Stephen King: "Mr. Mercedes"


Fatale Fahrerflucht mit Folgen

Zum ersten Mal seit seinen Bachmannjahren wendet sich Stephen King mit diesem Roman wieder dem "reinen" Thrillergenre zu, in dem Sinn, dass hinter der Geschichte keine unheimlichen Wesen lauern. In "Mr. Mercedes" kommt der Schrecken ganz und gar aus der menschlichen Natur.

Vor wenigen Jahren ist jemand mit einem gestohlenen Mercedes in eine Gruppe von wartenden Arbeitslosen vor den noch geschlossenen Toren eine Arbeitsvermittlungsstelle gefahren. Acht Personen sind dabei getötet getötet worden und etliche andere verletzt. Police Detective Kermit William  Hodges war damals der ermittelnde Beamte, und dieser ist einer der wenigen Fälle, die er ungelöst mit in den Ruhestand genommen hat. Geschieden, entfremdet von seiner Tochter und ohne weitere Ziele im Leben, sitzt er stundenlang vor konfliktreichen Fernsehplaudersendungen, nimmt an Volumen zu, streichelt die ehemalige Dienstwaffe seines Vaters und steckt sie auch gelegentlich probehalber in den Mund.

Da erreicht ihn eines Tages ein Brief: Der Mercedesmörder meldet sich direkt bei ihm, um ihm von der Freude zu berichten, die ihm diese spezielle Aktion damals gebracht hat, und Bill noch weiter auf dem Weg in Richtung Selbstmord zu treiben, auf dem er sich bereits befindet. Aber anders als zuvor bei der Besitzerin des als Tatwaffe verwendeten Mercedes, erreicht er bei Bill genau das Gegenteil. Aufgestört - und gegen alle Regeln und Verordnungen - beginnt Bill Hodges, wieder diesem alten Fall hinterher zu spüren und stürzt sich dabei als Erstes auf den vermeintlichen Selbstmord der von Schuldgefühlen zerfressenen Mercedesbesitzerin. Schnell gelangt er dabei zu ganz unerwarteten Erkenntnissen - wie zum Beispiel, dass es doch noch einige Dinge auf der Welt gibt, für die es sich zu leben lohnt.

Brady Hartfield ist Bills Gegenspieler in einem Katz-und-Maus-Spiel, das den ehemaligen Polizisten verstärkt in die Kunst der Netzrecherche einweist und ihm immer neue Hinweise auf die Vielschichtigkeit seiner eigenen Nachbarschaft gibt. Denn die Menschen um ihn herum sind wesentlich komplexer, als er bis dahin vermutet hat - und diese Feststellung zwingt Bill dazu, Einiges aus seinem bisherigen Leben zu hinterfragen. Ein Problem, das der psychopathische Brady, der immer noch bei seiner Mutter lebt und eine sehr verstörende Biografie aufzuweisen hat, nicht teilt. Er möchte nur einfach noch mehr Tote verursachen -  oder sogar versuchen, seine bisherigen "Leistungen" zu übertreffen.
Und so laufen die beiden Antagonisten stetig auf eine abschließende, alles entscheidende Begegnung zu ...

Es ist eigentlich gleichgültig, in welchem Genre er sich bewegt, Stephen Kings Erzählstimme ist immer fesselnd und mitreißend, und so ist es auch in diesem Roman, der das klassische Muster "Einzelgängerischer Ermittler gegen intelligenten Psychopathen" aufnimmt und es auf sehr idiosynkratische Weise verarbeitet. King lässt den Leser tief in das Denken und Fühlen der Spieler auf beiden Seiten eintauchen.

Fazit:
Ein sehr gelungener Thriller mit viel Sprachwitz und überaus einprägsamen Charakteren.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 09/2014)


Stephen King: "Mr. Mercedes"
(Originaltitel "Mr. Mercedes")
Übersetzt von Bernhard Kleinschmidt.
Heyne, 2014. ca. 550 Seiten.
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