"Age of Empires III"

Ruhm und Ehre bei der Kolonialisierung Amerikas


Strategiespiel mit Kultpotenzial

Anfänglich beschleicht Skepsis, denn plötzlich scheint das Spiel im Vergleich mit der Vorgängerversion AoE II. empfindlich reduziert, was jedoch bei genauerem Hinsehen auf der vorgegebenen Standardeinstellung beruht. Eine kurze und einfach zu bewerkstelligende Nachjustierung, und alles ist wieder beim alten: weitläufige Spielfläche, bis zu acht konkurrierende Kulturen. Der Handlungsort ist nach Amerika verlegt, wo es nun - auf freilich fragwürdige Weise - nach Ruhm und Ehre zu trachten gilt. Wofür es seitens der alten europäischen Metropolen rührige Unterstützung gibt. Des Weiteren fällt sofort auf, dass einige vertraute Figuren verkümmert sind oder komplett fehlen. So z.B. der bislang nicht nur müde Krieger heilende, sondern das Spielfeld geradezu dominierende Kirchenmann, Reichtum bringende Handelsflotten zu Wasser und zu Land, mächtige Ritterburgen - Handelsflotten und Ritterburgen sind dem Spiel gänzlich entnommen worden, was hinsichtlich der Burgen historisch verständlich, weil sachlich nachvollziehbar ist. Um die Handelsflotten tut es mir Leid. Die Grundidee selbst ist freilich unverändert geblieben, doch dahingehend im Ergebnis einer ganz allgemeinen Straffung etwas schlanker geworden und ob ihrer neuen Schlichtheit einfacher und zügiger zu handhaben. So bedarf z.B. der Holzfäller keines immer erst noch zu errichtenden Holzfällercamps mehr. Gleiches gilt für den Bergwerksmann. Äcker müssen nicht mehr nachbestellt werden. Das Spiel ist solcherart dynamischer geworden; die Verwaltung ökonomischer Belange hält nicht mehr so auf, wie es bei AoE II. noch der Fall ist. Zudem scheint die Herabstufung der Sozialmacht des Klerikers bei Gewahrung der Historie sachlich geboten, denn der frömmelnde Kirchenmann war für die partiell aufgeklärte Zeit des Hochimperialismus nicht mehr typisch - völlig richtig, wenn seine Rolle zurückgestutzt wurde; das nimmermüde Sammeln von Umweltressourcen nahm dem Vorläufer AoE II. viel an Schwung. Andererseits ist nun auch das zivile Volk historisch korrekt in Milizen organisiert und weiß sich, einschließlich des Flintenweibs, seiner Haut zu erwehren. Was die Naturressourcen betrifft, so herrscht in Permanenz Mangel an Holz, rasch sind die Wälder kahl geschlagen, doch lässt sich dieses Manko an gleichermaßen knappen wie endlichen Naturressourcen über den Aufbau einer effizient produzierenden Marktwirtschaft mehr als kompensieren. Wo also einst ausgedehnte Wälder standen, findet sich schon bald nur noch eine Art von Manufakturen zur Gewinnung von Münzvermögen, und so nimmt der Erfolg verheißende zivilisatorische Fortschritt in einer zur Einöde gewandelten Landschaft seinen Lauf. Umweltruinen werden zum Wahrzeichen und Fundament für erfolgreiche Kulturentfaltung. Die Illusion zum ökologischen Desaster vollzieht sich spielnotwendig als merkantile Heils- und Herrschaftslogik. Während aber bei AoE II. ein Spiel noch zu gewinnen war, indem man die kriegerischen, jedoch allesamt ökonomisch einfältigen Gegner geduldig gegen waffenstarrende Verteidigungslinien anlaufen ließ, so steht man nun als Einzelspieler einem Gegenspieler gegenüber, welcher ebenso mit ökonomischen Talent versehen ist und auf jede auch noch so raffinierte Strategie eine - allfällig vernichtende - Antwort weiß. Die Spielidee AoE ist in ihrer Version No. 3 also merkbar anspruchsvoller geworden und lässt sich bei zahlenmäßiger Ausgewogenheit der Spielparteien gegen den Computer kaum mehr gewinnen.  

Über die ausgereifte bildliche und figürliche Darstellung des Spielbildes - die wahrlich spektakuläre 3D-Grafikpracht - muss kein weiteres Wort verloren werden. Das Elend kriegerischer Zerstörung wird hiermit zum schönen Epos verbreitert. Todesschreie untermalen lediglich einmal die Dramatik des Geschehens, doch kaum die eines wirklichen Krieges. Und strebt man mit Verbissenheit nach Hegemonie, bleibt ökologische Vernunft ausgeklammert. So auch hier. Faszinierend die leider verabsäumte Vorstellung, maßlose Umweltausbeutung könnte im Spiel schädliche Konsequenzen mit sich bringen. Die im Spiel auftretenden Stämme der Ureinwohner, Azteken, Irokesen, Cree, Inka, usw. usf. (insgesamt zwölf Kulturen) werden mit der Rolle nützlicher Vasallen ohne prägnante Eigenpersönlichkeit abgespeist. Ihr historisches Schicksal bleibt bagatellisiert - somit AoE III. zwar nicht unbedingt einen vertiefenden Beitrag zur geschichtlichen Bildung liefert, doch, will man es mit der politischen Korrektheit nicht zu weit treiben, so gereicht das Gegebene einem Strategiespiel allemal zur Genüge, das in erster Linie unterhalten will. Zudem ist für Gleichbehandlung gesorgt: Das Schicksal relativer Konturenlosigkeit trifft alle Kulturen gleichermaßen - Europäer wie Indianer.

Alles in allem ist AoE III. ein überaus gelungenes Strategiespiel mit hohem Unterhaltungswert. Gegenüber der zum Kult erwachsenen Vorgängerversion AoE II. teils ein echter Fortschritt, der den Erwerb der Software für Freunde von AoE unumgänglich macht. Zur Volksbildung mag es wohl - trotz erläuternder Ausführungen zur Historie - nicht allzu viel beitragen, denn historisches oder ökologisches Begreifen dürfte allenfalls ein beiläufiges Anliegen der Spielautoren gewesen sein. Gerade Letzteres wäre jedoch eine weitere Erwägung wert, denn was bringt der Sieg am Schlachtfeld in einer zur Umweltruine verkommenen Lebenswelt? Vielleicht kann es ja eine lohnende Idee für ein zukünftiges AoE IV. sein, dass nicht einzig der Krieg der Vater aller Dinge ist und machtpolitische Dominanz als isolierter Parameter politischer Vernunft nur scheinbar vernünftig ist, in der Tat jedoch noch lange nicht dem Leben zur Hochblüte gereicht. Davon abgesehen ist für kurzweilige Stunden allerdings zur Genüge gesorgt. Und darum geht es ja letztlich.

(Bruno; 12/2005)


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