

Die Geschichte und Bedeutung des europäischen Adels für die moderne Gesellschaft harrt derweil noch einer zeitgemäßen Untersuchung und Interpretation, wie es scheint. Doch dieses sehr schöne und abbildungsreiche Buch mag den Leser veranlassen, diese Bewertung für sich schon einmal vorwegzunehmen. Man erfährt nebenbei auch noch einiges über eine alles in allem sympathische Frau, die in einer Zeit mit anderen Spielregeln das außergewöhnliche kulturelle Erbe Weimars mit begründete.

Das gebundene Buch beinhaltet 90 überwiegend farbige Abbildungen, Zeichnungen, Porträts, Gemälde und Fotos. Ein Anmerkungsteil, zwei Stammtafeln, Zeittafel, Literaturverzeichnis, ein Personenregister und ein Bildnachweis komplettieren es. Ein klitzekleiner Schreibfehler lässt das Buch das Prädikat perfekt verfehlen. Äußerst sympathisch ist auch der Preis für dieses bibliophile Werk.

(Klaus Prinz; 03/2007)


Annette Seemann: "Anna Amalia. Herzogin von Weimar"
Insel Verlag, 2007. 195 Seiten.
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