Erwin Ebermann (Hrsg.): "Afrikaner in Wien"

Zwischen Mystifizierung und Verteufelung 
Erfahrungen und Analysen

Wer die Welt verbessern will, sollte bei sich (zu Hause) beginnen


Ein Buch, das Brücken bauen kann zwischen Weißen und Afrikanern. Dieser Sammelband vermittelt Einblicke in das Leben der AfrikanerInnen in Wien - einerseits aus Sicht der Betroffenen und andererseits aus Sicht von Beobachtern. Er beleuchtet sowohl die Einstellungen der Österreicher als auch die der Afrikaner, und die Kluft könnte nicht größer sein, denn beide Seiten tendieren viel zu oft zu einer unkritischen Schwarz-Weiß-Malerei, anstatt sich mit der Kultur des jeweils Anderen auseinander zu setzen, mehr über ihn zu erfahren und so auch Verständnis für dessen Verhaltens- und Vorgehensweisen zu entwickeln. Dieses Buch versucht durch vielfältige Untersuchungen, der gegenseitigen Mythenbildung entgegenzuwirken und einen Beitrag zur konstruktiven Annäherung zu leisten.

"Afrikaner in Wien" bietet tatsächlich eine Reihe an Informationen über afrikanische Zuwanderer, viele spannende Statistiken über Migrationsmotive, schichtspezifische Herkunft und Altersverteilung. Auch die Unterschiedlichkeit der afrikanischen Zuwanderer wird eingehend beschrieben und dabei den afrikanischen Frauen und deren speziellen Problematik ein Kapitel gewidmet. Sehr interessant ist die Welt der Vorurteile beschrieben, woraus die Ursachen der Fremdenfeindlichkeit gut ablesbar sind. In Österreich hängt dies besonders eng mit der Intensität von Beziehungen mit Menschen anderer Nationalitäten (je seltener, desto größer die Ablehnung), dem Wahlverhalten, wobei FPÖ-Wähler besonders schlecht abschneiden, mit erfahrener Arbeitslosigkeit (erhöht die Ablehnung) und mit dem Bildungsgrad (ein höherer vermindert Ablehnung) zusammen. Afrikaner wurden im Rahmen dieser Studie auch darüber befragt, was sie von Österreichern lernen können und was Österreicher von Afrikanern lernen sollten. Sehr wichtig und informativ erscheint mir auch die Darstellung der Situation zwischen Afrikanern und Behörden, vor allem im Bereich der Justiz. Der Beitrag über den Wiener Arbeitsmarkt und dessen Angebote für Afrikaner stimmt den Leser sehr nachdenklich, und die Situation am Wohnungsmarkt gestaltet sich ebenfalls nicht sonderlich euphorisch.

"Lebensbewältigung in Schwarz-Weiß" beschreibt schwierige Beziehungen, denen vom sozialen Umfeld her kaum Chancen gegeben werden, die oft genug daran zerbrechen und leider nur selten von einer glücklichen Entwicklung berichten können. Die Auseinandersetzung mit der Frage "warum integrative Überzeugungsarbeit oft wirkungslos bleibt", gibt aufschlussreiche und ehrliche Antworten, aber letztendlich gibt es auch genügend Möglichkeiten des Handelns und der Meinungsänderung. So existieren doch auch Gemeinsamkeiten und Dinge, die wir voneinander lernen könnten. Letztendlich prägt die Umgebung den Menschen viel mehr als die Herkunft, was eine große Chance für ein konstruktives Miteinander bieten kann. Wir werden nie gleich sein, aber können Unterschiede nicht auch oft sehr reizvoll und bereichernd sein? So blicken wir Mitteleuropäer eher darauf, was uns noch fehlt; in Afrika ist man häufig schon froh, wenn sich eine schlimme Situation nicht zur Katastrophe entwickelt. Dieser Wille zum Positiv-Sehen zeichnet Afrikaner aus. Die Tendenz in unserer Gesellschaft, das Negative in den Vordergrund zu stellen, wirkt für Afrikaner oft befremdend, aber würde es uns nicht vielleicht gut tun, in dieser Hinsicht von ihnen zu lernen und öfter das "halb-volle Glas" zu sehen?

Und so möchte ich dieses Buch jedem wärmstens empfehlen, der die Gelegenheit nutzen möchte, sich mit dieser Thematik auseinander zu setzen und dadurch einen Beitrag für mehr Weltoffenheit und Toleranz zu leisten.
Erwin Ebermann, Universitätslehrer mit Afrika-Schwerpunkt, ist ehemaliger Abteilungsleiter des Afro-Asiatischen Instituts Wien, der auf langjährige Afrika-Aufenthalte verweisen kann.

Als Abschluss ein afrikanischer Witz, der Klischees enthält wie viele unserer Witze, wobei den Suraka ein Ruf des Geizes vorauseilt wie den Schotten, und über den ich genauso lachen konnte wie ein afrikanischer Freund:

Ein Suraka läuft weinend zu seinem besten Freund, der im Sterben liegt. "Bitte stirb nicht!" Der Freund ist sichtlich gerührt über diese Liebe und tröstet ihn: "Schau, das Leben wird weitergehen." Worauf der Suraka antwortet: "Aber du bist mir doch noch viel Geld schuldig!"

(margarete; 04/2003)


Erwin Ebermann (Hrsg.): "Afrikaner in Wien"
LIT, 2002. 432 Seiten. 
ISBN 3-8258-5712-3.
ca. EUR 35,90.
Buch bestellen

Lien:
http://www.afrika-wien.at/